Verkehrsplanung in Karlsruhe

Fahrradfreundlich, auch ohne Fahrrad-Gesetz

07:03 Minuten
In der Karlsruher Innenstadt fährt ein Radfahrer auf einem Fahrradstreifen.
Karlsruhe hat es geschafft: Immer mehr Menschen sind auf das Rad umgestiegen. © picture alliance / dpa / Uli Deck
Von Katharina Thoms |
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Karlsruhe ist laut ADFC eine besonders fahrradfreundliche Großstadt. Ein Fahrradgesetz wie in Berlin oder Nordrhein-Westfalen gibt es in Baden-Württemberg nicht, wohl aber eine grün geprägte Landesregierung und eine konsequente Rad-Politik. 
Weißer Helm, dicke rote Jacke: Katrin Hillenbrand, Vorsitzende des ADFC in Karlsruhe, manövriert uns souverän durch die winterliche Stadt. Das ist in Karlsruhe auch nicht so schwer, denn es gibt knapp 20 Fahrradstraßen in der City.

Roter Teppich für Radlerinnen und Radler

An jeder Kreuzung wurde hier breit rote Farbe auf die Straße gepinselt, wie man sie von Radwegen kennt, erklärt die ADFC-Vorsitzende des Fahrradclubs in Karlsruhe: „Das ist eigentlich ganz schön. Da wird auch der Autofahrer drauf hingewiesen: Achtung, das ist eine Fahrradstraße. Hier quert viel Fahrradverkehr.“ Das solle zur Sicherheit beitragen.
Wer hier Rad fährt, ist gleichberechtigt unterwegs. Aber: Eben nicht allein. Autos dürfen weiter auf Fahrradstraßen fahren. Jetzt lotst sie mich Richtung Karlsruher Schloss: „Wir biegen hier einmal rechts ab und kommen zu einer meiner Lieblingsstellen: der einzigen echten Fahrradstraße in Karlsruhe, wo tatsächlich kein Autoverkehr geduldet wird.“ Einhundert Meter Radlerinnenglück. „Es ist ein sehr kurzes Glück, das ist richtig. Hier ist es auch schon wieder vorbei.“

Laut ADFC fahrradfreundlichste Großstadt

Wer sonst in Köln, Stuttgart oder Duisburg auf dem Rad unterwegs ist, kann in Karlsruhe schnell ins Schwärmen kommen: Auf den Fahrradstraßen haben Radlerinnen und Radler Vorrang, viele Einbahnstraßen sind für sie in beide Richtungen freigegeben. In der City gibt es sehr viele Radwege, auch auf großen Straßen, und bei schlechtem Wetter darf man das Rad kostenlos in der Straßenbahn mitnehmen – nach der Rushhour ab neun Uhr.

Fahrrad-Gesetz in NRW: Schafft NRW die Verkehrswende?

Auf Druck der Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ein landesweites Fahrrad-Gesetz verabschiedet. Kritiker befürchten allerdings, dass die Verkehrswende weiter auf sich warten lässt.

Ein Radfahrer wird auf einer engen Straße von einem schweren Betonmischer überholt.
© imago / Gottfried Czepluch
Im Zufriedenheitstest des ADFC von 2020 hat Karlsruhe auch genau deshalb zum zweiten Mal die beste Großstadtnote bekommen. 2004 war das noch ganz anders, erinnert sich Frank Mentrup. „Seinerzeit waren wir bei einem Mobilitätstest lediglich auf Platz 18 von 22 getesteten Städten.“ Das wollte die Stadt nicht auf sich sitzen lassen. Damals war Frank Mentrup zwar noch nicht Oberbürgermeister von Karlsruhe. Aber seit rund 16 Jahren macht die Stadt konsequent Radpolitik.

