"Extrem gut international abstimmen"
Der Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für Energiewissenschaft und Energiepolitik, Georg Erdmann, hat sich dafür ausgesprochen, nach Endlagern für den deutschen und europäischen Atommüll auch außerhalb Europas zu suchen.
Christopher Ricke: Es kommt Bewegung in die Atomdebatte, die Bundeskanzlerin hat sich positioniert, 10 bis 15 Jahre Laufzeitverlängerungen für deutsche Atomkraftwerke könnte sie sich vorstellen. Und dann stellt sich der Bundesumweltminister Norbert Röttgen auch gleich etwas vor, Milliardeninvestitionen in die Sicherheit der Meiler, die eigentlich im Lauf der nächsten Jahre abgeschaltet werden sollten, so wie es der Ausstiegsplan von Rot-Grün, vereinbart mit den Energiekonzernen, einmal vorhergesehen hat. Nur was ist, wenn Schwarz-Gelb scheitert, wenn Rot-Grün wiederkommt? Kriegen wir dann noch mal den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg? Etwas mehr Planungssicherheit wäre vielleicht hilfreich. Ich spreche mit Professor Georg Erdmann, er ist der Vorsitzende der Gesellschaft für Energiewissenschaft und Energiepolitik. Er lehrt und forscht an der Technischen Universität Berlin. Guten Morgen, Professor Erdmann!
Georg Erdmann: Guten Morgen!
Ricke: Bei den Stadtwerken rauft man sich die Haare. Das sind die, die sich auf den Ausstieg verlassen haben, die ins Regenerative investiert haben. Jetzt kommt der Ausstieg aus dem Ausstieg, dann vielleicht wieder was anderes. Wie problematisch ist denn aus Ihrer Sicht dieses Hin und Her?
Erdmann: Ja das bedeutet, dass für einen Sektor, der ja auf sehr langfristige Planungssicherheit angewiesen ist, dass das also immer relativ kurzfristig sich ändert. Auch die Stadtwerke haben ja, wenn sie investieren, Zeiträume von 30, 40 Jahren für ihre Blockheizkraftwerke oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen im Blick. Und so gilt es natürlich auch für die andere Seite, die also Kernkraftwerke betreiben und große Kohlekraftwerke. Und wenn man in jeder Legislaturperiode das Steuer umwirft, dann ist das nicht gerade attraktiv für einen solchen Sektor.
Ricke: Aber das Problem muss irgendwie gelöst werden. Wie könnte es denn gelöst werden?
Erdmann: Ja da wäre im Grunde genommen Folgendes drauf hinzuweisen. Die Kernenergie in Deutschland wurde ja sowohl von der SPD sehr prominent vorangetrieben und auch durch die CDU. Das heißt, ursprünglich hatten die beiden großen Volksparteien einen Konsens in diesem Gebiet. Dieser Konsens ist verloren gegangen und zwar nicht nur parteipolitisch. Ich kenne viele Kollegen in der SPD, die vehemente Befürworter der Kernenergie sind, und wir wissen ja auch, dass in der CDU einige sind, die vehement dagegen sind.
Das heißt, es gibt einen Riss in diesen großen Volksparteien, und damit ist natürlich die Voraussetzung für einen langfristigen Betrieb von Energiesystemen – ob das jetzt nun Kernenergie oder was anderes ist – eben wirtschaftlich und vom Risiko, vom politischen Risiko her sehr gering. Und mein Appell wäre, dass man sich versucht, doch mal auf etwas Langfristigeres zu konzentrieren. Bisher haben wir erlebt, dass jede Regierung sich ein neues Konzept ausgedacht hat und nach vier Jahren war das über den Haufen. Das kann natürlich auf die Dauer nicht gut für die Stromversorgung sein.
Ricke: Es gibt ja eine Sache, da brauchen wir über Jahrtausende einen Konsens, das ist die Endlagerung von Atommüll. Je länger Atomkraftwerke laufen, umso mehr wird produziert. Aber wir haben eigentlich jetzt schon mehr als genug, weil wir kein Endlager haben. Sehen Sie da eine Lösung des Problems?
Erdmann: Ja, diese Lösung wird es geben. Das Schöne an dem Endlager, oder wie auch immer wie man das sagen will, es ist nicht ein ganz dringendes Handlungsbedarf. Weil nämlich man, bevor man den Abfall endgültig deponiert, ihn abstrahlen lässt. Das heißt die radioaktiven Substanzen, die sich langsam abbauen. Und dann hat man eben eventuell noch, wenn man eben nicht diese Wiederaufbereitung hat, die sehr langfristigen Isotope in dem Abfall. Und dann ist die Frage, wo geht man damit hin.
