Faktoren der Wiedervereinigung
Helmut Kohl heißt der "Kanzler der Einheit". Aber haben wir wirklich ihm die Vereinigung Deutschlands im Jahr 1990 zu verdanken? Kohls Leistung ist unbestreitbar: Ohne Einverständnis der vier Siegermächte von 1945, vor allem der Amerikaner und der Russen, konnte Deutschland nicht vereinigt werden, weder rechtlich noch politisch.
Kohl hat den Vier dieses Einverständnis halb abgerungen, halb abgekauft. Niemand in Europa wollte, dass Deutschland wieder zum größten Staat des Kontinents würde, Kohl ereichte mit Hilfe der Amerikaner, dass sich Europa dennoch mit der Vereinigung der Deutschen abfand.
Aber all das war erst der zweite Schritt. Denn tätig werden für die Vereinigung konnte der Kanzler erst, als die DDR sich Ende 1989 in Auflösung befand und kaum mehr existenzfähig war. Also verdanken wir die Vereinigung den Ostdeutschen, die Honecker und seine ganze Mannschaft beharrlich demonstrierend aus den Ämtern drängten. Sie brachten die SED-Herrschaft und damit die DDR ans Ende. Sie durchbrachen die Mauer und öffneten eine Schleuse, die niemand mehr zu schließen vermochte. Deutschland floss zusammen, Vereinigung war die unausweichliche Folge.
Aber der Sieg des Volkes über seine Herren wurde erst möglich, als sich die Herren nicht mehr gegen das Volk wehrten. Erstmals seit vierzig Jahren schlug die Sowjetunion einen Aufstand in ihrem Imperium nicht gewaltsam nieder. Die Demonstranten in Leipzig und überall sonst hätten nicht widerstehen können, wenn wie am 17. Juni sowjetische Panzer gegen sie aufgefahren wären.
Aber weshalb hat die Moskauer Führung stillgehalten, als ihr ein wichtiges Land ihres Reiches zu entgleiten begann? Manche meinen, Ronald Reagan habe das bewirkt, der amerikanische Präsident der achtziger Jahre. Mit einer gigantischen Aufrüstung versuchte er, die Sowjetunion tot zu rüsten. Er zwang die Moskauer Führung, den Rüstungswettlauf aufzugeben und einigte sich mit Michail Gorbatschow, den Kalten Krieg zu beenden. Die deutsche Teilung war eine Folge des Kalten Krieges und konnte dessen Ende nicht überleben.
Aber warum war Gorbatschow bereit, sich mit Reagan zu einigen? Warum hat er sich dann 1990 mit der Vereinigung Deutschlands abgefunden und warum hat er sogar erlaubt, dass ganz Deutschland der Nato angehört? Kein Sowjetführer vor ihm, von Stalin bis Tschernenko, hätte seinen Teil Deutschlands aufgegeben und ins Bündnis des weltpolitischen Rivalen Amerika entlassen.
Es gibt hier nur eine Erklärung: Die Sowjetunion, wie die ganze kommunistische Welt, war am Ende. Sie konnte nicht mehr, wurde mit keiner wichtigen Aufgabe mehr fertig. Ihre Form zu regieren und die Wirtschaft zu führen, war an die letzte Grenze ihrer Möglichkeiten gelangt. Damit schwand auch die ideologische Selbstgewissheit. Die Gläubigen, ohnehin überall eine Minderheit, glaubten nicht mehr, und die Regierenden waren sich ihrer Sache und ihrer selbst nicht mehr sicher.
Die friedliche Revolution der Ostdeutschen, die kluge Diplomatie Helmut Kohls und die Amerikaner haben die Vereinigung Deutschlands zustande gebracht. Aber handeln konnten sie alle nur und Erfolg hatten sie, weil der Sowjetunion die Kraft ausgegangen war. Die Ursache aller Ursachen für die deutsche Einheit war der Verfall der Macht in Moskau, damit erschlaffte auch der Wille zur Macht.
Die Vereinigung der Deutschen gelang nicht deshalb, weil die Nation zu stark war, um die Teilung für immer zu ertragen; sie wurde möglich, weil die Sowjetunion zu schwach war, sich für immer in Mitteleuropa zu behaupten. Wäre sie bei Kräften geblieben, hätten nochmals vierzig Jahre Teilung Deutschlands und Trennung der Deutschen aus zwei Staaten zwei Nationen werden lassen – sehr weit waren wir schon 1989 davon nicht entfernt. Das sowjetische Imperium brach gerade rechtzeitig zusammen: Bundesrepublik und DDR konnten sich vereinigen, als die Deutschen sich noch als eine Nation empfanden. Wir hatten großes Glück.
