Familie ist Folter
David Vann beschreibt in seinen Romanen die wahren Geschichten seiner Familie. Dabei geht es um Verzweiflung, Selbsttötung und Mord. Wer sich den Autor deshalb als einen depressiven oder zumindest doch geknickten Mann vorstellt, der irrt allerdings.
"Das Buch wird in jedem europäischen Land erscheinen … Türkei, Rumänien, Tschechien, Finnland. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich in 18 Sprachen übersetzt werde, zu internationalen Festivals reise und so viel Freiheit habe."
Gestern kam er aus den USA, morgen ist er in Hamburg, übermorgen in Mailand, sein Haus steht in Neuseeland, sein Boot liegt vor Kroatien - David Vann, in Alaska geboren und in Kalifornien aufgewachsen, kommt rum. Jetzt sitzt der Mittvierziger in einem unpersönlichen Mittelklasse Hotelzimmer in Potsdam. In einer knappen Stunde beginnt seine heutige Lesung. Er strahlt.
"Es gibt nicht viele Menschen, die ihrem Ideal eines möglichst selbstbestimmten Lebens so nahe kommen. Ich liebe es zu schreiben und begreife das nicht als Arbeit. Ich schreibe morgens ein paar Stunden, und alles, was dann den Rest des Tages passiert, ist gut, weil ich das tun konnte, was ich tun wollte. Danach habe ich jede Menge freie Zeit."
Zeit, die er zum Lesen, Gitarrespielen, zum Schwimmen oder Windsurfen und für private Studien nutzt.
Auf zur Lesung. Ein kleiner Spaziergang durch die Potsdamer Innenstadt. David Vann geht zügig. Ein sportlicher Mann. Er ist verheiratet. Kinder hat er nicht.
"Zum Teil auch wegen der beschissenen Geschichte meiner Familie mit fünf Suiziden und einem Mord und all den zerbrochenen Ehen und Scheidungen. Einmal gab es in meiner Familie elf Frauen, von denen nur eine einen Mann hatte."
David Vann lächelt für einen kleinen Moment etwas weniger strahlend. Seine Familie. Um die drehen sich seine Romane. Wahre Geschichten voller Abgründe, Verzweiflung und Tod. Er beschreibt sie auch in seinem neusten in Deutschland erschienenen Roman "Die Unermesslichkeit" mit einer Nüchternheit, die nur schwer auszuhalten ist.
Brückner: "Ich machte die Haustür auf, und meine Mutter hing vom Dachsparren. Entschuldigung, sagte ich, trat zurück und macht die Tür zu. Ich stand wieder auf der Veranda. Das hast du gesagt?, fragte Rhoda. Du hast gesagt Entschuldigung? Ja. Ich weiß nicht, wie sie aussah, als sie dort hing. Ich kann mich an nichts erinnern, nur an die Tatsache."
Gleich sein erster vor vier Jahren in den USA veröffentlichter Roman "Im Schatten des Vaters" brachte ihm den internationalen Durchbruch. Darin verarbeitet David Vann schonungslos die Geschichte seines Vaters. Der erschoss sich kurz nachdem er den damals zwölfjährigen David vergeblich gebeten hatte, mit ihm ein Jahr in der Wildnis Alaskas zu verbringen.
"30 Jahre lang war ich wütend auf meinen Vater. Der kleinste Teil davon war noch die unmittelbare Scham. Drei Jahre lang erzählte ich jedem, er sei an Krebs gestorben. Für 15 Jahre litt ich an Schlaflosigkeit. Ich hatte das Gefühl, dass auch ich mich umbringen werde, dass das mein Schicksal ist."
David Vann hat viele Jahre als Kapitän auf einem Segelschiff gearbeitet und in seiner freien Zeit geschrieben. Auf die Frage, ob seine Bücher eine Art Selbsttherapie sind, will er sich nicht direkt einlassen. Er lächelt sie weg.
"Für viele Menschen ist die Familie eine Folter. Ich kenne niemanden, der seine größten Verletzungen nicht durch die eigene Familie erfahren hat."
Dass seine Verwandten, auch seine Mutter, sich durch die Entblößung ihrer Geschichten und Geschichte von ihm abwenden könnten, nimmt er dabei in Kauf.
"Schreiben ist für mich wichtiger als alles andere. Ehrlich gesagt, würde ich für meine Bücher alles opfern – auch meine Familie und dieses Leben, das ich führe."
Die Abgründe und Traumata, die David Vann in seiner Kindheit und Jugend erfahren hat, lassen sich in der Begegnung mit ihm nicht greifen. Er zeigt keine Brüche, nur ein Lächeln, ein amerikanisches Lächeln. Breit und freundlich, mal mehr mal weniger strahlend. Die Abgründe stecken in seinen Büchern. Abgeschlossen und monströs.
Am Ende dieses Tages signiert er nach der Lesung seine Bücher im Potsdamer Waschhaus. Die Beziehungen, die er in seinen Büchern beschreibt, sind eine Katastrophe. Wie steht es da um seine eigene seit 14 Jahren bestehende Ehe? "Glücklich", sagt Vann und greift zum nächsten Buch. Von dessen Lektüre war seine Frau allerdings irritiert. Er lächelt.