Und im Grunde genommen gibt es ja nirgendwo auf der Welt bereits eine definitive Entscheidung, es wird viel daran gearbeitet. Und was aus Sicht der Europäischen Union aus meiner Sicht ein bisschen zu bedenken wäre, ist, wir haben uns festgelegt, das muss innerhalb der Europäischen Union deponiert werden. Da fragt man sich natürlich, ist das eigentlich so eine clevere Idee, wo wir in einem sehr dicht besiedelten Kontinenten sind und es auf der Welt auch Stellen gibt, wo das viel leichter möglich ist, wo auch schon eine Vorstrahlungsbelastung da ist. Und wenn man jetzt dort zum Beispiel sich mal in einem globalen, zum Beispiel unter dem Dach der UNO oder unter dem Dach der Internationalen Atomenergiebehörde ein Konzept entwickeln würde, würde man wahrscheinlich das Problem lösen. Auf jeden Fall hat das, die Menge des Abfalls ist natürlich von dem Ausstiegsbeschluss betroffen, aber nicht der Abfall als solcher, das heißt, es gibt ihn …
Ricke: … na, na, na …
Erdmann: … und es gibt ihn auch aus der, aus anderen Bereichen, der Medizin und der Forschung und so weiter. Also das heißt, man wird das Problem lösen müssen, es geht nicht anders.
Ricke: Professor Erdmann, was Sie da sagen, heißt doch, andere sollen sich um unseren Atomdreck kümmern. Wer soll denn das sein? Sollen das die Ukrainer sein, bringen wir alles nach Tschernobyl oder exportieren wir es vielleicht nach Afrika, wo wir ja früher schon Müll exportiert haben?
Erdmann: Ja Sie haben das, die Sorgen sind natürlich berechtigt, weil also der Sektor der Müllentsorgung ist jetzt nicht der von den feinen Leuten, also wo man jetzt im Grunde genommen sagt, da ist immer irgendwo eine gewisse mafiose Struktur, die Gefahr da. Also man muss das schon extrem gut international abstimmen und auch kontrollieren und überwachen. Aber es gibt ja auch bei der Versorgung von Kernkraftwerken internationale Organisationen, die verhindern, dass es eben Kernbrennstoffe abgeführt werden oder zweckentfremdet für Kernwaffen oder für terroristische Zwecke. Und diese Strukturen sind ja da, warum nutzt man sie nicht für die Entsorgung?
Also das heißt, natürlich werde ich nicht irgendwie einem korrupten Premierminister irgendwie die Kernbrennstäbe sozusagen überreichen, der dann damit was weiß ich auch alles machen wird. Das muss man schon mit einer international koordinierten Aktion machen. Aber es ist klar, wir haben im Augenblick diese politische Entscheidung getroffen, wir wollen das bei uns machen, jedes Land kümmert sich um seinen eigenen Atommüll. Und das ist natürlich gerade für dicht besiedelte Regionen wie Nordwesteuropa, das ist natürlich besonders schwierig, das zu versorgen. Auch wenn es auch geht im Prinzip.
Ricke: Professor Georg Erdmann, der Vorsitzende der Gesellschaft für Energiewissenschaft und Energiepolitik, vielen Dank, Herr Erdmann!
Erdmann: Bitte schön!
Georg Erdmann: Guten Morgen!
Ricke: Bei den Stadtwerken rauft man sich die Haare. Das sind die, die sich auf den Ausstieg verlassen haben, die ins Regenerative investiert haben. Jetzt kommt der Ausstieg aus dem Ausstieg, dann vielleicht wieder was anderes. Wie problematisch ist denn aus Ihrer Sicht dieses Hin und Her?
Erdmann: Ja das bedeutet, dass für einen Sektor, der ja auf sehr langfristige Planungssicherheit angewiesen ist, dass das also immer relativ kurzfristig sich ändert. Auch die Stadtwerke haben ja, wenn sie investieren, Zeiträume von 30, 40 Jahren für ihre Blockheizkraftwerke oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen im Blick. Und so gilt es natürlich auch für die andere Seite, die also Kernkraftwerke betreiben und große Kohlekraftwerke. Und wenn man in jeder Legislaturperiode das Steuer umwirft, dann ist das nicht gerade attraktiv für einen solchen Sektor.
Ricke: Aber das Problem muss irgendwie gelöst werden. Wie könnte es denn gelöst werden?
Erdmann: Ja da wäre im Grunde genommen Folgendes drauf hinzuweisen. Die Kernenergie in Deutschland wurde ja sowohl von der SPD sehr prominent vorangetrieben und auch durch die CDU. Das heißt, ursprünglich hatten die beiden großen Volksparteien einen Konsens in diesem Gebiet. Dieser Konsens ist verloren gegangen und zwar nicht nur parteipolitisch. Ich kenne viele Kollegen in der SPD, die vehemente Befürworter der Kernenergie sind, und wir wissen ja auch, dass in der CDU einige sind, die vehement dagegen sind.
