Familie als Drama
Mit "Feuergesicht" wurde Marius von Mayenburg vor zehn Jahren bekannt. Darin thematisierte er den Schrecken der Kleinfamilie, das Unvermögen von Eltern, Kontakt zu ihren Kindern zu halten. Seitdem kreisen Mayenburgs Stücke um die Familie als Drama - auch in seinem neuesten Werk "Der Stein" geht es darum.
Marius von Mayenburg ist geschafft. Von der Hitze, die über Salzburg hängt, von der Neufassung des Hamlet für den Schaubühnen-Auftritt in Athen vor drei Wochen, anschließend in Avignon, und von den schlechten Kritiken zu seinem im Mai uraufgeführten Stück "Der Hund, die Nacht und das Messer". In Salzburg gehen die kritischen Fragen gleich weiter. Warum heißt sein neuestes Werk "Eine deutsche Familiengeschichte" wenn es doch um ein fiktives Haus in Dresden geht, das im 20. Jahrhundert nacheinander von den verschiedensten Familien bewohnt wird? Angefangen von einer jüdischen Familie bis 1935. Nach deren Flucht zieht bereitwillig eine arisch-deutsche Familie ein. Dresden hernach als Schauplatz der DDR-Geschichte erlebt wie viele ostdeutsche Städte, dass die geflohenen ehemaligen DDR-Bürger nach der Wende das Haus zurückfordern.
"Das Haus bildet sozusagen ein Rahmen…"
sagt Marius von Mayenburg.
"Es geht darum wer, besitzt das Haus, wem gehört es. Ist es die jüdische Familie, die als erstes dort gewohnt hat, ist es die Familie, die es von denen abgenommen hat oder ist es die Familie, die in der DDR-Zeit dort gelebt hat. Wer hat den gültigsten Anspruch auf dieses Haus."
Nicht nur ein deutsches, ein europaweites Thema spricht Mayenburg in seinem Text an. Wer sieht nicht noch die Serben, die aus kroatischen Häusern winken, oder die Albaner, die im Kosovo in serbischen Häusern wohnen. Die Inbesitznahme von Räumen als Sinnbild des Sieges. Und als Umdeutung der Geschichte, wie Mayenburg andeutet. Denn der Titel "Der Stein" beziehe sich nicht auf irgendeinen Stein:
"Das ist ein ganz konkreter Stein, der durch eine Fensterscheibe durch dieses Haus geworfen wurde von den Nazis 1935, die noch der Meinung sind, dass dort eine jüdische Familie wohnt, es wohnt aber längst die nichtjüdische Familie da drin. Die heben diesen Stein auf als ein Symbol ihres Widerstands. Dieser Widerstand ist aber ein erfundener Widerstand."
Im Mittelpunkt von Mayenburgs Werk steht vor allem eine Frage: Wie funktioniert das Gedächtnis? "Manchmal", so schreibt Mayenburg im Programmheft, "wird Vergangenheit im Gedächtnis eingelagert wie Atommüll in einen Salzstollen. Jahrelang ruht sie, strahlt unmerklich ihren Gehalt ins Bewusstsein ab und wartet darauf, nach oben transportiert zu werden, um ihre kontaminierende Wirkung zu entfalten." Deutschland wird derzeit kontaminiert, meint der Autor, von der Verdrängung und Verharmlosung der Geschichte. Wurde in den 60er Jahren noch auf die Barrikaden gegangen gegen die "Nazi-Eltern", gehen Jugendliche heute in Filme über die Bombardierung von Dresden oder die letzten Tage von Hitler:
"2005 wird der Untergang gezeigt im Directors Cut und ich denke, wenn ich 2005 dreizehn Jahre alt bin, kriege ich eine andere Prägung und ein politisches Bewusstsein beigebracht, als das bei mir damals 1985 der Fall war. Da verändert sich was im Bewusstsein und in der Wahrnehmung der eigenen Identität. Das ist ein Punkt, den ich interessant finde, den ich wichtig finde, und wo ich nicht das Gefühl habe, diese Zeit ist vorbei, sondern die ist nach wie vor in uns, und wie wir uns selbst wahrnehmen, ist extrem wichtig."
Im kommenden Jahr jährt sich zum 60. Mal die Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Das durch die Kulturstiftung des Bundes geförderte Projekt "60 Jahre Deutschland – Annäherung an eine unbehagliche Identität" will dem Vergessen und Verharmlosen entgegentreten. Auch deshalb erklärte sich Mayenburg bereit, neben seinen Verpflichtungen als Dramaturg und Hausautor an der Berliner Schaubühne für Salzburg den Text zu schreiben:
"Ja, ich glaube, es ist mir unbehaglich. Mir ist es deshalb unbehaglich, weil das Deutschsein ja die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Menschen bedeutet, die man nicht alle kennt, auf die man auch nur mittelbar einen Einfluss hat und ich denke, mir würde es möglicherweise auch mit einer anderen Nationalität unbehaglich sein."
