Fans im Fußballstadion
Bei ungünstigen Windverhältnissen können sich belastete Aerosole durchaus gut verbreiten, sagt Physiker Eberhard Bodenschatz. © picture alliance / AP / Marko Djurica
Leichtes Spiel für die Delta-Variante?
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Obwohl sich die Delta-Variante vielerorts ausbreitet, verfolgen tausende Fans die EM im Stadion - viele ohne Maske. Dem Aerosolforscher Eberhard Bodenschatz ist bei diesem Anblick mulmig zumute, vor allem wenn Schutzmaßnahmen umgangen werden.
Die Delta-Variante ist Analysen zufolge deutlich ansteckender als der so genannte Wildtyp des Coronavirus. Laut der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) ist das Ansteckungsrisiko um etwa 60 Prozent höher. Eberhard Bodenschatz, Direktor des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen, geht von einem noch höheren Wert aus - nämlich von 70 Prozent.
"Was uns natürlich schützt, ist, dass die Atemluft warm ist - sie steigt nach oben", so Bodenschatz. Aber: Es bestehe auch die Gefahr, dass Luft zur Seite verweht werde. Sollte man der Atemluft einer oder mehrerer Infizierter länger ausgesetzt sein, dann sei das Risiko einer Ansteckung sehr hoch. "Es hängt sehr stark von den Windverhältnissen und den Strömungen im Stadion ab."
Um möglichen Ansteckungen vorzubeugen, darf in den jeweiligen EM-Stadien nicht jeder Platz besetzt sein. Laut Bodenschatz kann dieses System durchaus funktionieren - unter bestimmten Bedingungen: "Wenn alle Personen negativ getestet sind und eine Maske tragen, würde ich sagen, es ist okay - aber ohne Maske würde es mir etwas mulmig." Die Kombination von Tests und Masken bedeute hingegen eine "extreme Reduktion" des Risikos.
In geschlossenen Räumen ist das Ansteckungsrisiko noch einmal deutlich höher. Befinde man sich in der direkten Atemluft einer infizierten Person, beispielsweise durch den Rauch einer Zigarette, könne sich die Delta-Variante sehr schnell übertragen, so der Physiker. Bleibe man der Luft drei bis vier Minuten ausgesetzt, "dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich angesteckt habe, fast 100 Prozent."
Eltern und Schulen machen sich Sorgen darüber, wie es angesichts der Delta-Variante nach dem Sommerferien weitergehen kann. Das Problem ließe sich relativ leicht lösen, meint Bodenschatz - "durch einen Ventilator, der im Fenster eingebaut ist und der von außen frische Luft einsaugt." So lasse sich vier bis fünf Mal pro Stunde ein Luftwechsel im Raum erreichen. Entsprechende Tests hätten das gezeigt. Präsenzunterricht hält Bodenschatz damit durchaus für denkbar. Ventilatoren seien zudem kostenkünstiger und ökologischer als Luftfilter.
(ckü)