"Es geht darin um eine Ehe. Und als meine Frau das gelesen hatte, kam sie zu mir und fragte: ‚Ist bei uns alles in Ordnung?’"
Gestern kam er aus den USA, morgen ist er in Hamburg, übermorgen in Mailand, sein Haus steht in Neuseeland, sein Boot liegt vor Kroatien - David Vann, in Alaska geboren und in Kalifornien aufgewachsen, kommt rum. Jetzt sitzt der Mittvierziger in einem unpersönlichen Mittelklasse Hotelzimmer in Potsdam. In einer knappen Stunde beginnt seine heutige Lesung. Er strahlt.
"Es gibt nicht viele Menschen, die ihrem Ideal eines möglichst selbstbestimmten Lebens so nahe kommen. Ich liebe es zu schreiben und begreife das nicht als Arbeit. Ich schreibe morgens ein paar Stunden, und alles, was dann den Rest des Tages passiert, ist gut, weil ich das tun konnte, was ich tun wollte. Danach habe ich jede Menge freie Zeit."
Zeit, die er zum Lesen, Gitarrespielen, zum Schwimmen oder Windsurfen und für private Studien nutzt.
Auf zur Lesung. Ein kleiner Spaziergang durch die Potsdamer Innenstadt. David Vann geht zügig. Ein sportlicher Mann. Er ist verheiratet. Kinder hat er nicht.
"Zum Teil auch wegen der beschissenen Geschichte meiner Familie mit fünf Suiziden und einem Mord und all den zerbrochenen Ehen und Scheidungen. Einmal gab es in meiner Familie elf Frauen, von denen nur eine einen Mann hatte."
David Vann lächelt für einen kleinen Moment etwas weniger strahlend. Seine Familie. Um die drehen sich seine Romane. Wahre Geschichten voller Abgründe, Verzweiflung und Tod. Er beschreibt sie auch in seinem neusten in Deutschland erschienenen Roman "Die Unermesslichkeit" mit einer Nüchternheit, die nur schwer auszuhalten ist.
Brückner: "Ich machte die Haustür auf, und meine Mutter hing vom Dachsparren. Entschuldigung, sagte ich, trat zurück und macht die Tür zu. Ich stand wieder auf der Veranda. Das hast du gesagt?, fragte Rhoda. Du hast gesagt Entschuldigung? Ja. Ich weiß nicht, wie sie aussah, als sie dort hing. Ich kann mich an nichts erinnern, nur an die Tatsache."
Gleich sein erster vor vier Jahren in den USA veröffentlichter Roman "Im Schatten des Vaters" brachte ihm den internationalen Durchbruch. Darin verarbeitet David Vann schonungslos die Geschichte seines Vaters. Der erschoss sich kurz nachdem er den damals zwölfjährigen David vergeblich gebeten hatte, mit ihm ein Jahr in der Wildnis Alaskas zu verbringen.
"30 Jahre lang war ich wütend auf meinen Vater. Der kleinste Teil davon war noch die unmittelbare Scham. Drei Jahre lang erzählte ich jedem, er sei an Krebs gestorben. Für 15 Jahre litt ich an Schlaflosigkeit. Ich hatte das Gefühl, dass auch ich mich umbringen werde, dass das mein Schicksal ist."
David Vann hat viele Jahre als Kapitän auf einem Segelschiff gearbeitet und in seiner freien Zeit geschrieben. Auf die Frage, ob seine Bücher eine Art Selbsttherapie sind, will er sich nicht direkt einlassen. Er lächelt sie weg.
"Für viele Menschen ist die Familie eine Folter. Ich kenne niemanden, der seine größten Verletzungen nicht durch die eigene Familie erfahren hat."
Dass seine Verwandten, auch seine Mutter, sich durch die Entblößung ihrer Geschichten und Geschichte von ihm abwenden könnten, nimmt er dabei in Kauf.
"Schreiben ist für mich wichtiger als alles andere. Ehrlich gesagt, würde ich für meine Bücher alles opfern – auch meine Familie und dieses Leben, das ich führe."
Die Abgründe und Traumata, die David Vann in seiner Kindheit und Jugend erfahren hat, lassen sich in der Begegnung mit ihm nicht greifen. Er zeigt keine Brüche, nur ein Lächeln, ein amerikanisches Lächeln. Breit und freundlich, mal mehr mal weniger strahlend. Die Abgründe stecken in seinen Büchern. Abgeschlossen und monströs.
Am Ende dieses Tages signiert er nach der Lesung seine Bücher im Potsdamer Waschhaus. Die Beziehungen, die er in seinen Büchern beschreibt, sind eine Katastrophe. Wie steht es da um seine eigene seit 14 Jahren bestehende Ehe? "Glücklich", sagt Vann und greift zum nächsten Buch. Von dessen Lektüre war seine Frau allerdings irritiert. Er lächelt.
"Es geht darin um eine Ehe. Und als meine Frau das gelesen hatte, kam sie zu mir und fragte: ‚Ist bei uns alles in Ordnung?’"