Schwarz, Rot, Pink

Welche Bedeutung Farben im Sport haben

23:40 Minuten
Deutschlands Jamal Musiala (rechts) jubelt mit Ilkay Gündogan nach seinem Tor zum 1:0 gegen Ungarn bei der Fußball-EM
Die deutsche Nationalmannschaft spielt bei der Fußball-EM auch in pinken Trikots (hier im Spiel gegen Ungarn). © dpa / picture alliance / Tom Weller
Von Julian Kämper · 07.07.2024
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Weiß beim Tennisturnier in Wimbledon, Gelb bei der Tour de France, verschiedene Farben bei den Fußball-Nationaltrikots: So manche Sportart oder ein Team ist charakteristisch eingefärbt. Woher kommen bestimmte Farbcodes im Sport - und was bedeuten sie?
„Wie kommt es, dass Farben so ein bedeutender Teil in unserer visuellen Kommunikation sind?“, fragt der Farbforscher Axel Buether.
„Menschen sind total emotional, wenn es um Farben geht. Wenn man im Sport schaut, dann merkt man, dass sich die Menschen damit identifizieren, in diesen Farben gekleidet sind, anderen sogar Gewalt antun.“
Kampfchoreografin Franzy Deutscher: „Wenn man sich Wettkampfsport anschaut: Da unterscheidest du in Rot und Blau, dass du einfach einen großen Farbunterschied hast in den Faustschützern und in deinem Gürtel, den du anhast. Dass du einfach besser unterscheiden kannst zwischen den beiden Farben.“
„Ich glaube, warum Gelb auch so gut funktioniert ist, weil wir uns als Schiedsrichter im Hockey nicht auf dem Spielfeld, sondern häufig auch am Spielfeldrand bewegen“, sagt Hockeyschiedsrichter Marvin Bergmann.

Und deswegen geht es auch darum, dass wir uns sowohl für Fans – und vielleicht auch für eventuelle Videoaufnahmen oder TV-Übertragungen –, aber vor allem auch für die Spieler von der Umgebung unterscheiden müssen. Und die ist häufig grün mit einem Wald. Und deswegen ist, obwohl ich häufig auch von Verbänden ein grünes Trikot bekommen habe, das echt eher ungünstig.

Hockeyschiedsrichter Marvin Bergmann

Wer jemals Schach gespielt hat, weiß, dass Weiß beginnt. Eine eher spekulative Bauernregel ist hingegen: Weiß beginnt, Schwarz gewinnt.
Nicht nur würde der Schachpartie jeglicher Wettbewerbscharakter entzogen, wenn der Sieger – nämlich Schwarz – von vornherein feststünde; zudem ignoriert dieses Farbschema, welche taktischen Fähigkeiten die Spielenden besitzen, ganz unabhängig von der ihnen zugeordneten Farbe.
Farbforscher Axel Buether ordnet ein:
„Weiß, Schwarz und Grau nennt man unbunte Farben in der Farbpsychologie. Das sind also nicht die gleichen Farben wie Buntfarben, aber in der Klaviatur der Farben haben sie natürlich den gleichen Stellenwert. Das heißt, wenn ich ein schwarzes Trikot habe, dann hat das natürlich eine schwarze Farbe, genauso wie ich ein rotes Trikot oder ein weißes oder ein grünes Trikot tragen kann.“ 
Axel Buether weiß um die Wirkungskraft der Farben und wie diese gleichermaßen die Natur, unseren Alltag, die menschliche Psyche und eben auch den Sport durchziehen und beeinflussen.

