Facebook als Vorbild
Die Stahl- und Hafenstadt Lulea in Nordschweden, nur 110 Kilometer vom Nordpolarkreis entfernt, ist in den letzten zehn Jahren zum idealen Standort für die IT-Branche geworden. Facebook baut in Lulea für 300 Millionen Euro ein riesiges Computerzentrum auf, sein erstes außerhalb der USA.
Drei Mal täglich kommt ein Güterzug mit Eisenerz den weiten Weg aus Kiruna, der nördlichsten Stadt Schwedens. Hinter der Lok reihen sich 65 Waggons aneinander. Alle 24 Stunden werden so 9000 Tonnen Eisenerz in das Stahlwerk von Luleå, der nordschwedischen Stahl- und Hafenstadt am Bottnischen Meerbusen angeliefert. Jeden Tag, seit über 70 Jahren.
Die Stahlfabrik, die mitten im Zweiten Weltkrieg eröffnet wurde, hieß lange Zeit so wie die Region: Norrbotten. Norrbotten steht für Erz, Stahl, Holz, Papier und Energie aus Wasserkraft. Und "Norrbottens Järnverk" war mit 4000 Beschäftigten über viele Jahrzehnte hinweg der größte Arbeitgeber von Luleå. Doch heute liegt das zum schwedischen Stahlkonzern SSAB gehörende Werk mit nur noch 1600 Arbeitnehmern gerade mal auf Platz Drei unter den größten Arbeitgebern am Lule-Fluss, der vom skandinavischen Gebirge in die Ostsee fließt.
Trotz der drastisch reduzierten Arbeitsplätze ist man in der Stadt auf die hiesige Stahlkocherei gut zu sprechen. Sie hat die 75.000 Einwohner zählende Kommune am Polarkreis zu dem werden lassen, was sie heute ist: Eine Universitätsstadt mit 17.000 Studenten und einem im Rest von Europa kaum bekannten Zentrum der Informationstechnologie. Auf den unvermuteten Wandel vom Stahl- zum IT-Paradies ist auch der sportlich-drahtige Matz Engman stolz. Der 54-jährige Wirtschaftsfachmann streckt den Arm in die Höhe:
"Wir stehen hier vor dem Herzen der Stadt - der Stahlfabrik von Luleå. Von 1941 an hat sie eine sehr wichtige Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung von Luleå gespielt. Dank der Schwerindustrie in unserer Region haben wir hier eine bedeutende Ansammlung von IT-Firmen. Es war die Schwerindustrie, die mit immer weniger Menschen mehr und vor allem effektiver produzieren musste. Das hat zwangsläufig zu einer permanenten Nachfrage nach Software-Anwendungen geführt. Wir haben es also der Stahlindustrie zu verdanken, dass wir eine so gute und exzellente IT-Industrie aufbauen konnten."
In Luleå arbeiten mittlerweile 3000 bis 4000 Menschen in der IT-Branche, in der Stahlfabrik sind es weniger als 2000. Matz Engman ist der Geschäftsführer von "Luleå Näringsliv". Hinter der privatisierten, aber halbkommunalen Agentur zur Wirtschaftsförderung stehen rund 200 Unternehmen, mehrere Städte und Kommunen aus der Region sowie die Leitung der Provinz Norrbotten. Ziel der gemeinsamen Business-Agentur ist es, auf dem internationalen Markt für die Fähigkeiten und Kapazitäten der Region um Luleå zu werben.
Neue Firmen sollen angesiedelt werden, Unternehmensgründungen gefördert werden, insbesondere im Bereich der zukunftsträchtigen IT-Technologie, der Softwarenentwicklung sowie des Internet- und Cloud-Computing-Business, bei dem IT-Infrastrukturen über Netzwerke zur Verfügung gestellt werden. Noch vor zehn Jahren hätte sich in Luleå kaum jemand ausmalen können, dass die Gemeinde eines Tages der ideale Standort für High-Tech werden könnte, weil es hier erneuerbare Energie aus Wasserkraft im Überfluss gibt, sowie klimatisch bedingte Kälte, die erforderliche Breitbandtechnologie und ein universitäres High-Tech-Umfeld. Abertausende von Server brauchen eine Unmenge an Energie und Kühlung.
