Fälschungen, die Leben retten
Mit 17 Jahren begann der Färberlehrling Adolfo Kaminsky, Dokumente für die französische Résistance zu fälschen. Mehreren tausend Juden verhalf er zur Flucht. Nun hat seine Tochter Sarah ein Buch über sein Leben geschrieben.
1971 fühlte Adolfo Kaminsky sich "verbrannt". Fluchtartig verließ er Paris und zog nach Algier, wo er sich eine neue Existenz als Dozent für Fotografie aufbaute und eine Familie gründete. Über sein Leben sprach Adolfo Kaminsky stets nur mit ehemaligen Weggefährten wie dem Philosophen, Widerstandskämpfer und Sartre-Schüler Francis Jeanson. Bei dessen Besuchen schnappte seine jüngste Tochter Sarah Bemerkungen auf, die sich indes zu keiner kohärenten Vorstellung vom Leben des Vaters fügten. Vor acht Jahren begann sie, ihren Vater gezielt zu befragen und Zeitzeugen aufzusuchen. Entstanden ist ein Lebensbericht, dessen Geradlinigkeit tief berührt.
Mit einem sicheren Gespür für Situationsdramatik vergegenwärtigt Sarah Kaminsky jene Momente, in denen Adolfos Leben wie das jener, die er schützen wollte, gefährdet war. Bis zu 500 Dokumente pro Woche fertigte er in einer als Dienstbotenkammer getarnten Lichtdruckwerkstatt. Er schnitzte Stempel, bearbeitete Fotos, perforierte Gebührenmarken, kopierte Wohnungsbescheinigungen und Führerscheine.
Nach der Razzia vom 16. Juli 1942, bei der in ganz Frankreich Juden festgenommen wurden, wurden Adolfo, sein Vater und seine Geschwister im Lager Drancy interniert. Die Kaminskys entgingen der Deportation nach Auschwitz nur knapp. Der argentinische Botschafter konnte nach drei Monaten Haft eine Freilassung der Familie erwirken. Das quälende Gefühl, ein willkürlich Begünstigter zu sein, sowie eine tiefe Verachtung für staatlich sanktionierten Rassismus sind die treibenden Kräfte in Adolfo Kaminskys Leben.
Sachlich im Ton, doch atmosphärisch hoch verdichtet, schildert seine Tochter, warum der Vater nicht aufhören konnte, Kämpfer aus über 15 Nationen mit Papieren auszustatten. Dass er fast drei Jahrzehnte unentdeckt blieb, ist der Tatsache geschuldet, dass er niemals Geld für seine Tätigkeit nahm und sich von Kontaktpersonen abwandte, die den Terror linksextremer Gruppen unterstützten.
Eine einzige medienwirksame Fälschung erlaubte sich Adolfo Kaminsky. 1968 ermöglichte er Daniel Cohn-Bendit, die deutsch-französische Grenze als brünett gefärbter Tourist zu passieren. Der "rote Dany" wollte am 1. Mai in Paris eine Rede halten und wusste, dass man ihn von der Tribüne weg verhaften würde.
Identitäten betrachtet Adolfo Kaminsky als etwas sehr "Poröses". Er selbst ließ sich erst 1992 in Frankreich einbürgern. Das Land erkennt seine Verdienste inzwischen als Widerständler an. Die Tochter schärft den Blick auch für das anarchische Potential des Humanisten Adolfo Kaminsky.
Besprochen von Sigrid Brinkmann
Sarah Kaminsky: Adolfo Kaminsky. Ein Fälscherleben
Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer
Verlag Antje Kunstmann, München 2011,
224 Seiten, 19,90 Euro
Mit einem sicheren Gespür für Situationsdramatik vergegenwärtigt Sarah Kaminsky jene Momente, in denen Adolfos Leben wie das jener, die er schützen wollte, gefährdet war. Bis zu 500 Dokumente pro Woche fertigte er in einer als Dienstbotenkammer getarnten Lichtdruckwerkstatt. Er schnitzte Stempel, bearbeitete Fotos, perforierte Gebührenmarken, kopierte Wohnungsbescheinigungen und Führerscheine.
Nach der Razzia vom 16. Juli 1942, bei der in ganz Frankreich Juden festgenommen wurden, wurden Adolfo, sein Vater und seine Geschwister im Lager Drancy interniert. Die Kaminskys entgingen der Deportation nach Auschwitz nur knapp. Der argentinische Botschafter konnte nach drei Monaten Haft eine Freilassung der Familie erwirken. Das quälende Gefühl, ein willkürlich Begünstigter zu sein, sowie eine tiefe Verachtung für staatlich sanktionierten Rassismus sind die treibenden Kräfte in Adolfo Kaminskys Leben.
Sachlich im Ton, doch atmosphärisch hoch verdichtet, schildert seine Tochter, warum der Vater nicht aufhören konnte, Kämpfer aus über 15 Nationen mit Papieren auszustatten. Dass er fast drei Jahrzehnte unentdeckt blieb, ist der Tatsache geschuldet, dass er niemals Geld für seine Tätigkeit nahm und sich von Kontaktpersonen abwandte, die den Terror linksextremer Gruppen unterstützten.
Eine einzige medienwirksame Fälschung erlaubte sich Adolfo Kaminsky. 1968 ermöglichte er Daniel Cohn-Bendit, die deutsch-französische Grenze als brünett gefärbter Tourist zu passieren. Der "rote Dany" wollte am 1. Mai in Paris eine Rede halten und wusste, dass man ihn von der Tribüne weg verhaften würde.
Identitäten betrachtet Adolfo Kaminsky als etwas sehr "Poröses". Er selbst ließ sich erst 1992 in Frankreich einbürgern. Das Land erkennt seine Verdienste inzwischen als Widerständler an. Die Tochter schärft den Blick auch für das anarchische Potential des Humanisten Adolfo Kaminsky.
Besprochen von Sigrid Brinkmann
Sarah Kaminsky: Adolfo Kaminsky. Ein Fälscherleben
Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer
Verlag Antje Kunstmann, München 2011,
224 Seiten, 19,90 Euro