Peter Bender, promovierter Althistoriker, ist seit 1954 Journalist und beschäftigt sich seitdem besonders intensiv mit dem Ost-West-Verhältnis in Deutschland und Europa. 1968/69 arbeitete er ein Jahr im 'Internationalen Institut für strategische Studien' in London, von 1973 bis 1975 war er ARD-Hörfunk-Korrespondent in Warschau. Peter Bender ist Autor zahlreicher Bücher, u.a. "Unsere Erbschaft. Was war die DDR - was bleibt von ihr?", "Die Neue Ostpolitik und ihre Folgen. Vom Mauerbau bis zur Vereinigung" und "Episode oder Epoche? Zur Geschichte des geteilten Deutschland"
Aber all das war erst der zweite Schritt. Denn tätig werden für die Vereinigung konnte der Kanzler erst, als die DDR sich Ende 1989 in Auflösung befand und kaum mehr existenzfähig war. Also verdanken wir die Vereinigung den Ostdeutschen, die Honecker und seine ganze Mannschaft beharrlich demonstrierend aus den Ämtern drängten. Sie brachten die SED-Herrschaft und damit die DDR ans Ende. Sie durchbrachen die Mauer und öffneten eine Schleuse, die niemand mehr zu schließen vermochte. Deutschland floss zusammen, Vereinigung war die unausweichliche Folge.
Aber der Sieg des Volkes über seine Herren wurde erst möglich, als sich die Herren nicht mehr gegen das Volk wehrten. Erstmals seit vierzig Jahren schlug die Sowjetunion einen Aufstand in ihrem Imperium nicht gewaltsam nieder. Die Demonstranten in Leipzig und überall sonst hätten nicht widerstehen können, wenn wie am 17. Juni sowjetische Panzer gegen sie aufgefahren wären.
Aber weshalb hat die Moskauer Führung stillgehalten, als ihr ein wichtiges Land ihres Reiches zu entgleiten begann? Manche meinen, Ronald Reagan habe das bewirkt, der amerikanische Präsident der achtziger Jahre. Mit einer gigantischen Aufrüstung versuchte er, die Sowjetunion tot zu rüsten. Er zwang die Moskauer Führung, den Rüstungswettlauf aufzugeben und einigte sich mit Michail Gorbatschow, den Kalten Krieg zu beenden. Die deutsche Teilung war eine Folge des Kalten Krieges und konnte dessen Ende nicht überleben.
Aber warum war Gorbatschow bereit, sich mit Reagan zu einigen? Warum hat er sich dann 1990 mit der Vereinigung Deutschlands abgefunden und warum hat er sogar erlaubt, dass ganz Deutschland der Nato angehört? Kein Sowjetführer vor ihm, von Stalin bis Tschernenko, hätte seinen Teil Deutschlands aufgegeben und ins Bündnis des weltpolitischen Rivalen Amerika entlassen.
Es gibt hier nur eine Erklärung: Die Sowjetunion, wie die ganze kommunistische Welt, war am Ende. Sie konnte nicht mehr, wurde mit keiner wichtigen Aufgabe mehr fertig. Ihre Form zu regieren und die Wirtschaft zu führen, war an die letzte Grenze ihrer Möglichkeiten gelangt. Damit schwand auch die ideologische Selbstgewissheit. Die Gläubigen, ohnehin überall eine Minderheit, glaubten nicht mehr, und die Regierenden waren sich ihrer Sache und ihrer selbst nicht mehr sicher.
Die friedliche Revolution der Ostdeutschen, die kluge Diplomatie Helmut Kohls und die Amerikaner haben die Vereinigung Deutschlands zustande gebracht. Aber handeln konnten sie alle nur und Erfolg hatten sie, weil der Sowjetunion die Kraft ausgegangen war. Die Ursache aller Ursachen für die deutsche Einheit war der Verfall der Macht in Moskau, damit erschlaffte auch der Wille zur Macht.
Die Vereinigung der Deutschen gelang nicht deshalb, weil die Nation zu stark war, um die Teilung für immer zu ertragen; sie wurde möglich, weil die Sowjetunion zu schwach war, sich für immer in Mitteleuropa zu behaupten. Wäre sie bei Kräften geblieben, hätten nochmals vierzig Jahre Teilung Deutschlands und Trennung der Deutschen aus zwei Staaten zwei Nationen werden lassen – sehr weit waren wir schon 1989 davon nicht entfernt. Das sowjetische Imperium brach gerade rechtzeitig zusammen: Bundesrepublik und DDR konnten sich vereinigen, als die Deutschen sich noch als eine Nation empfanden. Wir hatten großes Glück.
Peter Bender, promovierter Althistoriker, ist seit 1954 Journalist und beschäftigt sich seitdem besonders intensiv mit dem Ost-West-Verhältnis in Deutschland und Europa. 1968/69 arbeitete er ein Jahr im 'Internationalen Institut für strategische Studien' in London, von 1973 bis 1975 war er ARD-Hörfunk-Korrespondent in Warschau. Peter Bender ist Autor zahlreicher Bücher, u.a. "Unsere Erbschaft. Was war die DDR - was bleibt von ihr?", "Die Neue Ostpolitik und ihre Folgen. Vom Mauerbau bis zur Vereinigung" und "Episode oder Epoche? Zur Geschichte des geteilten Deutschland"