Am anderen Ende der Stadt, gut sechs Kilometer von der Stahlfabrik entfernt. Hier beginnen allmählich die großen Wälder Nordschwedens. Kiefern wechseln sich mit Birken ab und Moorlandschaften mit Seen und kleineren Teichen. Hier draußen im Stadtteil Porsön befindet sich der weitläufige Campus der Technischen Universität von Luleå. Und gleich daneben ist der "Aurorum Wissenschaftspark" angesiedelt, unter dessen Dach sich annähernd einhundert kleine, doch hoch spezialisierte IT-Firmen versammeln.
Neben dem Park liegt Luleås derzeit größte Baustelle: Ein riesiges Computerzentrum des US-Unternehmens Facebook soll hier entstehen, das erste außerhalb der USA, mit dem künftig der gesamte Datenverkehr des sozialen Netzwerks für Europa, den Nahen Osten und für Afrika geregelt werden soll. Eröffnung im Frühjahr 2013. Wirtschaftsförderer Matz Engmann und sein Team haben zwei Jahre darum gekämpft, Facebook für den Standort in der Kälte zu gewinnen. Diskret, zielstrebig und am Ende erfolgreich. Die Nachricht von der 300 Millionen Euro-Investition in die künftige Serverfarm hat im vergangenen Jahr nicht nur die Fachwelt überrascht, sondern Luleå in der Weltöffentlichkeit bekannt gemacht. Inzwischen ist die erste der drei riesigen Server-Hallen im Rohbau fertig und auf der Baustelle auf dem 30.000 Quadratmeter großen Gelände herrscht routinierte Betriebsamkeit. Matz Engmann kommt gerne hierher.
"Hier stehen wir nun direkt außerhalb der Facebook-Baustelle. Wir sehen ein Gebäude, das 317 Meter lang ist, 100 Meter breit und 15 Meter hoch. Sie werden im März nächstes Jahr zunächst nur eine Hälfte in Betrieb nehmen; diese Serverhalle wird in A-B-C-und D-Sektionen geteilt, weil Facebook wohl in unterschiedlichen Phasen neue Dinge ausprobieren möchte. Momentan arbeiten hier rund 320 Bauarbeiter und das wird noch eine Reihe von Jahren so weitergehen. Zum Nutzen der Leute hier."
Das Entscheidende aber ist, dass man für die künftige Facebook-Serverfarm alleine zwei eigene Umspannwerke zu Verfügung stellt, um mit erneuerbarer Energie den Strombedarf des künftigen Datenzentrums zu stillen. Zu in etwa dem halben Preis, den man im Rest von Europa bezahlen müsste. Matz Engmann betont diese Standortvorteile immer wieder , lächelt dabei selbstsicher.
"Das ist ein Umspannwerk, eins von zweien. Jedes dieser Umspannwerke ist größer als das der Stahlfabrik. Der Stromverbrauch des Stahlwerks liegt bei 80 bis 90 Megawatt. Dieses Umspannwerk hier ist für 120 Megawatt gebaut und davon gibt es gleich zwei. Deshalb kann Facebook etwas machen, was in den USA und anderswo kaum möglich ist: Sie haben über die Umspannstationen Zugang zu einem Starkstromnetz, das zum letzten Mal 1979 ausgefallen ist.
Auf diese Weise können 70 Prozent aller Diesel-Backup-Generatoren eingespart werden. Andernfalls müssten alleine nur in dieser ersten Serverhalle 14 Dieselgeneratoren installiert werden und jeder dieser Generatoren wiegt 30 Tonnen. Sie können sich sicher vorstellen, dass dadurch viel Geld gespart werden kann und die Umwelt außerdem geschont wird."
Möglich ist dies, weil man in Nordschweden schon vor knapp einhundert Jahren damit begonnen hat, den 460 Kilometer langen Lule-Fluss für die Wasserkraft zu nutzen. Zunächst hauptsächlich wegen der Erzgrube in Kiruna, dann wegen der Eisenbahn, verschiedener Papierfabriken und natürlich auch wegen des später folgenden Stahlwerks in Luleå. Entlang des mit zahllosen Nebenflüssen und Speicherseen vernetzten Gewässers stehen heute 15 Wasserkraftwerke, die reichlich Überschuss produzieren und zusammen eine Leistung von über 4000 Megawatt Strom erbringen.
Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: Trotz warmer Sommermonate herrscht in der Region um Luleå eine Jahresdurchschnittstemperatur von knapp drei Grad Celcius. Saugt man also die Umgebungsluft in die künftigen Serverhallen ein und mischt sie mit der Abwärme der Rechner, kann man sowohl die Server kühlen wie auch die umliegenden Büros und Nebengebäude beheizen. Niemand vermag die Einsparungen derzeit exakt zu beziffern, aber die Rede ist von einer zweistelligen Millionensumme in Euro - und zwar jährlich.
"Egal wo sie hinschauen, ich glaube, dass alle damit einverstanden sein werden, dass das Thema Energie zu den wichtigsten Fragen unserer Zeit gehört. Die "falsche" Form von Energie, belastet unsere Umwelt. Die "richtige" Form von Energie führt möglicherweise zu einem besseren Lebensstandard und hilft den Menschen neue Gesellschaften aufzubauen. Zugegeben, vor zehn Jahren wurde über erneuerbare Energie nicht so heiß diskutiert wie heute. Aber wir leben hier in einer Region mit einem Überschuss an erneuerbarer Energie. Und doch zweifle ich, ob schon verstanden worden ist, was dies alles für eine globale Wirtschaft bedeuten könnte. Man muss sich nur das nukleare Desaster in Japan vor Augen führen."
Anders Granbergs Büro, fünf Gehminuten von der Facebook-Baustelle entfernt, ist sehr sachlich eingerichtet. Keine wuchtigen Bücherregale, keine sich stapelnden Ordner, kein repräsentativer Schnick-Schnack. Ausgestattet mit zwei Laptops, Smartphones, einem großen Bildschirm und einer kleinen Besprechungs-Ecke könnte die Einrichtung glatt aus einem Ikea-Katalog stammen. Nichts deutet darauf hin, dass der 52-jährige von hier aus versucht, an einem großen Rad zu drehen.
Anders Granberg ist Geschäftsführer von "The Node Pole" und der Name der Firma ist Programm. The Node Pole heißt übersetzt: Der Datenknoten. Das von ihm geführte kleine Unternehmen hat den Auftrag, weitere, international tätige Internet-Unternehmen davon zu überzeugen dem Facebook-Beispiel zu folgen. Mit der erklärten Absicht, Luleå zu einer Speicherstadt zu machen, hinter deren Mauern die Daten der halben Welt lagern.
"Das Speichern von Daten ist ein Geschäft. Es ist das Herz des Cloud-Computing-Business in der Zukunft. Die Datenmengen wachsen unglaublich schnell - die Firmen müssen irgendwo ihre Daten speichern. Und wir haben hier die besten Voraussetzungen dafür. Ich glaube, das wird noch weitere Daten-Firmen anlocken."
Schätzungen zufolge wird das globale Datenvolumen in vier bis fünf Jahren bereits so groß sein, dass dafür - wollte man alles auf herkömmliche Art und Weise speichern - rund 38 Millionen DVDs pro Stunde benötigt würden. Solche Datenmengen lassen sich mit traditionellen Methoden weder verarbeiten noch dauerhaft sichern. Und Greenpeace zufolge sind die Datenspeicher-Firmen mit ihrem unbändigen Energiehunger sowieso schon dabei, weltweit mehr umweltschädigende Abgase zu erzeugen als die Flugzeug-Industrie.
Anders gelagert ist der Fall, wenn man statt mit Dieselgeneratoren zu arbeiten, auf erneuerbare Energien zurückgreifen kann. Und genau darauf setzt eine selbstbewusste YouTube-Botschaft, mit der "The Node Pole" derzeit den amerikanischen Markt bearbeitet - ohne zu vergessen, das eigene Öko-Potenzial herauszustellen.
"Unsere Region verfügt das ganze Jahr über kühlende Frischluft und liegt an einem Fluss, der uns zu einhundert Prozent erneuerbare Energie liefert. Facebook hat unser grünes Potenzial zuerst entdeckt. Kaum jemand hat davon gewusst. Wir haben diesen Vorteil genutzt, um international auf unsere idealen Bedingungen aufmerksam zu machen - durch die Gründung von The Node Pole, damit unsere Region zum Knotenpunkt des globalen Datenverkehrs werden kann."
