Musa Deli: "Zusammenwachsen. Die Herausforderungen der Integration"
Verlag Hoffmann und Campe 2022
288 Seiten, 24 Euro
Integrationsdebatte
Bei der Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland sind die bürokratischen Hürden immer noch hoch. © picture alliance / photothek / Janine Schmitz
Deutschland braucht erleichterte Zuwanderung
05:54 Minuten
Der Sozialpsychologe Musa Deli fordert, die Hürden für die Einwanderung zu verringern. Nur so könne der Fachkräftemangel ausgeglichen werden. Die Integrationsdebatte nach der gewalttätigen Silvesternacht sei wenig zielführend, kritisiert er.
Die CSU hat ihren Widerstand gegen das von der Ampel-Regierung geplante neue Einbürgerungsrecht bekräftigt. Der Gesetzentwurf, der seit Freitag in den zuständigen Ressorts der Bundesregierung abgestimmt wird, sei „nicht zustimmungsfähig“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Zeitung "Welt".
„Wenn man am Anfang leichtfertig eine Staatsbürgerschaft vergibt, werden Integrationsbemühungen nicht befördert, sondern man muss sie am Schluss gar nicht mehr leisten“, bemängelte Dobrindt.
Mangel an Fachkräften
Kritisch äußert sich dazu der Sozialpsychologe und Buchautor Musa Deli: "Aktuell fehlen in Deutschland zwei Millionen Fachkräfte und im Moment sind die bürokratischen Hürden noch sehr hoch."
Es gebe zahlreiche Schwierigkeiten, beispielsweise bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, zudem seien die Visaverfahren sehr aufwändig. Oft müssten sich Zugewanderte erst nachqualifizieren oder dürften nur als Hilfskräfte arbeiten.
Die Bundesregierung sei dabei, diese Hürden abzubauen, sagt Deli. Dabei wären Fortschritte bei der Digitalisierung der Vorgänge in den Behörden eine große Hilfe.
Wichtig sei auch, dass zum Beginn der Arbeitsaufnahme nicht zu sehr auf deutsche Sprachkenntnisse bestanden werde. Das könne mit Sprachkursen neben der Arbeit verbessert werden.
Zwei Pässe sind kein Problem
Wenn jemand zwei Pässe habe, schmälere das die Loyalität nicht, mache aber die Zuwanderung nach Deutschland attraktiver, sagt Deli. "Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass für viele Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft sehr wichtig ist."
Der türkische Pass sei für viele "Sinnbild der kulturellen Wurzeln und somit eine absolute Herzensangelegenheit" sowie auch Teil der Identität. Das gelte vor allem für die zweite Generation türkischer Einwanderer, die teilweise in der Türkei geboren wurde.
Kritik an Debatte nach der Silvesternacht
Es sei nicht zielführend, die Vorkommnisse in der Silvesternacht vor allem auf den Migrationshintergrund der Täter und eine angeblich misslungene Integration zu beziehen, sagt der Sozialpsychologe. "Diese Sichtweise wird dem Problem absolut nicht gerecht."
Wichtiger sei die Frage nach der gesellschaftlichen Teilhabe dieser jungen Menschen. "Welche Perspektive haben sie, welche Benachteiligung erfahren sie?"
Deli warnte davor, dass diese Integrationsdebatte den Berliner Wahlkampf bestimme. "Die große Mehrheit der Menschen mit Migrationsgeschichte leben hier sehr friedlich und auch sehr gut integriert."
(gem)