Erster Farbwechsel: Das reine Weiß

Weißer Sport. Weißer Turnschuh. Weiße Piste. Weißer Gi. Weißes Ballett.
Axel Buether: „Im Prinzip ist Weiß auch von der Symbolik her überhaupt nicht zu trennen von allen anderen Farben. Es hat einen eigenen Symbolraum, ist - in vielen Kulturen ähnlich - immer mit Göttlichkeit verbunden, weil es einfach die Farbe des Lichts ist und uns damit irgendwie auch verbindet mit, wenn wir gläubig sind, unserem Gott. Egal welcher Gott. Die meisten Götter offenbaren sich dem Menschen tatsächlich über das Licht.
Und wenn wir nicht gläubig sind, sondern eher naturwissenschaftlich unterwegs sind, dann merken wir auch: Das Licht ist für das Leben auf der Erde unverzichtbar. Es ist im Prinzip die primäre Ursache dafür, dass wir überhaupt Energie für Stoffwechsel und Leben auf der Erde haben.
Weiß ist eine Farbe, die in den Symbolfarben eigentlich für uns immer für etwas Reines, für etwas Perfektes, für etwas Göttliches gesetzt wird oder Unumstößliches in der Naturwissenschaft, etwas ‚Wahres‘, würde man jetzt als Naturwissenschaftler sagen.
Übertragen auf den Sport ist das natürlich auch ganz interessant, weil Perfektion, ja Unfehlbarkeit, das heißt die höchste aller Mannschaften oder der höchste Sportler zu sein, natürlich auch etwas ist, was im Sport eine wichtige Sache ist. Es geht um Sieg. Es geht in jedem Wettkampf darum, dass man herausragt. Und da ist natürlich die Farbe Weiß prädestiniert für den Sport.“
Der Beiname „Das weiße Ballett“ ist den „Königlichen“, also dem Männerteam des spanischen Fußballclubs Real Madrid kaum streitig zu machen angesichts der anhaltenden Erfolge. Einen ikonischen Wiedererkennungswert haben die traditionell weiß gehaltenen Heimtrikots der Weißen – übersetzt: „Los Blancos“.
“Purple and Green” – Im lila-dunkelgrünen Gewand zeigt sich das prestigeträchtige Tennisturnier in Wimbledon jeden Sommer: grün wie der englische Rasen, auf dem die Spiele ausgetragen werden, und lila wie royal, nobel, luxuriös.
So alt wie das Turnier selbst, das 1877 erstmals veranstaltet wurde, ist auch die Regel, dass die Protagonisten den Platz ausschließlich in weißer Kleidung betreten dürfen – jedenfalls sollte der Weißanteil mindestens 90 Prozent betragen.
Das geschichtsträchtige Grand Slam Turnier hat schon rein optisch ein Alleinstellungsmerkmal und grenzt sich von den anderen großen Turnieren ab, in denen die Athletinnen und Athleten auch farblich jeweils modische Trends der Sportartikelhersteller zur Schau tragen. Das ist - da sind sich viele einig - Geschichte, Kultur und längst Kult.
Caroline Wozniacki (links) und Leylah Fernandez beim Tennisturnier in Wimbledon
Caroline Wozniacki (links) und Leylah Fernandez in weißen Outfits beim Tennisturnier in Wimbledon© dpa / picture alliance / Mosa'ab Elshamy
Allerdings nicht ganz ohne Kritik: So erlaubt eine erst vor wenigen Jahren vollzogene Entschärfung des Regelwerks den Spielerinnen heute, zumindest die Farbe ihrer Unterwäsche selbst zu bestimmen.
Axel Buether:

Jede Farbe hat positive und negative Konnotationen, so wie jeder Begriff unserer Sprache – und Farben bilden ja eine Sprache. Je nach Kontext, wo ich das verwende. Zum Beispiel das Primat des weißen alten Mannes – also Weiß kann jetzt im Prinzip sehr negativ beurteilt werden.

Farbforscher Axel Buether

Und dieses Primat des weißen alten Mannes oder auch des Christentums, was ja auch weiß auftritt, diesbezüglich hat man natürlich auch im Moment tatsächlich die Diskussion in der Architektur oder im Produktdesign, ob dieses Weiß nicht irgendwie auch so eine Art Anmaßung ist, weil es die regionalen Farben aller anderen Kulturen verdrängt.

