Fake News

Die "Lügenpresse" der anderen

Der designierte US-Präsident Donald Trump bei seiner Pressekonferenz in New York am 11. Januar 2017.
Der designierte US-Präsident Donald Trump bei seiner Pressekonferenz in New York. © picture-alliance/dpa
Von Fabian Köhler · 13.01.2017
Plötzlich ist die Welt angeblich voller Fake News: gefälschte Nachrichten, gesteuert beispielsweise vom Kreml. Der Politologe Fabian Köhler erkennt hinter diesem Vorwurf dieselbe Methode, mit der in der Vergangenheit gegen eine angebliche Lügenpresse gewettert wurde.
Ein Hauch Dresdner Abendluft wehte kürzlich durch die Social-Media-Kanäle. "Ein Abo weniger", kommentierten viele auf Facebook, als "Der Freitag" bekannt gab, den Publizisten Jürgen Todenhöfer als neuen Herausgeber verpflichtet zu haben. Die Wochenzeitung sei "der neue Stürmer" ereiferte sich jemand. Und auf Twitter nutzte ein bekannter Politiker jenes Wort, das längst zum Erkennungszeichen einer ganzen Bewegung Medienverdrossener geworden ist: Lügenpresse. Ganz ohne Zwinkersmilie.
Viel wurde in den letzten Jahren über schwindendes Medienvertrauen diskutiert. Über vermeintlich "gekaufte Journalisten" und "Befehle von oben." Über Pauschalurteile und rechte Verschwörungstheorien. Aber das ist nur ein Teil der Misere: Der erwähnte Politiker zum Beispiel war nicht AfD-, sondern FDP-Mitglied. Und die Kritiker, die hinter der eben noch linksliberalen Wochenzeitschrift ein antisemitisches Propaganda-Organ ausmachten und zum Boykott aufriefen, waren in vielen Fällen selbst Vertreter jener Medien, die sonst als "Mainstream" gescholten werden.

Die Methode: Diskreditieren statt Diskutieren

Es sind nicht nur die etablierten "Lügenpresse!"-Rufer, die nicht wahrhaben wollen, was nicht der eigenen Meinung entspricht. Oft ist die Kritik der "Etablierten" an den "Alternativen" (oder wer sich gegenseitig dafür hält) nicht weniger pauschal. Was der einen Seite die "Nato-Huren", sind der anderen die "Putin-Trolle". Halluzinieren die einen von CIA-Anweisungen, vermuten die anderen geheime Befehle aus dem Kreml. Die einen halten alles von "taz" bis "FAZ" für Propaganda. Die anderen alles jenseits davon.
Es wird diskreditiert, nicht diskutiert. Denn worum es in den meisten Fällen dieser "Medienkritik" geht, ist keine konkreten Auseinandersetzung mit den Inhalten. Sondern die Durchsetzung der eigenen Sichtweise – nicht die über guten und schlechten Journalismus, sondern über Gut und Böse in der Welt. Dabei gibt es über diese Welt weit mehr zu entdecken als in einen dpa-Ticker passt: Auch in der vermeintlich stalinistischen "Jungen Welt" erscheinen gut recherchierte Reportagen. Auch beim "neurechten Verschwörungstheoretiker" Ken Jebsen laufen aufschlussreiche Interviews. Auch bei Russia Today wird kontrovers diskutiert.

Meinungen von Fakten unterscheiden

Kein Wunder! Viele der "Kreml-Propagandisten" haben ihr Handwerk bei den "Nato-Propagandisten" der BBC gelernt. Und wie meinungsarm wäre die "amerikahörige Systempresse" wohl erst, würden viele Redakteure zum morgendlichen Briefing neben der dpa-Tagesvorschau nicht auch die "antiamerikanischen" Nachdenkseiten anklicken.
Ist am Ende also alles eins? Jeder Blogger genauso glaubwürdig wie Redaktionen mit dutzenden erfahrenen Journalisten? Genügen die sensationsheischenden Copy&Paste-Beiträge im "Compact"-Magazin im gleichen Maße journalistischen Prinzipien wie die aufwändigen Reportagen auf Seite Drei der "Süddeutschen"? Natürlich nicht.
Denn genau um sie geht es: journalistische Prinzipien. Deren objektive messbare Einhaltung ist ein viel besserer Glaubwürdigkeitsmesser als die subjektiv empfundene politische Opportunität: Keine Unwahrheiten verbreiten. Nichts Wesentliches weglassen. Alle relevanten Seiten zu Wort kommen lassen. Auch die ungeliebten. Meinungen von Vermutungen von Fakten unterscheiden. Irrtümer richtigstellen. Im Pressekodex steht nichts über Nato-Huren und Putin-Marionetten. Er kennt keine Unterscheidung in System-Schreiberlinge und Verschwörungstheoretiker. Und ihm ist egal, wie der Herausgeber einer Zeitung heißt.

Fabian Köhler hat in Jena und Damaskus Politik- und Islamwissenschaft studiert.

Als freier Journalist schreibt er für viele Magazine und Tageszeitungen über Flüchtlinge und Islam(ophobie) und reist durch den Nahen Osten oder das, was davon noch übrig ist.

© Camay Sungu
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