F.Scott und Zelda Fitzgerald. Wir waren furchtbar gute Schauspieler. Psychogramm einer Ehe.
Aus dem Amerikanischen von Hans-Christian Oeser
2 CDs. 99 Minuten, Der Hörverlag 2014
Gelesen von Birgit Minichmayr, Toias Moretti und Lutz Hachmeister
Berühmtes Paar beim Psychiater
Francis Scott Fitzgerald und seine Frau Zelda waren das Glamourpaar in den USA in den 20er-Jahren. Das Hörbuch "Wir waren furchtbar gute Schauspieler - Psychogramm einer Ehe" widmet sich ihren Krisen. Es basiert auf einem Therapiegespräch mit den beiden berühmten Schriftstellern.
"Mach weiter mit deiner eigenen Geschichte."
"Ja. Das ist meine Geschichte."
"Das ist das Ende der Geschichte."
"Das ist nicht das Ende der Geschichte."
"Mach weiter..."
Es treffen sich ein Ehepaar und ein Psychiater in einer großen, viel zu teuren Villa. Fünfzehn Zimmer, ein parkartiges Grundstück, und Hausherr F.Scott Fitzgerald, der für alles aufkommen muss, hat seit sieben Jahren, seit „The Great Gatsby", keinen Roman mehr veröffentlicht.
"Ja, sieben Jahre! Drei Jahre habe ich mich um Dich gekümmert. Drei Jahre habe ich Pause gemacht. Und zwei Jahre haben wir versucht, auf großem Fuß zu leben..."
Angstzustände und Depressionen
Es ist eine seltsame Séance, der man Dank des Autors und Medienwissenschaftlers Lutz Hachmeister in den 100 Minuten dieses Hörbuchs das Glück hat beizuwohnen.
"Und was ist mit Deinem Leben jetzt? Bist du eine Tote?"
"Ich vermute. Ich wäre lieber tot."
"Du wärest lieber tot?"
F. Scott Fitzgerald hat im Mai 1933 den Psychiater Dr. Thomas Rennie eingeladen – Rennie praktizierte an der Klinik, an der Zelda wegen Angstzuständen und einer Depression behandelt wurde –, um unter seiner Leitung über das zerrüttete Verhältnis zu reden. Das Transskript dieses Ehegespräch befindet sich als Teil des Nachlasses von F. Scott Fitzgerald in der Princeton University Library und wurde in Auszügen auch schon einige Male zitiert, aber noch nie in seiner Gänze veröffentlicht. Hachmeister hat die Auseinandersetzung für das Hörbuch als szenische Lesung eingerichtet, mit Birgit Minichmayr und Tobias Moretti.
"Was ist unsere Ehe überhaupt? Seit ich zurückdenken kann, ist sie nichts als eine lange Schlacht."
"Das weiß ich nicht. Um 1921 waren wir das meistbeneidete Paar Amerikas."
"Ich denke schon. Wir waren furchtbar gute Schauspieler."
"Wir waren furchtbar glücklich. Glückliche Schauspieler."
Scott klingt fast wie ein Sadist
Die Zeit, in der sie auf allen Partys tanzten, ist lange vorbei. Mitte der Zwanziger Jahre, als die beiden an der Riviera lebten, war aus der Vorzeigeehe eine zerfleischende Hassliebe geworden. Für die Tobias Moretti und Birgit Minichmayr den richtigen, von unterschwelliger Ohnmacht gesättigten Ton finden.
Moretti liest Scott mit einer perfiden Aufgeräumtheit, die fast schon an Sadismus grenzt. Birgit Minichmayr formt Zelda aus einer Bitterkeit heraus, die durch gelegentliche Ausbrüche nur verstärkt wird. Schuld hat - wie es sich gehört – natürlich immer der andere:
"Tagsüber habe ich nie getrunken! Ich habe nie vor dem Frühstück getrunken. Außer bei ganz außergewöhnlichen Anlässen!"
"Immer wieder hat Scott mir heftige Vorwürfe gemacht. Weil er für Dinge wie Kliniken und Dinge dieser Art bezahlen muss. Er behauptet, ich hätte sein Leben ruiniert..."
Scott wurmt aber vor allem, dass Zelda sich seit neuestem selbst für eine Künstlerin hält. Sie hat es sogar gewagt, einen autobiographischen Roman zu schreiben und hinter seinem Rücken an einen Lektor zu schicken!
"Aber sie hatte die Vorstellung, Schriftstellerin zu werden. Warum wollte sie Romane schreiben? Hatte sie etwas zu sagen? Nein, sie hatte nichts zu sagen."
Zelda soll mit dem Schreiben aufzuhören
In Wahrheit hat F. Scott Fitzgerald dieses Gespräch nicht arrangiert, um die Ehe zu retten, sondern um Zelda dazu zu zwingen, mit dem Schreiben aufzuhören.
"Und du darfst keine Literatur schreiben."
"Gar keine?"
"Wenn Du ein Stück schreibst, darf es nicht von der Psychiatrie handeln. Und wenn du ein Stück schreibst, darf es nicht an der Riviera spielen... Und was immer Du vor hast: Es muss mir vorgelegt werden."
Manipulationsversuche, Verletzungen, die Wiederholung des Immergleichen. An Eheschlachten wie Edward Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" kommt dieses Gefecht nicht heran, dafür ist es als Gesprächsprotokoll zu wenig zugespitzt. Gespenstisch ist etwas anderes: Mit Schaudern verfolgt man das Schachern zweier Vampire, die um das Recht streiten, das gemeinsame Leben fürs eigene nächste Buch ausschlachten zu dürfen.
"Alles, was wir getan haben, gehört mir... Das ist alles mein Material. Nichts davon ist dein Material."
"Schön."
"Und das Talent und die Intelligenz gehören mir. Jeder gerechte Mensch würde das sagen."
Einstweilen geht Scott als Sieger hervor, in einem Spiel, das naturgemäß nur Verlierer kennt. Dieses faszinierende Hörbuch erzählt nicht nur von einem Geschlechterkampf aus vergangener Zeit. Es gewährt auch einen Blick auf das rauchende Schlachtfeld schreiberischer Selbstausbeutung. Und die ist bekanntlich zeitlos.