Zelda und F. Scott Fitzgerald

"Kein Himmel war uns zu hoch"

157:38 Minuten
Schwarzweißfoto von F. Scott Fitzgerald und seiner Ehefrau Zelda, die auf dem Boden eines Gartens sitzen
Das Ehepaar Zelda und F. Scott Fitzgerald © imago images/Everett Collection
Von Beate Bartlewski |
Audio herunterladen
F. Scott Fitzgerald und Zelda Sayre begegnen sich an einem heißen Sommertag im Juli 1918 im Country Club in Montgomery, Alabama. Er ist auf der Stelle schockverliebt. Zelda Sayre wird sein ganzes Leben bestimmen und seine Arbeit inspirieren.

Zelda

1900 wird Zelda Sayre in Montgomery geboren, einem damals sehr konservativen Ort. Ihr Vater ist ein einflussreicher Richter, ihre Mutter entstammt der Oberschicht. Zelda ist das jüngste von sechs Kindern. Von ihrer Mutter wird sie über die Maße verwöhnt. Sie ist auffallend hübsch und kaum zu bändigen.

Ich war ein sehr aktives Kind, das nie müde wurde. Ich hatte eine Vorliebe für halbfertige Häuser und kletterte oft auf Dachbalken herum. Ich wanderte oft weit aus der Stadt hinaus, manchmal sogar bis zum Dorffriedhof – ganz allein. Als kleines Mädchen hatte ich so viel Selbstvertrauen, dass ich es sogar wagte, alles anders zu machen, als es damals üblich war. Unsicherheit oder Scheu waren mir fremd, und moralische Grundsätze hatte ich nicht.

Zelda Sayre

In der Schule langweilt sie sich, obwohl sie sehr begabt ist, besonders in Mathematik und Englisch. Sie malt, zeichnet und ist sehr sportlich. Bis zu ihrem 17. Lebensjahr hat sie Ballettunterricht. Zelda schlägt ständig über die Stränge und lotet die Grenzen des Anstands aus. Aber das Leben in Montgomery ist ihr zu eng.

Scott

Francis Scott Fitzgerald, vier Jahre älter als Zelda, stammt aus St. Paul in Minnesota. Als Scott zwölf Jahre alt ist, wird sein Vater arbeitslos. Damit bricht für den sensiblen Jungen eine Welt zusammen. Er lebt ständig mit der Angst ins Armenhaus zu müssen.
Von seiner Mutter wird Scott verwöhnt, was er ihr später übelnimmt, da er meint, sie habe ihn verweichlicht. Sie stammt aus einer gewöhnlichen Händlerfamilie und Scott schämt sich für sie. Sie müssen fortan vom Vermögen seiner Großmutter mütterlicherseits leben. Sie waren nicht arm, denn sie konnten sich ein Leben am Rande der Reichensiedlung leisten.
Für Scott ist es eine fortwährende Schmach: Er geht mit den Kindern der Begüterten zur Schule, wird zu ihnen eingeladen, gehört aber gesellschaftlich nicht dazu. Hier ist der Zwiespalt zu finden, der sein Leben bestimmen soll: Er bewundert den Glanz und die Schönheit der Reichen, verachtet sie aber gleichzeitig für ihren Snobismus.
Zelda und F. Scott Fitzgerald, aufgenommen 1921
Wohl das glamouröseste Paar der Literaturgeschichte: Zelda und F. Scott Fitzgerald (aufgenommen 1921).© imago images / Everett Collection / Cour
1919 macht er sich auf nach New York, um seinen Traum von Reichtum und Berühmtheit zu verwirklichen und seine Angebetete, Zelda, für immer an sich zu binden. Sein Optimismus erhält einen schweren Dämpfer: Statt Ruhm und Reichtum erwartet ihn ein schlecht bezahlter Job in der Werbebranche.
„Diesseits vom Paradies“
In New York schickt Fitzgerald die letzte Version seines Romans an seinen Verlag Scribner’s und sucht sich einen Job bei Northern Pacific, wo er Wagendächer repariert.

Dann klingelte der Briefträger an meiner Tür, und ich kündigte noch am selben Tag, lief durch die Straßen und hielt Autos an, um es meinen Freunden und Bekannten zu erzählen: Mein Roman „Diesseits vom Paradies“ war zur Veröffentlichung angenommen worden.

F. Scott Fitzgerald

Gleich sein erster Roman trifft einen Nerv. Er handelt vom Lebensgefühl der amerikanischen Jugend während und nach dem Ersten Weltkrieg, von einer hedonistischen, desillusionierten Jugend, die sich nicht mehr vorschreiben lassen will, wie sie zu leben hat.

