Es mag auf der einen Seite das höchste Glück bedeuten, aber auf der anderen Seite auch eine erdrückende Last beschreiben.
Fotoband "Family Affairs"
Der Bildband "Family Affairs" zeigt Fotostrecken mit Familien aus aller Welt. © Deichtorhallen Hamburg / Henning Rogge
Machtvolles Geflecht von Beziehungen
16:25 Minuten
Der Kern der Gesellschaft ist die Familie, nichts prägt uns so sehr. Der Band "Family Affairs" versammelt dazu Fotografien von internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Er zeigt nicht nur heile Welt, sondern auch die Brüchigkeit des Familienkonstrukts.
„Family Affairs - Familie in der aktuellen Fotografie“ heißt ein edler, in rotes Leinen eingeschlagener Band mit Familienfotos, die von Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt aufgenommen und arrangiert wurden. Er basiert auf der Ausstellung mit demselben Titel, die im Frühjahr in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen war. 23 Künstlerinnen und Künstler aus vier Kontinenten waren dort mit Fotografien aus den vergangenen 15 Jahren versammelt.
„Bei dieser Ausstellung haben wir uns mit dem Kern der Gesellschaft beschäftigt, mit der Familie“, sagt Ingo Taubhorn, der die Ausstellung konzipiert und kuratiert hat. Denn nichts sei so prägend für einen Menschen wie die Herkunft. Familie sei ein sehr machtvolles Geflecht von Beziehungen.
Außerdem sei es bei der Schau darum gegangen, visuell darzustellen, was sich in vergangenen Jahrzehnten in Sachen Familie verändert habe, erklärt Taubhorn: Familie wird nicht mehr nur als Vater, Mutter, Kind gesehen; die Rolle der Frau innerhalb der Familie ist eine andere als annodazumal; der Generationenkonflikt zwischen Jung und Alt ist ein neuer.
Die Bilder vermittelten auch die Brüchigkeit der Familien, betont Taubhorn: „Es ist nicht immer nur die schöne, heile Welt.“ Die Fotografen zeigten das auf eine sehr moderne Art und Weise.
Nachgestellte Familien
Der Katalog zur Ausstellung sollte eine Art Familienalbum werden, sagt Brigitte Woischnik, die das Buch gestaltet hat. Es habe zwei Teile: Der erste versammle Fotografen, die sich alleine mit dem Thema Familie auseinandergesetzt hätten, der zweite bestehe aus Gruppenfotografien.
Zum Beispiel die US-Fotografin Jamie Diamond: Sie hat besondere Familien-Gruppenbilder geschaffen. Diamond hat Familien mit Statisten nachgestellt. Sie mache das mit großer Sensibilität und einem guten Blick für die Details, erklärt Woischnik. Und kreiere eine Familie, die nicht real sei: „Man könnte fast sagen, das ist eine Ersatzfamilie.“
Ein anderes Beispiel ist die 1990 geborene südafrikanische Künstlerin Lebohang Kganye. Sie verhandle auf ihren Bildern ihre Herkunft und das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter, so Ingo Taubhorn.
Nach dem Tod ihrer Mutter erbte sie unter anderem Selbstporträts der Mutter und auch Kleider von ihr. Einige Jahre später begann sie, in den Kleidern der Mutter deren Selbstporträts nachzustellen. Digital verband sie beide Bilder.
Was hat mir Mutter mitgegeben?
„Was gibt meine Mutter, was geben meine Eltern mir eigentlich mit? Was drücke ich noch aus von dem, was meine Herkunft ausmacht?“ Das sind die Fragen, die Lebohang Kganyes Bilder stellen.
Zugleich seien sie aber auch ein politisches Statement, da die Selbstporträts der Mutter in den 1970er-Jahren während der Apartheid entstanden seien, so Taubhorn.
„Wir sehen auf diesen Bildern nicht das Klischee beziehungsweise das, was uns das Regime vermitteln will: eine arme Gesellschaft von schwarzen Menschen. Sondern man sieht eine sehr moderne Frau, die sich präsentiert.“
(abr)