Mehr als nur Fair-Trade-Kaffee -Dresdens Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen erklärt im "Länderreport"-Interview, was der Titel Fair-Trade-Stadt für sie bedeutet.
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Ein Café als Vorreiter in Dresden
Fair, nachhaltig, biologisch: Als das AhA-Café in der Dresdner Altstadt an den Start ging, stießen die Macher auf viel Unverständnis. Das Thema ist inzwischen in der Gesellschaft angekommen – und die sächsische Hauptstadt erhält nun sogar den Titel Fair Trade Town.
Kaffee geht immer, das gilt auch im AhA-Café unweit der Dresdner Kreuzkirche. In dem hell eingerichteten Restaurant und Café werden ausschließlich fair gehandelte Bohnen durch einen Siebträger gepresst, anschließend mit Biomilch serviert. AhA steht für anders handeln, und wem nicht nur bei Essen und Trinken an fairen Produktionsbedingungen gelegen ist, der findet im Keller auch noch einen Eine-Welt-Laden mit Kleidung, Kunsthandwerk und fairen Lebensmitteln für zu Hause.
Geschäftsführerin des AhA-Cafés und Laden ist Claudia Greifenhahn, die hier fast jeden Tag anzutreffen ist. Den Vorläufer des heutigen Ladencafés gibt es seit 1991, gegründet aus einer Zeit heraus, als sich auch in der DDR vor allem Menschen aus dem kirchlichen Umkreis mit fairem Handel auseinanderzusetzen begannen, erzählt Greifenhahn:
"Und da lag es natürlich nahe, einen Laden und ein Restaurant aufzubauen, in dem sowohl fair gehandelte Produkte als auch biologisch produzierte Produkte angeboten werden beziehungsweise verkauft und verarbeitet werden und gleichzeitig im Zusammenhalt das Thema Frieden weitergeführt wird, was vor allem durch demokratische Grundstrukturen gestützt wird."
Fairer Handel als Thema etabliert
35 Menschen seien damals dabei gewesen, diskutiert wurde stundenlang, erzählt Greifenhahn. Heute tragen drei Vereine aus Ökumene und Nachhaltigkeit die Gesellschafterversammlung des AhA-Cafés. 16 Menschen arbeiten hier festangestellt, viele abwechselnd zwischen Café und Laden. Das Café hat viele Stammgäste, profitiert aber auch von seiner Nähe zu den touristischen Highlights Dresden.
Fair, nachhaltig, biologisch. Das hat sich etabliert in Dresden:
"Am Anfang war auch klar: Hier gibt es nur Vogelfutter und man konnte sich gar nicht vorstellen, dass man ein Vollwertessen tatsächlich essen kann. Da hat sich viel geändert in der Gesellschaft. Politisch gesehen, also es gab Zeiten, wo wir mit Politikern Webekampagnen gemacht haben für den fairen Handel und Plakataktionen in der Stadt, die auch große Aufmerksamkeit hatten und viele Leute erreicht haben. Inzwischen ist das Thema Fair Trade so gesellschaftlich angekommen, dass es nichts Besonderes mehr ist."
Fair ist auch ein Business geworden, auch in Dresden, das nun als 481. Stadt in Deutschland den Titel Fair Trade Town verliehen bekommt. Es ist auch Vorreitern wie dem AhA-Café zu verdanken, dass die Kampagne Fair Trade Towns Dresden nun in diese Liste aufnimmt. Denn Voraussetzung dafür ist eine gewisse Anzahl an Läden und Gastronomie, die faire Produkte verkaufen. Auch der Einsatz von NGOs, Kirchen und anderen Organisationen für fairen Handel ist notwendig, um sich zu bewerben.
"Hallo! Guten Tag, kommen Sie rein!"
Der Titel ist nur ein erster Schritt
Zu guter Letzt muss auch das Rathaus einer Fair Trade Stadt auf faire Produkte setzen. Das hat der Dresdner Stadtrat im September beschlossen, auf Initiative der Grünen Ratsfraktion.
