Umsonst gelieferte Gefühle per Gutschein
Seit der Finanzkrise ist das Einkaufen mit Gutscheinzetteln in den USA wieder salonfähig. Zu finden sind die Coupons in Zeitungsbeilagen und Supermarktflyern. Die ganz eifrigen räumen damit ganze Ladenregale aus. Das "Extreme Couponig" besitzt Suchtpotenzial.
Kathy Spencer zupft ein Desinfektionstuch aus dem Spender und schnappt sich einen Einkaufswagen. In der anderen Hand hält sie den aktuellen Supermarkt-Flyer und scannt gezielt die Produkte, mit denen sie an bestimmten Tankstellen einen Rabatt bekommt. In dieser Woche sind es Reis, Müsliriegel, Waschmittel und Shampoo, allesamt Markenprodukte.
"Every week we look at these two sections. If you buy eight of these, you get 50 Cents of the gallon."
Kathys Couponing-Kurse füllen ganze Säle
Kathy ist eine attraktive zierliche Person mit braunen schulterlangen Haaren und hat seit Jahren keinen Cent mehr für Benzin gezahlt, erzählt sie stolz. Extreme Couponing macht`s möglich. Urlaub hat sie in dieser Zeit jedoch auch keinen gemacht. Die besten Angebote zu finden und auf ihrem Blog "How to shop for free" zu teilen, ist ein Vollzeitjob. Außerdem gibt sie Couponing-Kurse und füllt damit in Massachusetts ganze Veranstaltungssäle.
"Ich erklär die verschiedenen Coupon-Arten und das Kleingedruckte. Die machen’s einem mittlerweile nämlich ganz schön schwer. Ich sag immer, fangt klein an und sucht Euch eine Supermarktkette aus, nicht alle Geschäfte auf einmal."
Viele der angehenden Schnäppchenjägerinnen, es sind fast ausschließlich Frauen, sind über die gleichnamige Fernsehserie aufs "Extreme Couponing" aufmerksam geworden. Darin zu sehen sind überdrehte Einkaufssüchtige, die vor nichts Halt machen und für begehrte Coupons auch in Müllcontainer klettern. Bewaffnet mit Aktenordnern voller Gutscheine machen sie dann ihre Großeinkäufe machen und zahlen am Ende Pfennigbeträge.
Ausschnitt: "Welcome to the world of extreme couponing. – Total savings are $530, that’s 98% of your order. – My living commandment is "Thou shalt not pay retail” – They do anything for a deal."
Kathy gibt zu: Couponing kann süchtig machen
Alles würde Kathy Spencer nicht tun. Beim Dumpsterdiving hört für die vierfache Mutter der Spaß auf. Braucht sie einen Gutschein dringend, dann kauft sie ihn von einem der unzähligen Coupon-Clipping-Webseiten. Ist die Beilage der Sonntagszeitung schon im Altpapier, kann man den gesuchten Bon dort bestellen. Aber sie gibt zu, dass Couponing durchaus süchtig machen kann.
"Wir nennen es Coupon High. Anzeichen sind Herzrasen, Anspannung, Schwitzen und leichtes Zittern an der Kasse. Aber dann willst du die Welt umarmen und Freunden von Deinem Schnäppchen berichten. Nach einer gewissen Zeit allerdings wird der Rausch geringer."
Kathys Ersatzdroge ist mittlerweile, ein neues Zuhause zu finden für die Unmengen an Zahnpasta, Waschmittel, Nudeln, Papierrollen und Dosensuppen, die sie in ihren diversen Vorratskammern hortet. Kathy kauft oft für die ganze Nachbarschaft mit, vor allem für ältere Menschen, die nicht so ohne weiteres fünf Mal die Woche losziehen können, um beim Couponing-Spiel effektiv mitzumachen.
"Für diese Einlagen bei Blasenschwäche gab’s im Drogeriemarkt grad einen Bon, mit dem hast du 10 Dollar geschenkt bekommen! Für 10 Dollar ertrag ich gern die Peinlichkeit, meinen Wagen mit Damenwindeln vollzuladen. Ich helfe damit meinen Seniorenfreunden, denn die sind sonst ganz schön teuer."
Mit der Arbeitsunfähigkeit ihres Ehemanns fing alles an
Kathys Ziel ist es, mit den richtigen Bons nicht nur Waren billiger, sondern umsonst zu bekommen. Und rechtfertigt so ihren Einkaufstrieb. Was sie dabei nicht berechnet, ist die Zeit, die es sie kostet, ihre Einkäufe zu planen. Als ihr Mann und Hauptverdiener vor zehn Jahren arbeitsunfähig wurde, fing Kathy aus der Not heraus an Coupons auszuschneiden. Es gab ihr ein Gefühl von Kontrolle zurück. Dass die Coupons inzwischen sie kontrollieren, sieht sie nicht so.
"Manche Frauen sind tatsächlich wie besessen. Da machen sich die Angehörigen ernsthaft Sorgen und denken über Therapie nach. Aber Couponing als Zeitverschwendung zu bezeichnen ist Unsinn. Wir sparen mehr Geld, als der Durchschnittsamerikaner verdient."
Dabei fischt sie vier identische Gutscheine aus einer Mappe, auf die sie den Namen des Supermarkts geschrieben hat. Vier mal 50 Cents Rabatt und die Nudeln im Regal sind kostenlos. Aber statt die Pastapackung in den Einkaufswagen zu legen, legt sie ihre Gutscheine zu den Nudeln. Soll sich ein anderer Kunde dran erfreuen.
"I’ll be a coupon fairy and leave these here… make somebody`s day."