Die nordschwedische Provinz Norrbotten zählt derzeit zu den wachstumsstärksten Regionen des Landes. Seit Facebook vor einem Jahr sein Engagement in Luleå bekannt gegeben hat, haben sich hier, im achtstöckigen Gebäude des "Aurorum Wisssenschaftsparks" bereits 14 weitere neue Firmen angesiedelt. Insgesamt beherbergt das IT-Zentrum inzwischen 93 Unternehmen mit 1100 Angestellten.
Zwischen Luleå und Stockholm gibt es neuerdings 16 Flugverbindungen täglich. Die Hotels der Stadt sind bis auf das Wochenende fast immer ausgebucht und die vier größten Eisbrecher von Schweden sind mittlerweile ebenfalls im Hafen von Luleå stationiert. Um dafür zu sorgen, dass auch im Winterhalbjahr der Export von Eisenerz und Stahl nicht ins Stocken gerät.
So gesehen bleibt die Region der Schwerindustrie verbunden, während das IT-Business als junge Branche erst hinzugekommen ist. Allerdings mit einem klugen Konzept. Unter der Leitung des 40-jährigen Frederik Kalloniemi ist der Wissenschaftspark von Luleå daher längst zu einer gefragten Adresse geworden. Trotzdem wirbt er unablässig um die Ansiedlung weiterer Unternehmen - national wie international.
"Wir sind ein IT-Park und gerade mal 300 Meter von der Technischen Universität entfernt auf der einen Seite, Facebook haben wir hier auf der anderen Seite. Durch die riesigen Investitionssummen, die die Schwerindustrie in Norrbotten in den nächsten Jahren noch ausgeben wird, sind wir für viele Firmen ein sehr attraktiver Standort. Wir reden hier von rund 20 Milliarden Euro.
Aber - wir warten nicht darauf, dass die Firmen bei uns anrufen - wir rufen sie an und sagen: Hört mal, Facebook ist hier hergezogen, wir bauen zehntausend neue Wohnungen in Luleå und wir haben eine Universität für deren IT-Ausbildungsabteilungen sich hundert Prozent mehr Studenten angemeldet haben. Also, falls sie ein Interesse daran haben gute Geschäfte zu machen, dann sind sie hier sehr Willkommen und wir werden tun was wir können, damit sie sich hier niederlassen."
Die Stahlfabrik, die mitten im Zweiten Weltkrieg eröffnet wurde, hieß lange Zeit so wie die Region: Norrbotten. Norrbotten steht für Erz, Stahl, Holz, Papier und Energie aus Wasserkraft. Und "Norrbottens Järnverk" war mit 4000 Beschäftigten über viele Jahrzehnte hinweg der größte Arbeitgeber von Luleå. Doch heute liegt das zum schwedischen Stahlkonzern SSAB gehörende Werk mit nur noch 1600 Arbeitnehmern gerade mal auf Platz Drei unter den größten Arbeitgebern am Lule-Fluss, der vom skandinavischen Gebirge in die Ostsee fließt.
Trotz der drastisch reduzierten Arbeitsplätze ist man in der Stadt auf die hiesige Stahlkocherei gut zu sprechen. Sie hat die 75.000 Einwohner zählende Kommune am Polarkreis zu dem werden lassen, was sie heute ist: Eine Universitätsstadt mit 17.000 Studenten und einem im Rest von Europa kaum bekannten Zentrum der Informationstechnologie. Auf den unvermuteten Wandel vom Stahl- zum IT-Paradies ist auch der sportlich-drahtige Matz Engman stolz. Der 54-jährige Wirtschaftsfachmann streckt den Arm in die Höhe:
"Wir stehen hier vor dem Herzen der Stadt - der Stahlfabrik von Luleå. Von 1941 an hat sie eine sehr wichtige Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung von Luleå gespielt. Dank der Schwerindustrie in unserer Region haben wir hier eine bedeutende Ansammlung von IT-Firmen. Es war die Schwerindustrie, die mit immer weniger Menschen mehr und vor allem effektiver produzieren musste. Das hat zwangsläufig zu einer permanenten Nachfrage nach Software-Anwendungen geführt. Wir haben es also der Stahlindustrie zu verdanken, dass wir eine so gute und exzellente IT-Industrie aufbauen konnten."