"Kaffee?" – "Ist der denn auch fair gehandelt? Selbstverständlich, also ich meine, wenn wir jetzt nicht mit gutem Beispiel vorangehen würden, dann wäre ja alles vorbei."
Michael Schmelich ist sozialpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion im Dresdner Stadtrat. Er war es, der den Beschluss zur Fair Trade Town Dresden vorangebracht hat. Dresden sei im Vergleich mit anderen Städten Nachzügler in dieser Kampagne, das hänge auch mit den zuvor meist konservativen Mehrheiten im Stadtparlament zusammen. Seit 2014 besteht eine rot-rot-grüne Mehrheit, die nun den Antrag beschlossen hat. Gegen die Stimmen von Parteien wie CDU, FDP und AfD. Zuletzt hing es noch an Oberbürgermeister Dirk Hilbert, FDP, und seiner Ratshausverwaltung, den entscheidenden letzten Schritt zu gehen. Nämlich nachzuweisen, dass im Rathaus Getränke wie Kaffee oder Orangensaft aus fairem Handel ausgeschenkt werden. Die Auszeichnung Dresdens als Fair Trade Town betrachte er dabei lediglich als einen ersten Schritt, sagt Schmelich:
"Und er wird auch zu hinterfragen sein. Wir werden auch nachfragen bei Gelegenheiten, die sich bieten. Sowohl im Bereich der öffentlichen Vergaben - inwieweit das Berücksichtigung findet - auch in der Frage der Beschaffung. Wir haben ja zum Beispiel im Rathaus keine Zentralbeschaffung, was solche Produkte angeht wie Kaffee oder Orangensaft. Da werden wir natürlich in den jeweiligen Geschäftsbereichen darum bitten und darauf hinweisen, dass dieser Beschluss nun einmal da ist, und man sich daran halten möge."
Konsequenzen sieht der Ratsbeschluss nicht vor. Aber: In einem zweiten Schritt, so hofft Schmelich, würden sich dann auch die Vergabepolitik der Stadt ändern.
"Ich stelle mir schon vor, dass hier im Bereich der zentralen Beschaffung und Vergabe so etwas Ähnliches wie ein Fair Trade TÜV eingeführt wird und man in der Tat auch dann sicher sein kann, dass der gemeindliche Vollzugdienst, der Knöllchen an die Menschen verteilt auch Kleidung trägt, die sie guten Gewissens tragen können, weil sie eben aus fair gehandelten Produkten stammen."
Fair Trade ist kein Selbstläufer
Kleidung, Baumaterialien und Computer. Dies seien Bereiche, bei denen öffentliche Verwaltungen gut auf faire Handelsketten achten können, sagt Antonia Mertsching vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen. Sie hat als Mitglied der Initiative Dresden Fair.ändern die Bewerbung der Stadt als Fair Trade Town mitinitiiert.
Und dennoch: Das Thema Fair Trade ins Rathaus zu transportieren, war kein Selbstläufer:
"Man rennt keine offenen Türen ein und man muss auch sagen, ich glaube das Thema wird auch relativ belächelt. Das ging letzten Endes schon, aber: In der Verwaltung, man nimmt dieses Thema einfach nicht ernst."
Das soll sich nun durch Dresdens Teilnahme an der Kampagne ändern. Die Stadt als Vorbild, mehr Aufmerksamkeit für globale Zusammenhänge auch bei der lokalen Wirtschaft.
"Ich erhoffe mir eigentlich dass das Thema mehr Aufmerksamkeit erfährt, und dass sich eben auch mehr Leute dafür aufschließen sich tatsächlich auch darüber Gedenken zu machen: Okay wo kommt denn entweder mein Kakao her, oder wo kommt denn die Klamotte her? Und dann entweder mal im Laden nachfragen oder bei dem, wo sie es beziehen, weil nur das ein Umdenken anstößt. Nur weil Dresden jetzt diesen Titel hat, Fair Trade Stadt, sind wir natürlich keine Stadt, die nur Produkte des fairen Handels bezieht."