Farbforscher Axel Buether

Weißer Gürtel. Gelber Gürtel. Orangener, violetter, brauner, schwarzer Gürtel.
Um beim Weiß, dieser „unbunten Farbe“, zu bleiben: Auch in den Kampfkünsten hat sie große Bedeutung, wie Franzy Deutscher erklärt: „Es gab ursprünglich nur funktionelle Gürtel: weiß für die Schüler, schwarz für die Meister, das lässt sich unterscheiden.
Und die haben einfach nur die Klamotte zusammengehalten.“ Die Kampfchoreografin rekonstruiert die Ursprünge der Gürtelfarben in den japanischen Kampfkünsten. Die Deutung ist ebenso pragmatisch wie aufgeladen: 
„Man ist erst dann Meister, wenn dein weißer Gürtel durchs viele Trainieren so abgenutzt und so dunkel geworden ist, dass er quasi geschwärzt wird. Dann bekommst du einen richtigen schwarzen Gürtel, den Dan, der sich vom Kyu unterscheidet. Wir sprechen von japanischer Kampfkunst, also Budo Kampfkunstarten. Und dieser schwarze Gürtel wird irgendwann durch das viele Tragen wieder weiß.
Das heißt, das ist dieser ewige Kreislauf: Du bist immer Schüler und du hörst nie auf zu lernen. Als Erstes beginnst du in den weißen Schülergraden die Techniken zu lernen, und sobald du den Meistergrad erreicht hast, bekommst du das Verständnis für die Anwendung, die Tiefe in die Philosophie, in Selbstdurchdringung usw. Das hat ein riesengroßes philosophisches, aufgeladenes Konzept dahinter.“
Farbcodes wurden auch im Zuge einer Systematisierung und sportartenspezifischen Organisationsstruktur entwickelt.
Franzy Deutscher: „Wenn man diese Farben anschaut, gibt es ein ganz einfaches Motivationssystem dahinter: Man trainiert auf eine Prüfung. Es gibt die Weißen, die haben keine Prüfung gemacht. Und dann gibt es diese unteren Gurte, die sind je nach Schule unterschiedlich oder je nach Kampfkunst-Verband auch wieder unterschiedlich.
Trotzdem kann man sagen, dass diese Farben innerhalb dieser Gruppe eine gewisse Wertung haben und eigentlich dieses Grundprinzip von ‚Ich trage einen weißen Kampfkunst-Anzug und der macht uns alle gleich‘ aushebelt.
Das heißt, man kann Sozialkritik darin sehen, in dem du sagst: Dadurch, dass ich unterscheide in Farbgrade, werde ich auch Gruppen aufmachen und die Durchmischung von Gesellschaft, die draußen so krass hierarchisch ist, aufheben und quasi eine Strukturierung schaffen, die vielleicht gar nicht so notwendig ist.“
Die Farbe im Sport: Sie kann abgrenzen, ausgrenzen. Sie macht Weiß und Schwarz auf dem Spielbrett zu Kontrahenten, sie markiert via Gürtelfarbe - für alle auf den ersten Blick ersichtlich - die Leistungsunterschiede der Athleten, sie macht denjenigen, der sich im grünen Trikot im ansonsten rot eingefärbten Fanblock platziert, optisch zum Feindbild.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Farben stiften Gemeinschaft und Identifikation, was insbesondere bei sportlichen Großereignissen auch außerhalb der Stadien zu erleben ist.
Hinsichtlich der Gürtelfarben in den japanischen Kampfkünsten hat sich Franzy Deutscher gefragt:
„Woher kommen denn eigentlich die Farben? Da ist man superschnell in – ich sag jetzt mal – so Kirschblüten-Ästhetiken. Die weiße Schneedecke – du siehst den Schüler nicht, du siehst den Meister nicht, bis dann die Wärme kommt und es wird gelber.
Und dann auch wirklich die Durchdringung von dir selbst – es wird orange. Mit Grün fängst du jetzt an zu keimen, bis du dann mit Blau den Himmel mit deiner Spitze entdeckst. Mit Braun hast du einen festen Stamm. Da ist ein wahnsinnig aufgeladener Topos in einer sehr poetischen Sprache.“ 

Zweiter Farbwechsel: Rot - die Farbe des Siegers? 