Marius von Mayenburg will mit seinem Stück "Der Stein" nur konstatieren und fragen, was ein altes Haus heute erzählen könnte. Weniger politisieren. Die Salzburger Festspiele stehen unter dem Motto "Denn stark wie die Liebe ist der Tod". Von dieser Vorgabe ist in seinem Text nichts zu finden, wie sich der geborene Münchner von jeher gegen jede Vereinnahmung seiner Werke in programmatische Leitbilder wehrt. Den Ansatz verfolgt der 36-Jährige auch als Juror bei der Auswahl neuer dramatischer Werke für die Schaubühne:
"Ich glaube, das Thematische, dass man jetzt sagt, wir brauchen ein Stück zur Globalisierung oder zur Wende, wo alle nach einem Wenderoman geschrien haben, dieses Thematische, da glaube ich irgendwie nicht so richtig dran. Da kann es von mir aus das fünfhundertste Familiendrama sein oder die fünfhundertste Zimmerschlacht mit zwei Paaren. Manche sind dann aber einfach überraschend, und das ist letztlich das, was für mich zählt, dass ich etwas mitgeteilt bekomme, was ich noch nicht weiß."
"Das Haus bildet sozusagen ein Rahmen…"
sagt Marius von Mayenburg.
"Es geht darum wer, besitzt das Haus, wem gehört es. Ist es die jüdische Familie, die als erstes dort gewohnt hat, ist es die Familie, die es von denen abgenommen hat oder ist es die Familie, die in der DDR-Zeit dort gelebt hat. Wer hat den gültigsten Anspruch auf dieses Haus."
Nicht nur ein deutsches, ein europaweites Thema spricht Mayenburg in seinem Text an. Wer sieht nicht noch die Serben, die aus kroatischen Häusern winken, oder die Albaner, die im Kosovo in serbischen Häusern wohnen. Die Inbesitznahme von Räumen als Sinnbild des Sieges. Und als Umdeutung der Geschichte, wie Mayenburg andeutet. Denn der Titel "Der Stein" beziehe sich nicht auf irgendeinen Stein:
"Das ist ein ganz konkreter Stein, der durch eine Fensterscheibe durch dieses Haus geworfen wurde von den Nazis 1935, die noch der Meinung sind, dass dort eine jüdische Familie wohnt, es wohnt aber längst die nichtjüdische Familie da drin. Die heben diesen Stein auf als ein Symbol ihres Widerstands. Dieser Widerstand ist aber ein erfundener Widerstand."
Im Mittelpunkt von Mayenburgs Werk steht vor allem eine Frage: Wie funktioniert das Gedächtnis? "Manchmal", so schreibt Mayenburg im Programmheft, "wird Vergangenheit im Gedächtnis eingelagert wie Atommüll in einen Salzstollen. Jahrelang ruht sie, strahlt unmerklich ihren Gehalt ins Bewusstsein ab und wartet darauf, nach oben transportiert zu werden, um ihre kontaminierende Wirkung zu entfalten." Deutschland wird derzeit kontaminiert, meint der Autor, von der Verdrängung und Verharmlosung der Geschichte. Wurde in den 60er Jahren noch auf die Barrikaden gegangen gegen die "Nazi-Eltern", gehen Jugendliche heute in Filme über die Bombardierung von Dresden oder die letzten Tage von Hitler:
"2005 wird der Untergang gezeigt im Directors Cut und ich denke, wenn ich 2005 dreizehn Jahre alt bin, kriege ich eine andere Prägung und ein politisches Bewusstsein beigebracht, als das bei mir damals 1985 der Fall war. Da verändert sich was im Bewusstsein und in der Wahrnehmung der eigenen Identität. Das ist ein Punkt, den ich interessant finde, den ich wichtig finde, und wo ich nicht das Gefühl habe, diese Zeit ist vorbei, sondern die ist nach wie vor in uns, und wie wir uns selbst wahrnehmen, ist extrem wichtig."
Im kommenden Jahr jährt sich zum 60. Mal die Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Das durch die Kulturstiftung des Bundes geförderte Projekt "60 Jahre Deutschland – Annäherung an eine unbehagliche Identität" will dem Vergessen und Verharmlosen entgegentreten. Auch deshalb erklärte sich Mayenburg bereit, neben seinen Verpflichtungen als Dramaturg und Hausautor an der Berliner Schaubühne für Salzburg den Text zu schreiben:
"Ja, ich glaube, es ist mir unbehaglich. Mir ist es deshalb unbehaglich, weil das Deutschsein ja die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Menschen bedeutet, die man nicht alle kennt, auf die man auch nur mittelbar einen Einfluss hat und ich denke, mir würde es möglicherweise auch mit einer anderen Nationalität unbehaglich sein."
Marius von Mayenburg will mit seinem Stück "Der Stein" nur konstatieren und fragen, was ein altes Haus heute erzählen könnte. Weniger politisieren. Die Salzburger Festspiele stehen unter dem Motto "Denn stark wie die Liebe ist der Tod". Von dieser Vorgabe ist in seinem Text nichts zu finden, wie sich der geborene Münchner von jeher gegen jede Vereinnahmung seiner Werke in programmatische Leitbilder wehrt. Den Ansatz verfolgt der 36-Jährige auch als Juror bei der Auswahl neuer dramatischer Werke für die Schaubühne:
"Ich glaube, das Thematische, dass man jetzt sagt, wir brauchen ein Stück zur Globalisierung oder zur Wende, wo alle nach einem Wenderoman geschrien haben, dieses Thematische, da glaube ich irgendwie nicht so richtig dran. Da kann es von mir aus das fünfhundertste Familiendrama sein oder die fünfhundertste Zimmerschlacht mit zwei Paaren. Manche sind dann aber einfach überraschend, und das ist letztlich das, was für mich zählt, dass ich etwas mitgeteilt bekomme, was ich noch nicht weiß."