Von den Höhen und Tiefen sportlicher Leidenschaft
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In internationalen Reportagen blicken Ilija Trojanow und Klaus Zeyringer auf diverse Sportarten, erzählen von Bierduschen und Fangesängen. Und sie erklären, warum Sportbegeisterung trotz vieler Betrügereien nicht totzukriegen ist.
Rezensent Arno Orzessek ist sich nicht sicher, ob das Buch auch etwas für "sport-averse" Menschen ist. Er selbst hat es gern gelesen, weil er, wie er sagt, selbst dem Sport huldigt "und zwar auch, was den passiven TV-Sport angeht, der hier eine gewisse Rolle spielt".
Für Orzessek kommt das Buch weder hochliterarisch, noch irgendwie nüchtern-akademisch daher. Für ihn ist "Fans: Von den Höhen und Tiefen sportlicher Leidenschaft" ein Mix aus guter Sport- und Reisereportage, aus kulturkritischem Essayismus und sehr leicht verdaulicher Sportsoziologie. Seiner Meinung nach erfüllt es die Erwartung, wenn zwei Sportsüchtige über ihre Leidenschaft schreiben.
Teilnehmende Beobachter
Für das Buch sind Trojanow und Zeyringer durch Arenen und Stadien auf mehreren Kontinenten gezogen, um dort andere Fans zu beobachten. Bei ihrer "teilnehmenden Beobachtung" konnten sie unter anderem Unterschiede zwischen Fankulturen derselben Sportart herausarbeiten, sagt Orzessek. "Beispiel Tennis: Man kann das ja beobachten, wenn man jetzt diese etwas altehrwürdige Attitüde von Wimbledon mit den eher lauten und frechen der US Open im Tennis vergleicht, in New York. Und Snooker-Fans, die sitzen da wie in der Kirche, während die Darts-Fans aus Ally Pally jetzt mehr so auf Ballermann machen."
Auch Missstände und Skandale verschweigen die Autoren nicht, urteilt Orzessek. "Sie erzählen von Fans, die ihr allerletztes Geld ausgeben, um irgendwelchen Multimillionären zusehen zu können. Sie blicken auf den dubiosen, teils ja sogar mafiosen Wettmarkt, die Aggressivität in den Stadien, den Nationalismus, der sich am Rande von so manchem Ereignis Bahn bricht."
Auch den Chauvinismus und Sexismus, der lange Zeit in der Formel 1 zu beobachten gewesen sei, werde nicht verschwiegen, sagt Orzessek. "Das alles wird erwähnt, auch die dominante Männlichkeit in vielen Sportarten. Es wird auch teils scharf kritisiert. Aber aufs Ganze gesehen vermittelt sich der Eindruck: Der Sport und die Liebe der Fans zu ihrem Sport, zu ihren Vereinen, zu ihren Ritualen, zu ihren Idolen, ist letztlich größer und wichtiger als die Missstände, so übel sie sind. Fans, denke ich, werden das verstehen und für selbstverständlich halten. Sportfremde womöglich nicht."
Starke Zitate
Nach Arno Orzesseks Ansicht haben die Autoren gut gearbeitet. Das sehe man an ihren Texten. Sie hätten starke Zitate zur Hand. "Etwa: Cricket ist ein Spiel, das zufällig von Briten erfunden wurde und von Indern gespielt wird. Sie schreiben selbst pointiert. Zum Beispiel, und da hört man eine gewisse Abneigung, Baseball ist ein Sport für Erbsenzähler. Und sie kennen die guten Anekdoten, zum Beispiel von dem Komponisten Dmitri Schostakowitsch, der ein Fan von Zenit Leningrad war und sich alles aufgeschrieben hat, was man über Fußball wissen und erfahren konnte. Und der gesagt hat, und wir sind hier in der Zeit des Stalinismus, das Stadion sei der einzige Ort, wo man laut die Wahrheit über das sagen kann, was man sieht. Das ist natürlich großartig, wenn´s stimmt. "
„Fans: Von den Höhen und Tiefen sportlicher Leidenschaft“, 272 Seiten, Verlag: S. Fischer, 26 €.