Roter Ferrari. Rote Karte. Rote Linie. 
So manche Sportart ist eng mit einer ganz bestimmten Farbe verknüpft. Aber manchmal werden Funktion und Macht der Farben erst deutlich, wenn man den Sport auf sein Farbpanorama hin überblickt. Wenig erstaunlich bei dem wissenschaftlichen Befund, dass vermutlich weniger als ein Prozent der Farbinformationen im Gehirn bewusst verarbeitet werden.
Axel Buether: „Um die 60 Prozent von dem, was in unserem Gehirn passiert, ist tatsächlich Verarbeitung von Farbinformationen, also visuellen Informationen, die bis zum Bewusstseinseindruck so ziemlich alle Regionen unseres Gehirns beanspruchen und unglaublich viele Daten produzieren. Man sagt, das sind Datenströme zwischen Augen und Gehirn, die so einen Breitbandanschluss völlig auslasten würden. Das sind irgendwie Geschwindigkeiten, die können wir uns gar nicht vorstellen, wie das hin und her geht. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der Umwelt versuchen wir tatsächlich auf innere Werte oder Eigenschaften zu schließen.“ 
Der Farbexperte Axel Buether vereint in seiner Farbentheorie mehrere Perspektiven: Er promovierte im Bereich Wahrnehmungspsychologie, befasste sich als ausgebildeter Architekt mit der Kommunikation der Farben des Raumes, gründete das Institut für Farbpsychologie und ist Professor für Didaktik der visuellen Kommunikation in Wuppertal.
In seinem Sachbuch „Die geheimnisvolle Macht der Farben“ unterscheidet Axel Buether zunächst sieben biologische Funktionen der Farbe. Diese Funktionen, zum Beispiel „Orientierung“, lassen sich leicht in die Welt des Sports übersetzen:

Und zwar haben wir zunächst die Identität, das kennen wir auch im Sport: Menschen werden quasi als Fans der einen oder anderen Mannschaft oder als Player der einen oder anderen Mannschaft identifiziert.

Farbforscher Axel Buether

Das schafft natürlich Orientierung. Wenn wir zum Beispiel Spiele anschauen, bleiben wir mal beim Fußballspiel, dann wissen wir natürlich genau, wie die Aufstellung auf dem Feld ist, auch wenn es ein bisschen komplex ist. In der Schnelle der Aktion sehen wir sofort: Wer spielt mit wem? Wer spielt vielleicht zu wem? Warum gibt er nicht ab?

