Fahren ohne Fahrer

Von Thomas Gith |
Wie von Geisterhand gesteuert, bahnen sich Autos ohne Fahrer ihren Weg durch den Verkehr – bislang rein zu Forschungszwecken. Wann sie tatsächlich alltäglich auf den Straßen unterwegs sein werden, ist noch unklar - und auch, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben.
In den USA sind sie bereits unterwegs: Die zehn autonomen Fahrzeuge des Internetkonzern Google. Zu Versuchszwecken fahren sie über den US-Asphalt, ohne, dass ein Fahrer steuert.

In Berlin hat es ebenfalls eine autonome Autofahrt gegeben. 2011 kurvte ein umgebauter VW Passat 80 Kilometer durch den dichten Stadtverkehr. Computer steuerten den Wagen. Und im August dieses Jahres hat Mercedes eine autonome Autofahrt gewagt. Mercedes-Benz Technikchef Thomas Weber:

"Wir sind basierend auf einer Serie S-Klasse vollautonom gefahren, von Mannheim nach Pforzheim. Davon 50 Kilometer in dichtestem Ballungsraum: Enge Ortsdurchfahrten, Kreisverkehre, Fußgänger, Radfahrer - die richtig komplexe Situation und das vollautonom. Das heißt, technisch sind wir extrem weit."

In einigen Situationen musste der überwachende Mensch hinter dem Lenkrad allerdings eingreifen. Etwa als ein LKW eine Straße blockierte. Oder als eine ältere Frau dem Fahrzeug Vorfahrt gewähren wollte – mit menschlichen Gesten kann das autonome Fahrzeug nichts anfangen.

Weitere Beispiele von autonomen Autofahrten ließen sich aufzählen. Sie alle basieren auf komplexer Fahrzeugtechnik, erzählt Professor Markus Maurer von der TU Braunschweig:

"Autonome Fahrzeuge setzen heute im prototypischen Stadium auf eine Vielzahl von Sensoren, es werden Kameras eingesetzt, teilweise Stereokameras. Es werden Radarsensoren eingesetzt, es werden teilweise Laserscanner eingesetzt. Und die erfassen die Umgebung maschinell. Und dann gibt es eben intern eine Verhaltensentscheidung, die darauf aufsetzt und die dann auf Gas, auf Bremse, auf Lenkung eingreifen und die das Fahrzeug dann hoffentlich sicher im Straßenverkehr halten."

Autonome Fahrzeuge sind als Prototypen zu Forschungszwecken unterwegs. Aus dem simplen Grund, weil die Technik autonome Autofahrten mittlerweile ermöglicht. Das technisch Mögliche treibt also eine gesellschaftliche Entwicklung voran. Das bringt Fragen mit sich: Wollen wir diese Entwicklung? Und: Ist sie sinnvoll? Ja - sagt zumindest Mercedes–Benz Technikchef Thomas Weber:

Viele Unfälle durch menschliches Fehlverhalten
"Wir wissen, dass ein ganz großer Anteil der Unfälle auf Fehlverhalten zurückzuführen ist am Schluss des Fahrers. Er wird müde, er ist unachtsam, er ist überfordert in komplexen Situationen. Und das autonome Fahrzeug wird nicht müde, reagiert immer gleich schnell und damit gibt es eine großes Chancenpotenzial, mit solchen Systemen die Unfallhäufigkeit dramatisch weiter zu senken."

Doch auch autonom fahrende Autos könnten Unfälle verursachen, etwa, weil die Technik versagt. Und autonome Autos können in Situationen verwickelt werden, die dramatische Entscheidungen erfordern, sagt Professor Christian Gerdes von der Stanford University, USA.

"Nehmen wir an, das autonome Fahrzeug fährt fehlerlos. Doch dann bricht plötzlich ein menschlicher Fahrer aus der Spur und rast auf das autonome Auto zu. Soll das autonome Auto jetzt ausweichen, um die Menschenleben in seinem Inneren zu schützen? Oder soll es eine Kollision riskieren, weil dadurch möglicherweise der Gesamtschaden reduziert wird, in dem nicht noch weitere Fahrzeuge in den Unfall verwickelt werden? Autonome Autos müssen in solchen Situationen Entscheidungen treffen. Und die Frage ist, ob Ethik ein Teil ihrer Entscheidung sein kann."

In solchen Situationen entscheiden bisher Menschen – oft intuitiv und reflexhaft. Und Menschen tragen auch Verantwortung für ihr Verhalten im Straßenverkehr. Wer hingegen die Verantwortung trägt, wenn komplett autonome Autos umherfahren, ist bisher unklar. Die Nutzer des Autos? Oder aber die Hersteller? Allerdings: Autonome Autos könnten neben den genannten Risiken auch Chancen beinhalten. Verkehrsforscherin Professorin Barbara Lenz:

"Google hat nicht umsonst einen Blinden in sein Fahrzeug gesetzt. Das war ja nicht nur um zu demonstrieren, da sitzt jemand, der eigentlich diese Fahraufgabe gar nicht lösen kann. Sondern es war auch um zu demonstrieren, dass es bestimmte Bevölkerungsgruppen gibt – handicapped people – die eben die Fahraufgabe nach heutigem Stand, mit heutigen Fahraufgaben nicht lösen könnten."

Fakt ist: In einigen Autos gibt es bereits heute teilautonome Funktionen. Fahrerloses Einparken mit Hilfe des Bordcomputers etwa - oder autonomes Fahren im Stopp and Go Verkehr. Mit einem Menschen als Überwacher, der die Verantwortung trägt und der jederzeit eingreifen kann. Markus Maurer, Professor für elektronische Fahrzeugsysteme:

"In heutigen autonomen Fahrzeugen ist der menschliche Überwacher unabdingbar. Und zwar sogar der trainierte menschliche Überwacher. Der muss ein Gefühl haben für das autonome Fahrzeug und auch für seine Grenzen. In zukünftigen Systemen ist das eine ganz große Herausforderung, dass das autonome Fahrzeug zumindest seine Grenzen selber erkennen muss. Und dass es dann auch rechtzeitig an einen Insassen oder einen Fahrer übergibt oder eben rechtzeitig in den sicheren Zustand übergeht."

Die entsprechende Technik wird von Autobauern und Universitäten derzeit weiterentwickelt und verfeinert. Viele technische Probleme gilt es noch zu lösen. Etwa die möglichst sichere Ampelerkennung - auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen.

Und mit der Technik beginnt der gesellschaftliche Diskurs. Darüber, welche Aufgaben autonome Autos schrittweise übernehmen sollen – und welche ethischen und rechtlichen Standards wir für ihre Fahrten brauchen.
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