In Luleå arbeiten mittlerweile 3000 bis 4000 Menschen in der IT-Branche, in der Stahlfabrik sind es weniger als 2000. Matz Engman ist der Geschäftsführer von "Luleå Näringsliv". Hinter der privatisierten, aber halbkommunalen Agentur zur Wirtschaftsförderung stehen rund 200 Unternehmen, mehrere Städte und Kommunen aus der Region sowie die Leitung der Provinz Norrbotten. Ziel der gemeinsamen Business-Agentur ist es, auf dem internationalen Markt für die Fähigkeiten und Kapazitäten der Region um Luleå zu werben.
Neue Firmen sollen angesiedelt werden, Unternehmensgründungen gefördert werden, insbesondere im Bereich der zukunftsträchtigen IT-Technologie, der Softwarenentwicklung sowie des Internet- und Cloud-Computing-Business, bei dem IT-Infrastrukturen über Netzwerke zur Verfügung gestellt werden. Noch vor zehn Jahren hätte sich in Luleå kaum jemand ausmalen können, dass die Gemeinde eines Tages der ideale Standort für High-Tech werden könnte, weil es hier erneuerbare Energie aus Wasserkraft im Überfluss gibt, sowie klimatisch bedingte Kälte, die erforderliche Breitbandtechnologie und ein universitäres High-Tech-Umfeld. Abertausende von Server brauchen eine Unmenge an Energie und Kühlung.
Am anderen Ende der Stadt, gut sechs Kilometer von der Stahlfabrik entfernt. Hier beginnen allmählich die großen Wälder Nordschwedens. Kiefern wechseln sich mit Birken ab und Moorlandschaften mit Seen und kleineren Teichen. Hier draußen im Stadtteil Porsön befindet sich der weitläufige Campus der Technischen Universität von Luleå. Und gleich daneben ist der "Aurorum Wissenschaftspark" angesiedelt, unter dessen Dach sich annähernd einhundert kleine, doch hoch spezialisierte IT-Firmen versammeln.
Neben dem Park liegt Luleås derzeit größte Baustelle: Ein riesiges Computerzentrum des US-Unternehmens Facebook soll hier entstehen, das erste außerhalb der USA, mit dem künftig der gesamte Datenverkehr des sozialen Netzwerks für Europa, den Nahen Osten und für Afrika geregelt werden soll. Eröffnung im Frühjahr 2013. Wirtschaftsförderer Matz Engmann und sein Team haben zwei Jahre darum gekämpft, Facebook für den Standort in der Kälte zu gewinnen. Diskret, zielstrebig und am Ende erfolgreich. Die Nachricht von der 300 Millionen Euro-Investition in die künftige Serverfarm hat im vergangenen Jahr nicht nur die Fachwelt überrascht, sondern Luleå in der Weltöffentlichkeit bekannt gemacht. Inzwischen ist die erste der drei riesigen Server-Hallen im Rohbau fertig und auf der Baustelle auf dem 30.000 Quadratmeter großen Gelände herrscht routinierte Betriebsamkeit. Matz Engmann kommt gerne hierher.
"Hier stehen wir nun direkt außerhalb der Facebook-Baustelle. Wir sehen ein Gebäude, das 317 Meter lang ist, 100 Meter breit und 15 Meter hoch. Sie werden im März nächstes Jahr zunächst nur eine Hälfte in Betrieb nehmen; diese Serverhalle wird in A-B-C-und D-Sektionen geteilt, weil Facebook wohl in unterschiedlichen Phasen neue Dinge ausprobieren möchte. Momentan arbeiten hier rund 320 Bauarbeiter und das wird noch eine Reihe von Jahren so weitergehen. Zum Nutzen der Leute hier."
Das Entscheidende aber ist, dass man für die künftige Facebook-Serverfarm alleine zwei eigene Umspannwerke zu Verfügung stellt, um mit erneuerbarer Energie den Strombedarf des künftigen Datenzentrums zu stillen. Zu in etwa dem halben Preis, den man im Rest von Europa bezahlen müsste. Matz Engmann betont diese Standortvorteile immer wieder , lächelt dabei selbstsicher.