Goldene Zwanziger in New York

Am 26. März 1920 erscheint „Diesseits vom Paradies“. Am 3. April heiraten Scott und Zelda Fitzgerald in New York. Und nun geschieht das Unfassbare: Sie werden buchstäblich über Nacht reich und berühmt. Scott wird zum Sprachrohr der jungen Generation und Zelda zum Vorbild junger Frauen. Sie werden zum gefeierten Paar, auf das Wünsche, Träume und Sehnsüchte projiziert werden.
F. Scott Fitzgerald mit seiner Ehefrau Zelda und der gemeinsamen Tochter Frances Scottie (aufgenommen 1927).
F. Scott Fitzgerald mit seiner Ehefrau Zelda und der gemeinsamen Tochter Frances Scottie (aufgenommen 1927).© imago images / Everett Collection
In dieser Zeit wird Zelda immer rastloser. Wenn er arbeitet, langweilt sie sich und flirtet mit anderen Männern. Das macht ihn dann so eifersüchtig, dass er nicht arbeiten kann. Ein Teufelskreis.
Um ihre Legende als berühmtes Glamourpaar am Leben zu erhalten, brauchen die beiden viel Geld. Scott verdient zwar inzwischen sehr viel, aber weder er noch Zelda können mit Geld umgehen. Es zerrinnt ihnen zwischen den Fingern.
In all dem Tohuwabohu stellte Zelda fest, dass sie schwanger ist. Im Oktober 1921 kommt ihre einzige Tochter zur Welt, Frances Scott Fitzgerald, genannt Scottie.

„Die Schönen und Verdammten“

Wenig später beendet Scott Fitzgerald unter großer Kraftanstrengung seinen zweiten Roman mit dem Titel „Die Schönen und Verdammten“. Scott bekannte einmal einem Freund, dass er sich nicht vorstellen könne, was andere Menschen, außer ihm selbst und vielleicht Zelda, denken. Wenn er eine Zeitlang versucht habe, einen Charakter zu schildern, stelle er fest, dass er wieder nur sich selbst beschrieben habe.
So ist auch dieser Roman weitgehend autobiografisch. Er ist, laut Kyra Stromberg, eine Elegie auf die Selbstverwüstung zweier Menschen, die der großen Illusion des Geldes und der Machbarkeit des Glücks hemmungslos erliegen. Es ist geradezu unheimlich, wie prophetisch Scott seinen und Zeldas Lebensweg darin voraussagt.
Scott beschreibt aber nicht nur einfühlsam die Szenen einer Ehe, sondern es gelingt ihm darüber hinaus das Bild seiner Epoche seismografisch einzufangen. Dazu ist der Roman mit leichter Hand und ungemein packend erzählt.
Trotzdem sind die Kritiken durchwachsen, der Verkauf eher schleppend. In dieser Zeit will man nichts hören von Scheitern und Untergang.

„Der große Gatsby“

Dem Ehepaar ist das Landleben zu eintönig und Manhattan zu anstrengend. Also machen sie sich erneut auf, um ein Haus in der Nähe von New York zu suchen. Sie werden in Great Neck fündig, einem Vorort von Long Island, eine halbe Stunde von New York entfernt. Hier findet Scott das Material für seinen Roman „Der große Gatsby“, der seinen Weltruhm begründen wird.
Die Fitzgeralds sind in ihrer Rolle gefangen. Noch können sie den Schein wahren, aber die perfekt inszenierte Liebesbeziehung beginnt zu bröckeln. Scott freundet sich mit dem Reporter, Autor und schweren Alkoholiker Ring Lardner an und verliert die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum.
Der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald an seinem Schreibtisch
In den "Roaring Twenties" war der amerikanische Schriftsteller Francis Scott Fitzgerald ein Kult-Autor.© imago images / Everett Collection
Auch Zelda trinkt übermäßig. Sie gleichen immer mehr dem selbstzerstörerischen Paar aus Scotts’ Roman „Die Schönen und Verdammten“. Dazu kommen Geldsorgen. Scott hat zwar seinen Roman „Der große Gatsby“ angefangen, kommt damit aber nicht weiter, weil ihm die Ruhe fehlt.

Flucht nach Frankreich

Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich viele Amerikaner, oft mit wenig Geld, nach Paris abgesetzt, weil im kriegszerstörten Europa das Leben billig war. Mit 7000 Dollar in der Tasche machen sich Scott und Zelda auf den Weg nach Frankreich. 1924 in Paris angekommen, lernen sie Sara und Gerald Murphy kennen, die eine große Bedeutung für sie bekommen sollen.
Die Fitzgeralds sind nach Frankreich gekommen, um dem Trubel zu entrinnen und suchen Ruhe an der französischen Riviera: „Uns war, als wären wir noch einmal davongekommen – vor der Verschwendungssucht und dem Getöse und allen ausschweifenden Überspanntheiten, die für fünf hektische Jahre den Rahmen unseres Lebens abgegeben hatten..."
In dieser Zeit beendet Scott seinen Roman „Der große Gatsby“, der im April 1925 erscheint. Sein Verleger ist begeistert: "Das Buch ist ein Wunder. Was Du in einem einzigen Satz an Bedeutung unterbringst, die Dimension und Intensität des Eindrucks in einem einzigen Absatz ist außerordentlich.“
Auch die Kritiken sind überwiegend sehr positiv. Doch die Leserschaft sieht das anders, der Roman verkauft sich schlecht.

