Alina Schwermer: "Wir sind der Verein"
Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2018, 224 Seiten, 16,90 Euro
Der Traum von der Basisdemokratie im Fußball
Das Geld bestimmt im Fußball alles überall! Überall? - Nicht überall. Es gibt auch Vereine in den Händen von Fans. Die Sportjournalistin Alina Schwermer porträtiert in ihrem Buch "Wir sind der Verein" neun dieser basisdemokratischen Klubs.
Der englische Klub AFC Telford United sei ein interessantes Beispiel für einen Klub in Fan-Hand, findet Alina Schwermer. Die Sportjournalistin hat ein Buch über solche Vereine geschrieben. Interessant an AFC Telford United ist unter anderem das Vereinsprojekt Ucare, bei dem sich Fans für Demenzkranke im Stadion engagieren.
"Ganz allgemein ist das eine total auffällige Sache bei fast allen fangeführten Vereinen, dass man unheimlich idealistisch ist, dass man Projekte macht, für Frauenfußball, gegen Homophobie, dass man zum Beispiel Teams mit Migrantenkindern aufbaut."
"Revolte" in Salzburg
Auch in Salzburg entstand vor zwölf Jahren ein fangeführter Verein: Die Fans revoltierten gegen die Übernahme des Klubs durch den Getränke-Konzern Red Bull. Die Fans hatten "erstmal eine ganze Weile versucht, sich innerhalb des Vereins gegen Red Bull zu wehren. Als das nicht geklappt hat, haben sie die große Entscheidung getroffen, den Verein gewissermaßen neuzugründen – oder den alten Verein selbst wieder zu gründen, nämlich als SV Austria Salzburg, in den traditionellen Farben, Violett und Weiß, und diesen Verein selbst als fangeführten Verein neu aufzubauen."
Die große Frage nach dem Erfolg
Doch viele fangeführte Clubs aus Schwermers Buch sind gescheitert - sie stolpern über die Hürde der "Erfolgsfrage". Schließlich wollen die Fans Erfolge sehen. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass Fan-Vereine per se weniger Geld zur Verfügung hätten als die Konkurrenz. Hier mangelt es an den Reglements, die gleiche Ausgangsbedingungen gegenüber den Rivalen schaffen. Schwermer spricht von Spannungen, "weil man sich als Fan überlegt, vielleicht möchte ich doch eines Tages nicht mehr gegen Kleinkleckersdorf spielen."
"Das ganz, ganz große Versprechen ist schwierig einzulösen", sagt Alina Schwermer zur Idee, den Fußball wieder aus dem Kommerz rauszuholen. Viele Fan-Vereine würden ganz enthusiastisch beginnen und wollten eigentlich alles verändern. Die zahlreichen Regeln stehen den großen Entwürfen jedoch oft entgegen. Aber: "Man kann Kleinteile verändern, und das ist ja auch das Schöne an Basisdemokratie oder an Graswurzelprojekten, dass man sich dann am Ende im Idealfall über die Kleinigkeiten freut, an denen man schrauben konnte."
"Nicht zu groß werden"
Worauf sollten Fan-Vereine also achten? Schwermer rät dazu, "sich mit anderen Fan-Vereinen zu vernetzen, um aus deren Erfahrungen zu lernen".
Schließlich ist es aber auch "wichtig – so ironisch das klingt – nicht zu groß zu werden. Es funktioniert dort relativ gut, wo man relativ übersichtlich ist, wo Versammlungen so funktionieren, dass alle Auge in Auge miteinander diskutieren können".
Auch Grenzen sollte man ziehen: "Dass man zum einen sehr darauf achtet, dass Fans immer weiter eingebunden bleiben, dass man nicht dieser Gier nach Erfolg verfällt. Und dass man zum anderen auch eine klare Linie zieht, ab dem Punkt sollen Fans nicht mehr mitentscheiden können: Wenn es zum Beispiel ums Sportliche geht. Es gab ja Projekte wie Fortuna Köln, die dann bis hin zur Trainerentlassung oder Trainereinstellung alles die Fans entscheiden lassen wollten – was einfach Quatsch ist, weil ich als Fan überhaupt nicht die Kompetenz habe, über solche Dinge zu entscheiden."
Die Fans mögen zwar jeder für sich eine klare Meinung vertreten, doch den Gedanken, dass daraus in der Masse klügere Entscheidungen entstehen, hält Schwermer für naiv. (mf/thg)