"Es gibt auch tugendhafte Kunsthändler"
Das Auktionshaus Lempertz versteigert einen menschlichen Schrumpfschädel und befeuert so die Debatte, wie koloniale Kunstgüter gehandelt oder restituiert werden sollten. Die Politik müsse sich mehr einmischen, sagt Kulturgutexpertin Bénédicte Savoy.
Geschrumpfte Schädel zu verkaufen sei ganz legal, sagt Bénédicte Savoy im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Klar sei auch – und das wisse auch das Auktionshaus Lempertz - dass für solche Güter eine Nachfrage bestehe.
Die Debatte um den Umgang mit menschlichen Überresten sei besonders in Deutschland aktuell. Allerdings gehe es vorrangig um Bestände in Museen:
"Aber Museen und Kunsthandel sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe!"
Debatte in Frankreich weniger aufgeregt
Dass man sich in Frankreich deutlich weniger über den Handel mit menschlichen Überresten aufrege, könne sie bestätigen. Aber in ihrer Heimat rege man sich auch generell weniger über die Kolonialzeit als in Deutschland auf.
Präsident Macron habe den Auftrag erteilt, dass sie und ein senegalesischer Kollege untersuchen sollen, wie Kulturgüter aus französischen Museen an afrikanische Länder zurückgegeben werden könnten.
"Da ist es tatsächlich so, dass der französische Präsident das beschließt, aber eine öffentliche Debatte darüber gibt es komischerweise in Frankreich nicht. Nicht wie hier, wo die Politik sehr zurückhaltend ist, aber die Öffentlichkeit sehr aktiv."
Macrons Rückgabeversprechen ist nicht überstürzt
Dass das Versprechen Macrons – von Frankreich geraubte Objekte aus kolonialen Sammlungen in die afrikanischen Herkunftsländer zurückgegeben – als "Schnellschuss" vom Chef des Auktionshauses Lempertz kritisiert wird, hält Bénédicte Savoy für unzutreffend.
Ein Schnellschuss nach 200 Jahren sei zwar in dem Augenblick schnell. Und wenn man dies in der langen Zeit der Aneignungsperiode betrachte, wo französische Museen sich in afrikanischen Ländern bedient hätten, dann sei das Wort zwar jetzt gesprochen. Aber insgesamt sei dies keinesfalls ein Schnellschuss, kein überstürztes Handeln.
"Dass der Kunsthandel etwas aufgeregt ist, hat sicherlich auch damit zu tun, dass Museen, die jetzt oder vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten Objekte gekauft haben, die zwar im legalen Handel sind, aber einen illegalen Ursprung haben. Und vielleicht befürchten diese Händler, dass ihnen die Abnehmer damit wegfallen. Ich halte die ganze Aufregung aber für sehr übertrieben."
Politik muss klare Regelungen schaffen
Die Provenienzforschung werde in Deutschland, im Gegensatz zu Frankreich, von der Wissenschaft und der Öffentlichkeit vorangetrieben. Die Politik halte sich in Deutschland über die Restitution zurück und überlasse die Konventionen und die Antworten dazu Institutionen, wie etwa dem Museumsbund:
"Der Druck der Öffentlichkeit hier wird sicherlich dafür sorgen, dass die Politik irgendwann nicht mehr schweigen kann."
Es sei eine riesige Aufgabe zu unterbinden, dass der Kunsthandel mit illegal erworbenen Kunstgütern handele. Momentan gingen immer noch sehr viele Kunstgüter aus diesen afrikanischen Ländern ins Ausland ab. Und es werde so bleiben, wenn nicht ernsthaft etwas unternommen werde:
"Es gibt schon Gesetze, die sind zum Teil aber nicht von europäischen Ländern ratifiziert worden."
Gute Lösungen vom privaten Kunsthandel
Sie sei sehr verblüfft, dass gute Initiativen oft aus dem Kunsthandel kämen. Es gebe schon private Restitutionen, die ohne den Staat auskämen. Beispielweise habe ein Pariser Kunsthändler Kunst aus Benin zusammengekauft und dorthin zurückgeschenkt und dort ein Museum gebaut. Nun würden afrikanische Kollegen das geschenkte Museum betreiben. Und diese Aktion sei kein Einzelfall.
"Es gibt auch schon tugendhafte Kunsthändler und die sollte man auch nicht dabei vergessen."
(mle)