Zwischen Frankreich und den USA

Die Fitzgeralds beschließen 1927 einen erneuten Ortswechsel, diesmal zurück über den großen Teich. Sie finden ein herrschaftliches Haus in der Nähe von Wilmington am Delaware River. Zelda beginnt dort nach Jahren wieder zu malen und kleinere Artikel zu schreiben, von denen drei veröffentlicht werden, allerdings unter ihrem und Scotts Namen.
Die Autorin, Malerin und Tänzerin Zelda Fitzgerald (aufgenommen 1928)
Sie war Autorin, Malerin und Tänzerin: Trotzdem wurde Zelda Fitzgerald lange nur als hübsches Beiwerk zu ihrem erfolgreichen Ehemann F. Scott Fitzgerald gesehen.© imago images / Everett Collection
Scott quält sich derweil weiter mit seinem vierten Roman. Er schreibt ihn immer wieder um. Zelda möchte mit 27 Jahren noch Prima Ballerina werden und nimmt Ballettunterricht.
Im Sommer 1928 ist das Paar erneut in Paris. Dort beginnt Zelda in der Diaghilew-Ballettschule zu trainieren. Sie übt stundenlang wie eine Besessene. Die Beiden driften auseinander. Zurück in der Heimat setzt Zelda ihre Tanzexerzitien fort und Scott betrinkt sich mit seinem Taxifahrer, den er aus Paris mitbringt.

Jenseits des Glücks

Der Börsencrash in New York im Oktober 1929 kündigt sich an. Die Fitzgeralds betrifft der Crash nicht unmittelbar, da sie keine Aktien besitzen, geschweige denn Grundbesitz. Aber der Crash geht ihrem persönlichen Zusammenbruch unmittelbar voraus. In Paris nimmt Zelda ihren Ballettunterricht wieder auf, wie eine Ertrinkende klammert sie sich an ihre Lehrerin Jegorowa. Es kommt zum ersten Breakdown und Zelda wird in Paris in eine Klinik eingewiesen.
Die Fitzgeralds reisen nach Montgomery, Alabama. Dort beginnt Zelda wieder zu tanzen, zu malen und zu schreiben. Sie studiert Scotts Erzählungen und Romane, um den eigenen Stil zu verbessern und beginnt wie besessen an Kurzgeschichten und einem Roman zu schreiben.
Zeldas autobiografischer Roman „Ein Walzer für mich“ erscheint im Oktober 1932. Er erhält trotz ihrer Sprachgewandtheit überwiegend schlechte Kritiken. Das bringt Zelda noch mehr aus dem Gleichgewicht. Auch mit Scotts Gesundheit geht es bergab.
In dieser Zeit veröffentlicht Scott seinen Roman „Zärtlich ist die Nacht“, den er als sein Glaubensbekenntnis betrachtet. Ein Roman, der aktueller nicht sein könnte.

Späte Wiederentdeckung

Nach mehreren Herzanfällen stirbt Scott im Dezember 1940 mit 44 Jahren an einem Herzinfarkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden seine Romane und Erzählungen wiederentdeckt und „Der große Gatsby“ zum Klassiker der Weltliteratur.
Zeldas Zustand verbessert sich. In den letzten Jahren kann sie immer wieder die Klinik verlassen und bei ihrer Mutter in Montgomery leben. Sie fügt sich in ihr Schicksal und Scott bleibt bis zum Schluss ihr Held. 1948 kommt sie mit 48 Jahren bei einem Brand in der Klinik ums Leben.

Literatur:
Zelda Fitzgerald: Ein Walzer für mich, Aus dem Amerikanischen von pociao, Zürich, Diogenes Verlag, 2013
Scott F. Fitzgerald: Diesseits vom Paradies, Zürich, Diogenes Verlag, 2007
Scott F. Fitzgerald: Die Schönen und Verdammten, München, Penguin Edition, 2021
Scott F. Fitzgerald: Der große Gatsby, München, dtv Verlag, 2011
Scott F. Fitzgerald: Zärtlich ist die Nacht, detebe Verlag, 2007
Kyra Stromberg: Ein amerikanischer Traum Originalausgabe: Rowohlt, Berlin 1997
Seema Rana: Weibliche Protagonistinnen - eine Epoche in Fitzgeralds Romanen reflektieren, Verlag: Unser Wissen, 16. Februar 2021

Diese Sendung wurde am 25. Dezember 2021 zum ersten Mal ausgestrahlt. Das Skript zur Sendung finden sie hier.

Mehr zum Thema