"Herr der Ringe" wird 60 Jahre alt
Seit genau 60 Jahren herrscht der "Herr der Ringe" über die Fantasie von Millionen von Lesern. Am 29. Juli 1954 erschien der erste Band von Tolkiens wegweisendem Meisterwerk. Und bis heute siegt in seiner Welt das Gute immer über das Böse.
"Als Herr Bilbo Beutlin von Beutelsend ankündigte, dass er demnächst zur Feier seines einundelfzigsten Geburtstages ein besonders prächtiges Fest geben wolle, war des Geredes und der Aufregung in Hobbingen kein Ende."
Der erste Satz des ersten Buchs der Trilogie "Der Herr der Ringe": Bereits 62 Jahre alt ist J.R.R. Tolkien, als sein Werk 1954 veröffentlicht wird. Die Sagenwelt von Mittelerde mit ihren Hobbits und ihren Elfen hat er bereits in "Der kleine Hobbit" erschaffen, dem Vorläufer:
"Diesmal wollte ich versuchen, eine wirklich lange, eine ausführliche Geschichte zu erzählen – um zu sehen, ob ich genügend Material hatte, und ob ich alles so erzählen konnte, dass der Leser bis zum Ende gefesselt ist."
"Mentales Möbelstück in unserem Kulturraum"
Das gelingt ihm zweifelsohne: Tolkien schafft einen Klassiker der Fantasy-Literatur – und begründet einen Boom, der bis heute anhält: Später reüssiert Marion Zimmer Bradley mit "Die Nebel von Avalon", Joanne K. Rowling ersinnt "Harry Potter", und heutzutage sind Millionen süchtig nach "Game of Thrones". Erst "Der Herr der Ringe" habe dafür den Weg bereitet, sagt Tolkien-Experte Tom Shippey - jeder kennt doch dieses Buch, auch wenn er es vielleicht nie gelesen hat. "Der Herr der Ringe" sei wie ein "mentales Möbelstück in unserem Kulturraum", so Shippey.
In Oxford, im Pub "Eagle and Child", trinkt der vierfache Vater Tolkien gern ein Bier mit C.S. Lewis – dem Autor der "Chroniken von Narnia" - und taucht sich mit ihm aus über das Fantastische. Dem ersten Ringe-Band "Die Gefährten" folgen die Bände "Die zwei Türme" und "Die Rückkehr des Königs" – die nicht nur in Großbritannien, sondern weltweit ein Erfolg werden; als Buch, als Hörspiel, als Film:
"Die Geschichte spielt zwar in einer englisch geprägten Welt – aber sie spricht Leser rund um den Globus an. Und das liegt daran, dass Tolkien sich damit befasst, was uns als menschliche Wesen ausmacht."
So urteilt sein Biograph Colin Duriez. Das Epos dreht sich um den Besitz eines mächtigen Rings: Die Guten kämpfen gegen die Bösen, es gibt Siege und Niederlagen, Neid und Verrat, die Protagonisten werden ungewollt zu Helden – und leisten dabei Erstaunliches. Tolkien selbst erlebt den Ersten Weltkrieg an der Front; letztlich, sagt er, geht es doch immer um den Tod:
Tolkien arbeitet eng mit deutscher Übersetzerin zusammen
Erst 1969 kommt "Der Herr der Ringe" in Deutschland auf den Markt; Tolkien arbeitet eng mit der ersten Übersetzerin zusammen, damit alle Namen möglichst passend übertragen werden. Schließlich hat der Sprachforscher all seine fiktiven Figuren, ihre Vorgeschichte, ihre Heimat detailreich skizziert:
"Ich liebe es, mit Wörtern zu spielen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, wenn Menschen Sprache trocken finden. Eine neue Sprache schmeckt doch wie ein neuer Wein, eine neue Süßigkeit."
Die zeitgenössischen Rezensenten sind zwar angetan von "Der Herr der Ringe", schieben Tolkien jedoch in die Fantasy-Ecke ab, fernab der "echten", der gehobenen Literatur. Manche werfen ihm auch vor, sein Werk habe rassistische, paternalistische Züge, stütze die herrschende Gesellschaftsordnung. Doch um diese Kritik scheren sich seine vielen Fans weltweit nicht.
Zeit seines Lebens wehrt sich Tolkien gegen die Interpretation, "Der Herr der Ringe" sei als Allegorie auf den Zweiten Weltkrieg zu verstehen. Noch vor seinem Tod 1973 verkauft er die Filmrechte, damit nicht der von ihm gehasste Disney-Konzern sein Werk auf die Leinwand bringt. Welche Renaissance aber "Der Herr der Ringe" noch im 21. Jahrhundert erfährt, nach der Film-Trilogie von Peter Jackson, das hätte sich wohl selbst ein so fantasievoller Kopf wie J.R.R. Tolkien nicht träumen lassen.
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