Der Berg lehrt, das eigene Maß zu finden
32:58 Minuten
Helga Peskoller klettert seit ihrer Jugend. Sie scheut weder Höhe noch Einsamkeit. Schon als kleines Kind verbrachte sie die Sommer auf einer Schutzhütte in den Bergen. Das Vertrauen des Vaters hat sie gestärkt - und bis in den Himalaya gebracht.
Vor Extremen hat Helga Peskoller keine Angst. Die Erziehungswissenschaftlerin mit Lehrstuhl an der Universität Innsbruck ist reich an Körpererfahrungen jenseits des Gewöhnlichen. Sie war fünf, als ihr Vater sie mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester allein den steilen Weg zur Schutzhütte hinaufgehen ließ. "Schaut beim Steigen auf den Boden", riet er seinen Töchtern.
Die Mädchen wuchsen an dem Vertrauen, das der Vater in sie setzte. So gestärkt begann Helga Peskoller mit 14 Jahren zu klettern. Das Klettern führte sie über das Karwendel und die Dolomiten hinaus in den Himalaya, die Anden, auf sechs- und siebentausend Meter. In der Höhe gewann und verlor sie Freunde, einem half sie, nach einem Absturz zu überleben.
Subtile Momente am Berg
"Berge geben sehr viel, nur weil sie da sind", sagt Helga Peskoller. "Es sind subtile Momente, die man dort erlebt. Es ist vorwiegend die Stille, die man dort suchen darf. Obwohl der Berg steht und sich nicht rührt, kann man dort Grunderfahrungen des Sozialen machen."
Der Berg lehre einen etwa, das eigene Maß zu finden. "Beim Berg ist man immer nur die Zweite und das ist eine wunderbare Erfahrung", meint die 63-Jährige. Ihr sei bei einer Kletter-Tour in den Dolomiten bewusst geworden, wie absurd es ist, als Mensch überhaupt dort zu sein:
Der Berg lehre einen etwa, das eigene Maß zu finden. "Beim Berg ist man immer nur die Zweite und das ist eine wunderbare Erfahrung", meint die 63-Jährige. Ihr sei bei einer Kletter-Tour in den Dolomiten bewusst geworden, wie absurd es ist, als Mensch überhaupt dort zu sein:
"Da gehört wirklich kein Mensch her. Das ist überzogen und so nicht für den Menschen gemacht. Und dennoch ist man hier. Da ist mir klar geworden wie zwiespältig, wie von Grund auf ambivalent diese ganze Bergsteigerei ist. Und diese Ambivalenz zu denken, auf keine Seite abzugleiten, sich nicht für Eindeutigkeiten zu entscheiden, sondern im Mehrdeutigen, zumindest im Zweideutigen zu bleiben, das habe ich mir zur Aufgabe gestellt."
Auf der Suche nach Erkenntnis
Ihre Erfahrungen in der Natur verarbeitet Helga Peskoller in ihrem Denken und Schreiben, angetrieben von der stetigen Suche nach Erkenntnis. Auch in ihrem Denken interessiere sie die Tiefe und nicht die Fläche, sagt Helga Peskoller. Die Wissenschaft habe sie gebraucht, um zu verstehen, was im Verhältnis zwischen Mensch und Natur, zwischen Mensch und Kultur passiert:
"Es hat mich interessiert zu schauen, wie weit kann man einen Gedanken vorantreiben bis einem der Kopf bricht, bis man wirklich nicht mehr weiterkommt. Wo scheitert man mit dem Denken dessen, was Erfahrung war? Die Erfahrung ist immer voraus. Wenn man ein Denken ausbildet, das so nah wie möglich an diese Erfahrung heranreicht, dann ist es gut."