Familiengeschichte

Kindheit zwischen Kunstschätzen

Von Eva Hepper |
Aufgewachsen in der Münchener Pinakothek und dem Nationalmuseum: Konrad O. Bernheimer berichtet von seinem Leben zwischen Kunstwerken und der Geschichte einer inzwischen 150-jährigen Kunsthändlerdynastie aus München.
Den Unterschied zwischen einem türkischen und einem persischen Teppichknoten kannte er schon als Kind. Und auch den je eigenen Pinselstrich El Grecos, Tizians oder Altdorfers wusste er mühelos zu identifizieren. Schließlich könne er wirklich von sich behaupten, so Konrad O. Bernheimer, in der Münchener Pinakothek und dem Nationalmuseum aufgewachsen zu sein.
Tatsächlich wurde der 1950 geborene Spross der bedeutenden jüdischen Kunsthändlerfamilie nicht zuletzt durch unzählige Museumsbesuche an der Hand des Großvaters Otto auf seine Zukunft vorbereitet. Immerhin war die Firma Bernheimer, gegründet 1864 in München, ein Traditionsunternehmen der besonderen Art. So handverlesen wie die Waren - Teppiche, Tapisserien, Stoffe, Stickereien, Möbel und Kunstgegenstände -, so exquisit war auch die Kundschaft: Bei Bernheimer kauften Königs- und Fürstenhäuser aus ganz Europa, von König Ludwig II. über Prinzregent Luitpold bis König Carol von Rumänien, dazu Malerfürsten wie Franz von Stuck und Stahlbarone wie die Krupps.
Viele Geschichten in einer großen
Zum (fast) 150-jährigen Firmenjubiläum erzählt nun der erfolgreich in die Fußstapfen des Großvaters beziehungsweise der Großväter getretene Konrad O. Bernheimer erstmals die wechselvolle Geschichte seiner Familie. Tatsächlich sind es viele Geschichten in einer großen, und verbunden sind sie alle unmittelbar mit großen Umbrüchen der deutschen Geschichte.
So berichtet Bernheimer auf fast 400 Seiten vom Aufstieg der Firma in den Gründerzeitjahren, der nahezu perfekten Assimilierung der Familie Anfang des 20. Jahrhunderts, dem zunehmenden Antisemitismus der Weimarer Jahre, der Enteignung und Vertreibung durch die Nationalsozialisten 1938, dem Neuanfang als Kaffeeplantagenbesitzer in Venezuela und der Rückkehr der Familie und dem Wiederaufbau der Firma nach 1945. Außerdem thematisiert der Autor Restitutionsfragen, die Neupositionierung des Hauses im Kunstsektor und aktuelle Geschäftsmethoden in einem immer turbulenter werdenden Kunstmarkt.
Eine Erzählung über das "Schweigen der Opfer"
Das ist nicht wenig, und dennoch geht es in diesem Buch um mehr, liegt doch das Schicksal des Vaters Konrad O. Bernheimers wie ein Bassgrundton unter der gesamten Erzählung. Tatsächlich hatte Kurt Bernheimer (*1911) die Inhaftierung und Folterung im Dachauer Konzentrationslager nach der Reichspogromnacht niemals verwunden und sich 1954, der Sohn war gerade vier Jahre alt, in Venezuela das Leben genommen. Offiziell sprach man von einem Unfall. Weder hatte der Vater jemals über die schrecklichen Erfahrungen im KZ sprechen können, noch der Sohn Jahrzehnte später mit seiner Mutter über dessen Tod. So ist diese Familienbiografie auch eine Erzählung über das "Schweigen der Opfer".
Trotz des inhaltlichen Gewichtes ist sie in leichtem Ton gehalten. Anrührend, wenn es um die Familienbande, spannend, wenn es ums Geschäft geht. Allein die Gewichtung der Geschehnisse überrascht. Nur knapp 100 Seiten widmet der Autor der Zeit bis 1938, dem Heute räumt er das Doppelte ein. Nach vorne schauen, war allerdings auch schon die Losung des Großvaters.

Konrad O. Bernheimer: Narwalzahn und Alte Meister. Aus dem Leben einer Kunsthändlerdynastie

Hoffmann und Campe 2013

381 Seiten, 25 Euro