Das heißt, es gibt einen Riss in diesen großen Volksparteien, und damit ist natürlich die Voraussetzung für einen langfristigen Betrieb von Energiesystemen – ob das jetzt nun Kernenergie oder was anderes ist – eben wirtschaftlich und vom Risiko, vom politischen Risiko her sehr gering. Und mein Appell wäre, dass man sich versucht, doch mal auf etwas Langfristigeres zu konzentrieren. Bisher haben wir erlebt, dass jede Regierung sich ein neues Konzept ausgedacht hat und nach vier Jahren war das über den Haufen. Das kann natürlich auf die Dauer nicht gut für die Stromversorgung sein.
Ricke: Es gibt ja eine Sache, da brauchen wir über Jahrtausende einen Konsens, das ist die Endlagerung von Atommüll. Je länger Atomkraftwerke laufen, umso mehr wird produziert. Aber wir haben eigentlich jetzt schon mehr als genug, weil wir kein Endlager haben. Sehen Sie da eine Lösung des Problems?
Erdmann: Ja, diese Lösung wird es geben. Das Schöne an dem Endlager, oder wie auch immer wie man das sagen will, es ist nicht ein ganz dringendes Handlungsbedarf. Weil nämlich man, bevor man den Abfall endgültig deponiert, ihn abstrahlen lässt. Das heißt die radioaktiven Substanzen, die sich langsam abbauen. Und dann hat man eben eventuell noch, wenn man eben nicht diese Wiederaufbereitung hat, die sehr langfristigen Isotope in dem Abfall. Und dann ist die Frage, wo geht man damit hin.
Und im Grunde genommen gibt es ja nirgendwo auf der Welt bereits eine definitive Entscheidung, es wird viel daran gearbeitet. Und was aus Sicht der Europäischen Union aus meiner Sicht ein bisschen zu bedenken wäre, ist, wir haben uns festgelegt, das muss innerhalb der Europäischen Union deponiert werden. Da fragt man sich natürlich, ist das eigentlich so eine clevere Idee, wo wir in einem sehr dicht besiedelten Kontinenten sind und es auf der Welt auch Stellen gibt, wo das viel leichter möglich ist, wo auch schon eine Vorstrahlungsbelastung da ist. Und wenn man jetzt dort zum Beispiel sich mal in einem globalen, zum Beispiel unter dem Dach der UNO oder unter dem Dach der Internationalen Atomenergiebehörde ein Konzept entwickeln würde, würde man wahrscheinlich das Problem lösen. Auf jeden Fall hat das, die Menge des Abfalls ist natürlich von dem Ausstiegsbeschluss betroffen, aber nicht der Abfall als solcher, das heißt, es gibt ihn …
Ricke: … na, na, na …
Erdmann: … und es gibt ihn auch aus der, aus anderen Bereichen, der Medizin und der Forschung und so weiter. Also das heißt, man wird das Problem lösen müssen, es geht nicht anders.
Ricke: Professor Erdmann, was Sie da sagen, heißt doch, andere sollen sich um unseren Atomdreck kümmern. Wer soll denn das sein? Sollen das die Ukrainer sein, bringen wir alles nach Tschernobyl oder exportieren wir es vielleicht nach Afrika, wo wir ja früher schon Müll exportiert haben?
Erdmann: Ja Sie haben das, die Sorgen sind natürlich berechtigt, weil also der Sektor der Müllentsorgung ist jetzt nicht der von den feinen Leuten, also wo man jetzt im Grunde genommen sagt, da ist immer irgendwo eine gewisse mafiose Struktur, die Gefahr da. Also man muss das schon extrem gut international abstimmen und auch kontrollieren und überwachen. Aber es gibt ja auch bei der Versorgung von Kernkraftwerken internationale Organisationen, die verhindern, dass es eben Kernbrennstoffe abgeführt werden oder zweckentfremdet für Kernwaffen oder für terroristische Zwecke. Und diese Strukturen sind ja da, warum nutzt man sie nicht für die Entsorgung?
Also das heißt, natürlich werde ich nicht irgendwie einem korrupten Premierminister irgendwie die Kernbrennstäbe sozusagen überreichen, der dann damit was weiß ich auch alles machen wird. Das muss man schon mit einer international koordinierten Aktion machen. Aber es ist klar, wir haben im Augenblick diese politische Entscheidung getroffen, wir wollen das bei uns machen, jedes Land kümmert sich um seinen eigenen Atommüll. Und das ist natürlich gerade für dicht besiedelte Regionen wie Nordwesteuropa, das ist natürlich besonders schwierig, das zu versorgen. Auch wenn es auch geht im Prinzip.
Ricke: Professor Georg Erdmann, der Vorsitzende der Gesellschaft für Energiewissenschaft und Energiepolitik, vielen Dank, Herr Erdmann!
Erdmann: Bitte schön!