"Das ist ein Umspannwerk, eins von zweien. Jedes dieser Umspannwerke ist größer als das der Stahlfabrik. Der Stromverbrauch des Stahlwerks liegt bei 80 bis 90 Megawatt. Dieses Umspannwerk hier ist für 120 Megawatt gebaut und davon gibt es gleich zwei. Deshalb kann Facebook etwas machen, was in den USA und anderswo kaum möglich ist: Sie haben über die Umspannstationen Zugang zu einem Starkstromnetz, das zum letzten Mal 1979 ausgefallen ist.
Auf diese Weise können 70 Prozent aller Diesel-Backup-Generatoren eingespart werden. Andernfalls müssten alleine nur in dieser ersten Serverhalle 14 Dieselgeneratoren installiert werden und jeder dieser Generatoren wiegt 30 Tonnen. Sie können sich sicher vorstellen, dass dadurch viel Geld gespart werden kann und die Umwelt außerdem geschont wird."
Möglich ist dies, weil man in Nordschweden schon vor knapp einhundert Jahren damit begonnen hat, den 460 Kilometer langen Lule-Fluss für die Wasserkraft zu nutzen. Zunächst hauptsächlich wegen der Erzgrube in Kiruna, dann wegen der Eisenbahn, verschiedener Papierfabriken und natürlich auch wegen des später folgenden Stahlwerks in Luleå. Entlang des mit zahllosen Nebenflüssen und Speicherseen vernetzten Gewässers stehen heute 15 Wasserkraftwerke, die reichlich Überschuss produzieren und zusammen eine Leistung von über 4000 Megawatt Strom erbringen.
Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: Trotz warmer Sommermonate herrscht in der Region um Luleå eine Jahresdurchschnittstemperatur von knapp drei Grad Celcius. Saugt man also die Umgebungsluft in die künftigen Serverhallen ein und mischt sie mit der Abwärme der Rechner, kann man sowohl die Server kühlen wie auch die umliegenden Büros und Nebengebäude beheizen. Niemand vermag die Einsparungen derzeit exakt zu beziffern, aber die Rede ist von einer zweistelligen Millionensumme in Euro - und zwar jährlich.
"Egal wo sie hinschauen, ich glaube, dass alle damit einverstanden sein werden, dass das Thema Energie zu den wichtigsten Fragen unserer Zeit gehört. Die "falsche" Form von Energie, belastet unsere Umwelt. Die "richtige" Form von Energie führt möglicherweise zu einem besseren Lebensstandard und hilft den Menschen neue Gesellschaften aufzubauen. Zugegeben, vor zehn Jahren wurde über erneuerbare Energie nicht so heiß diskutiert wie heute. Aber wir leben hier in einer Region mit einem Überschuss an erneuerbarer Energie. Und doch zweifle ich, ob schon verstanden worden ist, was dies alles für eine globale Wirtschaft bedeuten könnte. Man muss sich nur das nukleare Desaster in Japan vor Augen führen."
Anders Granbergs Büro, fünf Gehminuten von der Facebook-Baustelle entfernt, ist sehr sachlich eingerichtet. Keine wuchtigen Bücherregale, keine sich stapelnden Ordner, kein repräsentativer Schnick-Schnack. Ausgestattet mit zwei Laptops, Smartphones, einem großen Bildschirm und einer kleinen Besprechungs-Ecke könnte die Einrichtung glatt aus einem Ikea-Katalog stammen. Nichts deutet darauf hin, dass der 52-jährige von hier aus versucht, an einem großen Rad zu drehen.
Anders Granberg ist Geschäftsführer von "The Node Pole" und der Name der Firma ist Programm. The Node Pole heißt übersetzt: Der Datenknoten. Das von ihm geführte kleine Unternehmen hat den Auftrag, weitere, international tätige Internet-Unternehmen davon zu überzeugen dem Facebook-Beispiel zu folgen. Mit der erklärten Absicht, Luleå zu einer Speicherstadt zu machen, hinter deren Mauern die Daten der halben Welt lagern.