Farbforscher Axel Buether

Solch einen Durchblick benötigen die Sportzuschauer sowohl im Stadion als auch vor dem heimischen Fernseher – heute oft großformatig und hochauflösend.
Buether weiter: „Das heißt, die ganze Komplexität von sportlichen Wettkämpfen kann sich oft – also umso mehr Protagonisten beteiligt sind – wirklich erst durch eine farbliche Kennzeichnung erschließen. Und das ist natürlich total interessant, dass dann auch immer darauf Wert gelegt wird, dass die Farben auch genug kontrastieren.
Also das Einfachste ist natürlich Schwarz und Weiß. Zu Beginn des Fernsehens hatten wir noch kein Farbfernsehen, da ging es halt nur mit hell und dunkel. Jetzt merkt man: es gibt natürlich noch viel mehr Möglichkeiten, mit Farben zu operieren. Das heißt, Identität und Orientierung sind zwei primäre biologische und kulturelle Funktionen der Farbe.“ 
Allez Les Bleus! Los Blancos. All Blacks. Die Reds 
Wie bewusst werden Farben im Sport eingesetzt oder nuanciert? Es hat bereits Studien und entsprechende Thesen gegeben, dass Mannschaften mit bestimmten Trikotfarben häufiger gewinnen.
Die taktisch kluge Farbwahl ist also gewiss kein Garant für den Sieg, aber möglicherweise das Zünglein an der Waage, wenn sich zwei Parteien mit gleicher Leistung und Stärke gegenüberstehen. Als wirklich stichhaltig und valide erweisen sich diese Statistiken nicht, dafür sind Spielverläufe im Sport doch zu komplex und ihr Ausgang von verschiedenen Faktoren abhängig.
Nichtsdestotrotz lassen sich solche Tendenzen aus der Farbpsychologie plausibel herleiten.
Axel Buether: „Man sagt ja nach Studien, dass Rot sehr, sehr wirksam ist, weil es eine Farbe der Macht ist. Also so ein bisschen kommuniziert das: ‚Ich habe keine Angst vor dir, sondern ich gewinne! Und dieses Ausstrahlen von Selbstsicherheit auch auf das Gegenüber wirkt.“
Mo Salah vom FC Liverpool im Spiel gegen die Wolverhampton Wanderers
Die Reds spielen in roten Trikots: Mo Salah vom FC Liverpool© dpa / picture alliance / Ben Roberts
Im Fußball waren von jeher die bunten, ja „lauten“ Torwarttrikots auffällig. Auch in anderen Team-Ballsportarten stechen leuchtend neonfarben gekleidete Torhüterinnen ins Auge.

Also der farbige Torwart, der Warnfarben trägt, also Neonfarben zum Beispiel, ist natürlich total wirksam, weil wir den fixieren Wenn Sie auf den zu rennen, fixieren Sie nicht die freie Stelle zwischen Pfosten und Torwart oder sehen die Leerräume, sondern starren gebannt auf diesen Menschen, der davorsteht. Und damit tun sie eigentlich genau das Falsche.

Farbforscher Axel Buether

Weil Sie sollten nicht auf den Torwart starren und vielleicht noch Angst kriegen davor, was der jetzt tun könnte. Die Farbe hilft Ihnen da natürlich überhaupt nicht, sondern umso stärker die Farbe präsent ist, umso mehr es eine Warnfarbe ist, umso stärker drängt die sich biologisch gesehen in den Vordergrund der Aufmerksamkeit. Und sie haben echt Probleme, das zu ignorieren im Gesichtsfeld.

Farbforscher Axel Buether

Neben allen physiologischen, taktischen und materialspezifischen Optimierungen, die der moderne und kommerzielle Wettkampfsport mit sich bringt, könnte es also auch die wohlüberlegte, bisweilen manipulative Farbwahl sein, die den entscheidenden Vorteil bringt. So sehr wirken sich Farben - wenngleich in aller Regel unbewusst - auf Verhalten und Empfinden aus.

