Fachkräftemangel

"Die meisten haben ein falsches Bild vom Handwerk"

Ein Fliesenleger bei der Arbeit
Ein Fliesenleger bei der Arbeit © dpa / Patrick Pleul
Reiner Nolten im Gespräch mit André Hatting |
Handwerksbetriebe kommen bei den Aufträgen kaum noch hinterher, Kunden müssen oft wochenlang warten. Es gebe zu wenig qualifiziertes Personal, sagt Reiner Nolten vom Westdeutschen Handwerkskammertag. Dabei sei das Handwerk attraktiver als noch vor wenigen Jahren.
Handwerk hat goldenen Boden - das stimmt bis heute. Es läuft so gut, dass die Betriebe bei den Aufträgen gar nicht mehr hinterherkommen und lange Wartezeiten entstehen. Zum Beispiel in Sachsen-Anhalt sind es bei Maurern mehr als acht Wochen, bei Fliesenlegern knapp zehn. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sieht es nicht viel besser aus.
Das Problem sei, dass es zu wenige qualifizierte Handwerker gebe, sagt Reiner Nolten, Geschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertags. Die meisten jungen Menschen machten heute Abitur und studierten dann und wollten kein Handwerk mehr lernen.
Hinzu komme die wirtschaftliche Situation des Landes: "Die Konjunkturlage ist so gut wie nie und das auch so lange wie noch nie an einem Stück", sagt Nolten. Die Betriebe seien sehr ausgelastet durch private Aufträge, "denn die Bürger bekommen keine Zinsen mehr auf der Bank und investieren deshalb in ihre Immobilien."

Veraltete Bilder in Schulbüchern

Damit das Handwerk für junge Menschen wieder attraktiver wird, brauche es vor allem eine Veränderung in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, erklärt Nolten. "Mit dem Gedanken, mein Kind soll es einmal besser haben als ich, ist meistens der Gedanke des Studiums verbunden - obwohl heute ein Handwerksmeister besser verdient als ein Akademiker."
Hinzu komme: "Die meisten haben ein falsches Bild vom Handwerk. Es ist nicht mehr so körperlich anstrengend wie früher." Zwar bemühe sich die Branche sehr, mehr zu informieren. "Aber wenn Sie in Schulbücher schauen: Sie sehen immer noch einen Backofen mit offenem Feuer, Sie sehen immer noch jemanden, der mit dem Hammer Metall bearbeitet und nicht mit der CNC-Maschine; und dass heute auf den Baustellen vieles elektronisch läuft, ist auch nicht bekannt."
Wichtig sei auch: "Sicherlich müssen wir die sozialen Medien verstärkt nutzen." Das passiere zwar mit Imagekampagne "Das Handwerk - die Wirtschaftsmacht von nebenan" bereits seit Jahren, so Nolten. "Aber eine Einstellung zu verändern braucht immer eine Generation."
(abr)
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