Debatte um Fabian Wolff
Der Fall Fabian Wolff hat eine Debatte über jüdische Identität ausgelöst © Unsplash / Benny Rotlevy
Nicht mehr jüdisch
Vielfach galt er als junge jüdische Stimme in Deutschland mit außergewöhnlichen Positionen. Nun hat der Publizist Fabian Wolff in einem Text auf Zeit Online erklärt, dass er keine jüdischen Vorfahren hat und nicht konvertiert ist. Wolff war auch für Deutschlandradio tätig.
„Mein Leben als Sohn“ ist der lange, am 16. Juli erschienene Essay betitelt, in dem Fabian Wolff auf Zeit Online viel über sich und seine Familiengeschichte geschrieben hat. Darin beschreibt er auch, wie seine Mutter ihm als Abiturient von jüdischen Vorfahren erzählt und er diese jüdische Identität begierig angenommen habe. Erst 2022 habe er recherchiert und erfahren, dass auch seine Ur-Urgroßmutter nicht jüdisch war.
Mittlerweile sind aufgrund anderer Äußerungen Wolffs Zweifel auch an dieser Darstellung aufgetaucht. Zeit Online hat vor den Essay einen Hinweis gestellt, dass den Vorwürfen nachgegangen werde. Auch für das Deutschlandradio und seine Programme hat Wolff gearbeitet, im Wesentlichen als Musik- und Literaturkritiker.
Harte Urteile aus einer jüdischen Position heraus
Wolffs Essay hat auch deswegen viele Reaktionen hervorgerufen, weil er zuvor in manchen Texten sehr stark aus einer jüdischen Position argumentiert und über Antisemitismus geurteilt hatte. Bisweilen wurde er als eine Art jüdischer Kronzeuge für harsche Israelkritik angeführt.
Der Publizist und Historiker Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, sagte im Deutschlandfunk Kultur, Wolffs an sich nicht sehr überzeugenden Argumente seien mit Begeisterung aufgegriffen worden, nur weil der Sprecher sich als jüdisch dargestellt habe.
Man müsse bei dieser Sache zwei Ebenen unterscheiden, so Mendel: „Wenn jemand sagt: ich bin jüdisch, auch wenn er überhaupt nicht jüdisch ist - wenn es ihm gut tut, kann er das tun. Es ist kein Straftatbestand. Problematisch ist, und das ist eigentlich die Lehre aus dieser Geschichte, wie das in der öffentlichen Debatte wahrgenommen wird.“
Argumente sollten wichtiger sein als Sprecherpositionen
Mendel plädiert dafür, die binäre Aufteilung zwischen einer vermeintlich deutschen Dominanzgesellschaft und einer jüdischen Minderheit schrittweise aufzulösen. Wenn man immer auf Sprecherpositionen beharre und damit die eigene Position legitimiere und die anderer delegitimiere, untergrabe das die Diskussionskultur. „Vor allem: da bleibt wenig Raum für rationale und gute Argumente. Es bleibt nur die Frage, wer was sagt, und nicht, was man sagt.“
Bewusste Täuschung oder Überidentifikation?
In der Debatte um Fabian Wolff wird nun immer wieder auf das Phänomen des Kostümjuden verwiesen, also auf Menschen, die eine falsche jüdische Identität angenommen und damit andere getäuscht haben.
Darunter zählt auch der Fall Binjamin Wilkomirski: Ein Schweizer Autor publizierte unter diesem Pseudonym 1995 seine Erinnerungen eines Shoah-Überlebenden, die zunächst mehrfach preisgekrönt wurden und sich später als komplett erfunden erwiesen.
Dem Historiker Julius Schoeps zufolge kann in solchen Fällen „Philosemitismus mit einer hochgradigen Überidentifikation“ vorliegen: „Man bekennt sich zu den Juden so stark, dass man glaubt, selbst einer zu sein. Ich glaube, es gibt eine andauernde Anomalität im Verhältnis von Nichtjuden und Juden.“
Hinweise lagen vor
Noch scheint unklar, ob und wie lange Fabian Wolff selbst an seine jüdische Identität geglaubt hat. Hinweise auf deren Fragwürdigkeit lagen mindestens der Redaktion der Wochenzeitung Jüdischen Allgemeine nach deren Angaben schon länger vor. Möglicherweise kam Wolff einer Enttarnung mit seinem Artikel knapp zuvor. Weitere Stellungnahmen gibt es von ihm bislang nicht – er sei bis 27.7. nicht zu erreichen, so vermeldet es seine Abwesenheitsnotiz.
Transparenzhinweis: Fabian Wolff hat in einem Essay auf Zeit Online am 16. Juli 2023 offengelegt, nicht jüdischer Abstammung zu sein. Zuvor hatte er dies jahrelang behauptet und hatte aus dieser Perspektive immer wieder Position in öffentlichen Debatten über Antisemitismus und Israelkritik bezogen. Auch für das Deutschlandradio und seine Programme hat Wolff gearbeitet, im Wesentlichen als Musik- und Literaturkritiker.