"Das Speichern von Daten ist ein Geschäft. Es ist das Herz des Cloud-Computing-Business in der Zukunft. Die Datenmengen wachsen unglaublich schnell - die Firmen müssen irgendwo ihre Daten speichern. Und wir haben hier die besten Voraussetzungen dafür. Ich glaube, das wird noch weitere Daten-Firmen anlocken."
Schätzungen zufolge wird das globale Datenvolumen in vier bis fünf Jahren bereits so groß sein, dass dafür - wollte man alles auf herkömmliche Art und Weise speichern - rund 38 Millionen DVDs pro Stunde benötigt würden. Solche Datenmengen lassen sich mit traditionellen Methoden weder verarbeiten noch dauerhaft sichern. Und Greenpeace zufolge sind die Datenspeicher-Firmen mit ihrem unbändigen Energiehunger sowieso schon dabei, weltweit mehr umweltschädigende Abgase zu erzeugen als die Flugzeug-Industrie.
Anders gelagert ist der Fall, wenn man statt mit Dieselgeneratoren zu arbeiten, auf erneuerbare Energien zurückgreifen kann. Und genau darauf setzt eine selbstbewusste YouTube-Botschaft, mit der "The Node Pole" derzeit den amerikanischen Markt bearbeitet - ohne zu vergessen, das eigene Öko-Potenzial herauszustellen.
"Unsere Region verfügt das ganze Jahr über kühlende Frischluft und liegt an einem Fluss, der uns zu einhundert Prozent erneuerbare Energie liefert. Facebook hat unser grünes Potenzial zuerst entdeckt. Kaum jemand hat davon gewusst. Wir haben diesen Vorteil genutzt, um international auf unsere idealen Bedingungen aufmerksam zu machen - durch die Gründung von The Node Pole, damit unsere Region zum Knotenpunkt des globalen Datenverkehrs werden kann."
Die nordschwedische Provinz Norrbotten zählt derzeit zu den wachstumsstärksten Regionen des Landes. Seit Facebook vor einem Jahr sein Engagement in Luleå bekannt gegeben hat, haben sich hier, im achtstöckigen Gebäude des "Aurorum Wisssenschaftsparks" bereits 14 weitere neue Firmen angesiedelt. Insgesamt beherbergt das IT-Zentrum inzwischen 93 Unternehmen mit 1100 Angestellten.
Zwischen Luleå und Stockholm gibt es neuerdings 16 Flugverbindungen täglich. Die Hotels der Stadt sind bis auf das Wochenende fast immer ausgebucht und die vier größten Eisbrecher von Schweden sind mittlerweile ebenfalls im Hafen von Luleå stationiert. Um dafür zu sorgen, dass auch im Winterhalbjahr der Export von Eisenerz und Stahl nicht ins Stocken gerät.
So gesehen bleibt die Region der Schwerindustrie verbunden, während das IT-Business als junge Branche erst hinzugekommen ist. Allerdings mit einem klugen Konzept. Unter der Leitung des 40-jährigen Frederik Kalloniemi ist der Wissenschaftspark von Luleå daher längst zu einer gefragten Adresse geworden. Trotzdem wirbt er unablässig um die Ansiedlung weiterer Unternehmen - national wie international.
"Wir sind ein IT-Park und gerade mal 300 Meter von der Technischen Universität entfernt auf der einen Seite, Facebook haben wir hier auf der anderen Seite. Durch die riesigen Investitionssummen, die die Schwerindustrie in Norrbotten in den nächsten Jahren noch ausgeben wird, sind wir für viele Firmen ein sehr attraktiver Standort. Wir reden hier von rund 20 Milliarden Euro.
Aber - wir warten nicht darauf, dass die Firmen bei uns anrufen - wir rufen sie an und sagen: Hört mal, Facebook ist hier hergezogen, wir bauen zehntausend neue Wohnungen in Luleå und wir haben eine Universität für deren IT-Ausbildungsabteilungen sich hundert Prozent mehr Studenten angemeldet haben. Also, falls sie ein Interesse daran haben gute Geschäfte zu machen, dann sind sie hier sehr Willkommen und wir werden tun was wir können, damit sie sich hier niederlassen."