Dritter Farbwechsel: Die Farben der Olympischen Spiele

Die olympischen Ringe: blau, gelb, schwarz, grün, rot.
Ihre Gestalt sei symbolisch zu verstehen, sagte Pierre de Coubertin, Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit. Die fünf miteinander verschlungenen olympischen Ringe symbolisieren die fünf Erdteile, die in der olympischen Vision vereint werden.
Ihre sechs Farben – die sechste Farbe ist das weiß, vor dem die fünf Farbringe erscheinen – entsprechen, so Coubertin damals, „denen sämtlicher Nationalflaggen der heutigen Welt.“
Der Künstler Ugo Gattoni: “Sie haben sich gut eingefügt. Das war nicht ganz leicht, weil man dieses Logo nicht einfach verändern darf.“
Die Olympischen Ringe vor dem Hôtel de ville de Paris, dem Pariser Rathaus
Die Olympischen Ringe symbolisieren fünf Kontinente.© dpa / picture alliance / Remko de Waal
In welche Farbe taucht man die Olympischen Spiele im eigenen Land? Dem Zufall jedenfalls sollte die farbliche Gestaltung einer so großen Marke nicht überlassen werden.
Einen gestalterischen Beitrag lieferte auch der französische Künstler Ugo Gattoni, der das sogenannte „ikonische Plakat“ für Paris 24 entwerfen durfte, eine bunte Zeichnung, eine Art Wimmelbild: Ein Stadion, in dessen Mitte der Eiffelturm herausragt, in dem sich architektonische Wahrzeichen der Stadt mit futuristisch-surrealen Visionen einer modernen Gemeinschaft verbinden, in der das Grün der Natur viel Raum bekommt und Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe ihre Freude an den Spielen teilen.
Ugo Gattoni, der sich in früheren Zeiten auf Schwarz-weiß-Zeichnungen beschränkte, beschreibt die Kolorierung des Posters folgendermaßen:

Im Vorfeld haben sie mir die Piktogramme gezeigt, die während Paris 2024 überall zu sehen sein werden. Ich habe das einfließen lassen in meine Farbwahl: Wir wollen damit Freude verbreiten. Ich bin sehr glücklich mit den Farben, die ich auch in anderen Arbeiten verwende. Paris 2024 - welchen 'Look' haben diese Spiele? Pink, Pastelgrün, Pastelblau.

Künstler Ugo Gattoni

Grüner Rasen. Rote Fahne. Goldene Medaille. Weißer Schnee. Pinkes Trikot. Roter Ferrari. Rote Karte. Silberpfeil. Braunes Leder. Gelbes Trikot.

Vierter Farbwechsel: Markantes Gelb

„Das Gelbe Trikot besitzt magische Kräfte. Wer es überstreift, verwandelt sich in einen neuen Menschen“, sagte ein ehemaliger Radsportprofi.
Und ein anderer: „Eins versteht sich von selbst: Von allen Trikots, die ich getragen habe, übte das Gelbe die größte Anziehungskraft auf mich aus.“
Sätze, die uns von denjenigen Topsportlern überliefert sind, die in der Geschichte der Tour de France mindestens einmal das Gelbe Trikot tragen durften, das Symbol des Führenden im Gesamtklassement des Wettbewerbs, also desjenigen, der in der Ebene, im Gebirge und beim Zeitfahren gleichermaßen glänzt. 
Richard Carapaz aus Ecuador bei der Tour de France
Richard Carapaz aus Ecuador im Gelben Trikot bei der diesjährigen Tour de France© dpa / picture alliance / Roth
Grüne Karte, gelbe Karte, rote Karte. Gelb-rote Karte. 
„Also in Bayern haben wir auch ein Pink und ein Hellgrün. Ich habe auch schon orangene Trikots, ich habe schwarze Trikots, ich habe blaue Trikots. Also ich glaube, ich habe alle Farben zu Hause. Aber der Klassiker ist auf jeden Fall gelb.“
Die Farbpalette an Trikots, mit denen sich der Hockeyschiedsrichter Marvin Bergmann als Unparteiischer auch farblich von den Trikotfarben der beiden Mannschaften abheben muss, ist also groß.
Was die Trikotfarben der beiden Teams betrifft, ist noch vor Anpfiff einer Partie purer Pragmatismus angesagt: Sind die Trikotfarben der Mannschaften optisch gut unterscheidbar? 
Marvin Bergmann berichtet aus der eigenen Praxis:

Man neigt häufig dazu zu sagen: Ja, passt schon, vor allem, wenn die Teams sich auf getrennten Spielfeldseiten einspielen, sieht man die Trikots häufig erst mal nicht so direkt nebeneinander. Und im Spiel, wenn man es dann in Aktion, im Sprint oder in einer unübersichtlichen Situation erkennen muss, ist es dann doch häufiger mal weniger eindeutig. Ich habe mal ein Spiel angepfiffen, Bordeauxrot gegen Schwarz.

