Das Fantasy Filmfestival startet am Mittwoch (17.8.) in Berlin. Einen Tag später beginnt es in Nürnberg. Später kommt es noch nach München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Hamburg.
Das Geisterhaus von Teheran
Das Fantasy Filmfest zeigt anspruchsvolles Kunstkino. Diesmal ist sogar ein Geisterfilm dabei, der in Teheran während des Krieges spielt. Den High-class-Horror gibt es ab Mittwoch in Berlin und anderen deutschen Großstädten zu sehen. Vier Horrorstreifen stellen wir vor.
"Under the Shadow" - Horror aus Teheran
Nein, einen Horrorfilm aus dem Iran kann das Fantasyfilm Festival nicht präsentieren. "Under the Shadow" ist eine britisch-jordanische Koproduktion, die allerdings in Teheran spielt und komplett auf Farsi gedreht wurde. Eine halbe Stunde lang passiert nichts Übernatürliches.
Das ist ungewöhnlich für einen Geisterfilm, aber Regisseur Babak Anvari geht es um mehr als spannende Unterhaltung. Er zeigt den Alltag einer iranischen Intellektuellen im Jahr 1988, der sich kaum von der Gegenwart unterscheidet. In der ersten Szene versucht Shideh, wieder als Medizinstudentin an der Universität zugelassen zu werden, hat aber keine Chance.
Zu Hause führt sie ein westlich geprägtes Leben und hält sich mit Jane Fondas Aerobic-Videos fit. Draußen muss sie Kopftuch tragen und sich anpassen. Ihr Mann ist Arzt und wird an die Front versetzt. Iran führt Krieg gegen den Irak. Shideh bleibt allein mit ihrer Tochter Dorsa zurück, während in Teheran die Bomben einschlagen. Schließlich trifft eine das Haus.
Als Dorsa plötzlich von Geistern erzählt, die ihre Lieblingspuppe entführen, glaubt ihre Mutter, das Kind habe Angst wegen der Bomben. Aber die seltsamen Ereignisse nehmen zu, und eine kurdische Nachbarin übernimmt die geisterfilmtypische Rolle der warnenden Stimme. Sie berichtet, dass Dschinns im Koran häufig erwähnt werden und nach islamischem Glauben zusammen mit den Menschen die Erde bevölkern. "Under the Shadow" wird nun zu einem packenden Horrorfilm mit perfekt gesetzten Schocks.
Aber die politische Dimension verliert der im Iran geborene und in Großbritannien lebende Babak Anvari niemals aus den Augen. Als Shideh einmal in Panik mit ihrer Tochter aus dem Haus stürmt, gerät sie in die Hände der Polizei, weil sie unangemessen gekleidet ist. Die Bedrohung, die vom Staat ausgeht, ist keinesfalls geringer als die durch den Dschinn.
"We are the flesh" – Ein surrealer Albtraum
In kompletter Dunkelheit beginnt der mexikanische Film "Tenemos la carne" oder "We are the flesh". Ein Atmen nähert sich, dann wird das Gesicht eines Mannes mit scharf geschnittenen Gesichtszügen und wahnsinnig starrenden Augen sichtbar. Wie "Under the Shadow" spielt auch dieser Film fast ausschließlich in einem Haus. Die Welt draußen scheint zerstört, ein junges Paar rettet sich in das Gebäude, dass der seltsame Mariano allein bewohnt.
Er zwingt die beiden zu seltsamen Ritualen, mit Gaffertapes kleben die drei aus Pappe und Plastik eine Art Labyrinth zusammen. Während Mariano im erregten Flüsterton über die Nichtexistenz der Liebe philosophiert, über das Fleisch als Geist und kosmische Zusammenhänge.
Der Film wird zu einem surrealen Albtraum. Menschen sterben und werden wieder geboren, im Papplabyrinth gibt es sexuelle Orgien, Machtspiele, Experimente am menschlichen Körper. "We are the flesh" ist eine verstörende Erfahrung fast ohne Handlung, alle Hemmschwellen fallen, das Denken weicht der puren Hingabe an den körperlichen Exzess.
Regisseur und Drehbuchautor Emiliano Rocha Minter hat einen ebenso ekelhaften wie faszinierenden Film geschaffen, der wie "Under the Shadow" beim Fantasy Filmfest in der Nachwuchsreihe "Fresh Blood" läuft.
"Don't kill it!" – Ein mieser, billiger Horrorfilm
Der Mann, der hier so hingebungsvoll würgt, ist Dolph Lundgren und eigentlich ein alternder Actionstar, der schon in seiner großen Zeit nur in der zweiten Liga spielte. Doch wenn ein Film mit ihm als "Director's Spotlight" beim Fantasy Filmfest läuft, sind die Erwartungen höher. Zu Unrecht, denn "Don´t kill it!" entpuppt sich als mieser, billiger Horrorfilm mit aufgesetzter Selbstironie. Der einzige Grund, ihn ins Programm zu nehmen, besteht wohl darin, dass Regisseur Mike Mendez schon Besseres gedreht hat und persönlich nach Berlin kommt. Als Nachtvorstellung mit verpflichtendem vorherigen Alkoholkonsum könnte das Machwerk noch durchgehen, als besonders heraus gestellter Höhepunkt schadet es dem Ruf des Festivals.
Japanischer Thriller "Creepy" - Massenmörder mal anders
Ein viel besserer Film für das "Director's Spotlight" wäre der japanische Serienkillerthriller "Creepy" gewesen. Denn er ist eine echte Überraschung. Massenmörder sind scheinbar längst von allen Seiten durchleuchtet worden. Wenn es in der Realität so viele gäbe wie im Film, hätte die Erde kein Problem mit der Überbevölkerung. Aber der mehrfach in Cannes ausgezeichnete Regisseur Kiyoshi Kurosawa findet in der Verfilmung eines in Japan sehr bekannten Bestsellers wahrhaftig einen neuen Dreh.
Nach einem traumatisierenden Erlebnis kündigt der Profiler Takakura bei der Polizei und wird Dozent für Kriminalpsychologie. Er zieht mit seiner Frau in ein neues Haus und lernt einen Nachbarn kennen, der so unangenehm ist, dass er allein den Filmtitel "Creepy" rechtfertigt. Gleichzeitig recherchiert Takakura doch wieder in einem alten, ungeklärten Fall.
Kurosawa erzählt seine Geschichte ruhig und analytisch, die abrupten Wendungen überraschen und schockieren. Und schließlich entdeckt Takakura wahrhaftig einen Serienkiller neuen Typs, beängstigend und raffiniert. Für solche Filme, die auf innovative Weise Spannung erzeugen und darüber hinaus einen kritischen gesellschaftlichen Blick entwickeln, steht das Fantasy Filmfest.