Radverkehrsanteil verdoppelt

Der Radverkehr hat sich so verdoppelt: Jede dritte Fahrt im gesamten Karlsruher Verkehr ist eine mit dem Rad. Die Fahrraddichte – in der City nicht zu übersehen. Die Stadt hatte 2005 ein 20-Punkte-Programm aufgelegt, um das Radfahren zu fördern. Das damalige Ziel – Fahrradhauptstadt werden – hat Karlsruhe erreicht.
Inzwischen spielt die Radpolitik eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität. Etwa 1,5 Millionen Euro gibt Karlsruhe dafür im Jahr aus, erklärt Oberbürgermeister Frank Mentrup von der SPD: „Es gibt ja auch zum Teil Radwegeförderung fast zu hundert Prozent in Kombination von Bund und Land.“ Diese sei wichtig, gerade in Zeiten klammer Kassen. Denn da „würde man doch den einen oder anderen Ausbau einer Radverbindung eher auf die lange Bank schieben, weil man sie sich schlichtweg aktuell einfach gar nicht leisten kann“.
Ein eigenes Fahrradgesetz hat Baden-Württemberg zwar nicht. Radpolitik hat in dem Flächenland trotzdem einen hohen Stellenwert. Die damals grün-rote Landesregierung hat schon vor fünf Jahren ein Konzept beschlossen, um mehr Radwege zu bauen.
 „Wir wollen bis 2030 für das Gesamtnetz etwa 7000 Kilometer in Baden-Württemberg als Landesradnetz etabliert haben – mit hoher Qualität“, meint Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen. Etwa 90 Prozent des Netzes gebe es schon heute, allerdings nicht mit hoher Qualität. „Manchmal zu schmal, der Belag ist nicht gut oder die Übergänge sind nicht sicher. Es gibt Netzlücken.“

Kein Mut zur Lücke

Um die zu schließen und den Ausbau in Städten und Gemeinden zu fördern, hat Baden-Württemberg in diesem Jahr 72 Millionen Euro ausgegeben – viermal mehr als noch vor vier Jahren. Für Radwege, Abstellplätze und neuerdings auch Radschnellrouten zwischen den Städten. Das hilft auch Karlsruhe.
Oberbürgermeister Frank Mentrup sagt, es gehe aber nicht nur um die reinen Ausgaben für den Radverkehr. Denn die Alternative zum motorisierten Individualverkehr müsse immer eine Kombination sein: aus Fahrrad, Carsharing-Angeboten und ÖPNV. „Da haben wir natürlich in Karlsruhe sehr gute Voraussetzungen, weil wir sowieso schon so ein weitverzweigtes, schienengebundenes ÖPNV-Netz haben, weil wir ja auch seit Jahren die Carsharing-Hauptstadt Nummer eins sind. Das heißt, sie finden innerhalb von 500 Metern überall in der Stadt auch eine Carsharing-Station – und dann zusätzlich noch das Fahrradprogramm.“

Fahrräder als gleichberechtigte Verkehrsmittel

Katrin Hillenbrand vom ADFC in Karlsruhe sagt: Das Fahrrad muss bei der gesamten Verkehrsplanung immer mitgedacht werden: „Das Fahrrad und Fahrradfahrer rücken schon mehr in den Mittelpunkt und werden mehr so wahrgenommen, dass wir gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sind.“ Das sei lange Zeit nicht so gewesen. Aber: „Es wird die nächsten Jahre auch immer noch mehr kommen.“
Denn Karlsruhe hat sein Radprogramm erweitert: Zu einem Mobilitätskonzept, bei dem die Bürgerinnen und Bürger beteiligt wurden. Das Ziel: Mehr Platz fürs Radeln, zu Fuß gehen, Bus und Bahn fahren – und weniger fürs Autofahren. Denn bei allem Lob – da ist auch Luft nach oben, sagt Katrin Hillenbrand.
Viele Radwege seien zu schmal, und auf der Straße fahren oft zu gefährlich. Die vielen parkenden Autos am Straßenrand seien auch ein Problem – vor allem in den ausgewiesenen Fahrradstraßen, wie wir bei unserer Tour durch Karlsruhe erleben: Minutenlang drängelt ein Auto hinter uns, kommt nicht vorbei. Weil fahrende und parkende Autos auf einer Fahrradstraße sich nicht vertragen mit viel Radverkehr. Der ADFC fordert mehr Mut von der Stadt.
Frank Mentrup findet zwar, die Radlerlobby nimmt sich manchmal ein bisschen zu wichtig, aber die Stadt will in den kommenden Jahren tatsächlich auch Autospuren in Radwege umwandeln, sagt er: „Am Ende muss es auch darum gehen, das eigene Auto abzuschaffen und damit vor allem auch im Innenraum unserer Städte wieder viele Flächen freizukriegen, die im Moment durch meistens 23 Stunden am Tag geparkte Autos einfach zugestellt sind.“

Nächster Meilenstein: Unterirdischer Autoverkehr

Katrin Hillenbrand kann das gar nicht schnell genug gehen, und direkt vor dem Büro der ADFC-Vorsitzenden hat es auch schon geklappt: Wo jetzt Fahrradständer stehen, hätten vor vier Wochen noch Autos gestanden. “Die haben wir jetzt für die Radstellplätze umwidmen können. Da sind wir wahnsinnig froh drum.“
Im Frühjahr freuen sich die Radfans auf das nächste Highlight: Ein neuer Autotunnel wird eröffnet. Der macht dann oberirdisch Platz für eine schnelle Radroute durch die City.
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