Hockeyschiedsrichter Marvin Bergmann

Ich dachte, das passt schon, und ich hatte auch keine Lust, beide Teams in die Kabine zu schicken, weil die wollen sich irgendwie einspielen, sind schon im Tunnel, und dann sagst du zehn Minuten vor Anpfiff: „Bitte noch mal umziehen, noch mal in die Kabine“. Ich habe dazu geneigt, ein Auge zuzudrücken. Mache ich nie wieder! Es gab einen haarsträubenden Fehlpass, der auch fast zu einem Tor geführt hat, der so nie passiert wäre, wenn die Farben eindeutiger gewesen wären. Und auch ich entscheide einmal auf lange Ecke, obwohl es ein Abschlag gewesen wäre.

Hockeyschiedsrichter Marvin Bergmann

Wenn der Hockeyschiedsrichter auf dem Platz steht, reduzieren sich die Akteurinnen, die Mannschaften auf eine signifikante Farbe. Herkunft, Tabellenplatz, Statistiken – das scheint im Sinne einer Neutralität nicht bedeutsam zu sein, sagt Marvin Bergmann:
„In diesem Fall reden wir nicht über ‚Team A spielt gegen Team B‘, sondern es geht immer darum: Rot hat den Ball oder Blau hat den Ball oder Schwarz hat den Ball. Das ist ehrlicherweise eindeutig. Ich glaube auch ein bisschen, dass es fürs Gehirn einfacher ist, weil man sonst immer diese Transferleistung haben muss, die man sich einfach spart. Man kommuniziert direkt das, was man sieht.“ 

Fünfter und letzter Farbwechsel: Alles ist bunt

Alles wird bunter. Als Monate vor Beginn der Fußball-EM im eigenen Land die Barby-pinken Auswärtstrikots vorgestellt wurden, entzündete sich in den Medien, vor allem aber in den sozialen Netzwerken, eine drastische und kontroverse Diskussion.
Axel Buether kommentiert: „Es ist erst mal ein Widerspruch, im Fußball Farben zu nehmen, die wir eigentlich nicht mit so etwas wie Status oder Macht assoziieren, sondern dass wir Farben nehmen, die wir eigentlich eher mit weiblichen Tugenden bisher assoziiert haben, also Rosa oder Violett, oder eher auch mit Kindern, so wie Hellblau.
Das sind ja alles Farben, die jetzt erst in den letzten Jahren in den Sport gekommen sind, wo Sport sich immer stärker seiner Rolle bewusst ist, dass man damit auch eine erzieherische Aufgabe hat, dass es nicht nur um den Sport geht, sondern dass man im Prinzip auch eine Haltung kommunizieren kann.“
Das Ende vom Lied: Mit Beginn des Turniers fluteten Menschen in Pink-Lila die Austragungsorte, das Trikot wurde zum Verkaufsschlager. Nach dem öffentlichen Diskurs über die Regenbogenbinde, die die Fußballer in der Vergangenheit zum Zeichen für Toleranz und Diversität trugen, ist es nun eine Farbe, die den Sport – jedenfalls in seiner öffentlichen Wirkung und Wahrnehmung – zumindest ein kleines bisschen verändert.
„Da geht es eher um Spielintelligenz, da geht es eher um ein Miteinander“, sagt Axel Buether.
„Da geht es eher um Gemeinschaft. Und dafür sind diese Farben natürlich super. Man sagt also: Ich habe jetzt im Prinzip nicht nur eine neue Philosophie und eine neue Haltung da drin, die ich irgendwie kommunizieren möchte, sondern ich zeige das auch nach außen. Ich demonstriere das auch.“

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