Wie ein Musiker die Rock-Community an der Nase herumführte
Seine Stimme klingt seltsam hoch. Sein Stil: Irgendwas zwischen Rock, Pop und Metal. Auf YouTube hat Jered Threatin Millionen Klicks gekommen. Der einzige Schönheitsfehler ist: Es gibt seine Band gar nicht. Wollte er das Musik-Business vorführen?
Übers vergangene Wochenende hat ein Skandal die britischen Konzertveranstalter erschüttert. Die Website Metal Sucks hat es zuerst enthüllt: Eine Band namens Threatin, angeführt von einem Sänger und angeblichen Multi-Instrumentalisten namens Jered Threatin aus Los Angeles, habe eine komplette britische Tour auf der Grundlage falscher Tatsachen gebucht. 38.000 gefälschte Facebook-Fans - angeblich alle aus Brasilien -, Live-Videos, die vortäuschen, dass die Band vor Massen spielt, ein Plattendeal bei einer angeblichen legendären Plattenfirma, die es nicht gibt, und eine ausverkaufte Tour durch Großbritannien, zu der niemand erschienen ist.
Alle Clubs fielen auf Threatin herein
Was steckt dahinter: Marketing-Trick eines bislang erfolglosen Musikers? Projekt eines gewitzten Performance-Künstlers? Oder will da jemand die Club-Szene vorführen? Denn viele respektable und renommierte Clubs wie "Underworld" in London, "Trillians" in Newcastle und "The Exchange" in Bristol sind auf den Fake-Musiker, der in seinen Musikvideos klingt, als habe er eine Prise Michael Jackson in seinen Gesang gerührt, hereingefallen - lockte sie vor allem das Geld, das mit einem ausverkauften Konzert zu verdienen war?
Letzeres fragt sich auch der Musikjournalist Robert Rotifer, der in England lebt und arbeitet: Wer viele Fans verspreche, könne sich offenbar in jeden Club einkaufen.
"Auf eine gewisse, fast schon poetische Art zeigt dieser Fall Threatin ja auch, wie korrupt das ganze System ist. Als Tourist in London sieht man das 'Underworld' und denkt sich: Wichtiges Lokal - da haben schon wichtige Bands gespielt! Und in Wahrheit ist es eigentlich ein gekaufter Club - und das kommt jetzt heraus durch Threatin. Das ist fast schon Performance Art."
Offenbar doch nicht nur ein Marketing-Trick
Die Musik-Videos wurden unterdessen millionenfach angeklickt. Falls es ihm am Ende tatsächlich nur auf Marketing in eigener Sache ankommt, dann hat er offenbar sein Ziel erreicht. Rotifer: Unklar sei, wie viele von diesen Millionen von Klicks der Künstler selbst generiert habe. Doch gegen die Marketing-Variante spreche einiges:
"Das Tragische daran ist ja, dass das Facebook-Profil inzwischen nicht mehr existiert, dass sein Auftritt in Belfast abgesagt wurde und dass zwei von seiner Band sich verabschiedet haben und man ihn überhaupt nicht mehr erreichen kann. Das heißt, wenn das so geplant wäre, dann - würde man doch denken - würde er jetzt richtig abkassieren und würde es jetzt auskosten, dass Hunderte von Leuten kommen, um sich anzusehen, ob es ihn wirklich gibt. Das scheint aber nicht stattzufinden."
"Langweiliger Pop Metal"
Für Rotifer ist dies ein "Indiz dafür, dass das wirklich ein tragischer Fall ist von jemandem, der gedacht hat, er könnte sich da hoch hinaus fanatasieren."
Was die Musik anbelange, so sei das, was Threatin in den Musik-Videos präsentiere "langweiliger Pop Metal", wie man ihn seit den 80er Jahren kenne - inklusiver langer Metal-Haarmähne, die effektvoll hin und her geworfen wird.
Mit seinem Spiel mit Identitäten sei Jered Threatin jedoch ganz nah am Nerv der Zeit - denn Themen wie "Identität" und "Fake" seien allgegenwärtig.
(mkn)