Farbenfroh!
Mit "Bauhaus" werden meist weiße, kubische Baukörper mit neutralen Innenanstrichen gleichgesetzt. Doch die Ausstellung "Farbenfroh" im Berliner Bauhaus-Archiv beweist, dass das Gegenteil der Fall war: Bunte Farben dienten zur Wandgestaltung der Dessauer Bauhaus-Gebäude. Dort gab es sogar eine eigene Werkstatt für Wandmalerei.
Das subtile Spiel mit den bunten Farben ist auf den berühmten Schwarzweiß-Fotografien der Bauhäusler erst gar nicht zu sehen. Das ist nicht nur dem Medium Schwarzweiß-Fotografie geschuldet, das entspricht auch unserer gängigen Vorstellung von der Bauhaus-Moderne, die ganz antiseptisch weiß daherkommt und immer ein wenig nach Krankenhaus riecht. Dabei war alles ganz anders. Annemarie Jaeggi, Direktorin des Berliner Bauhaus Archivs.
"Es ist so, dass Walter Gropius in der Tat an der äußeren Erscheinung seiner Bauten die Farbe nur ganz gezielt zugelassen hat. Am Bauhaus-Gebäude selbst in Dessau zum Beispiel, die Untersichten der auskragenden Balkons. An anderen Häusern ist es das Regenfallrohr, was farblich hervorgehoben wird. Ansonsten ist der Baukörper bei ihm durchaus weiß, der Sockel gerne grau, und dann benutzt er Schwarz noch als zusätzliche Kennzeichnung, also im Grunde genommen Nichtfarben, die durch starke Farbigkeit, aber nur untergeordnet und pointiert, nochmals einen Impuls bekommen."
Der Chef selbst war schon ein wenig puristisch. Gropius mochte das Spektrum von Schwarz bis Weiß. Da war Kollege Bruno Taut aus anderem Holz geschnitzt, der schon 1916 mit seiner Berliner Tuschkastensiedlung kräftige Farben – Rot, Blau und Gelb – in das sonst so graue Stadtbild brachte.
Doch neuere Farbanalysen an den historischen Bauhaus-Bauten bringen auch die bunte Bauhaus-Welt wieder ans Licht. Solange es das Bauhaus gab, wurde in der Werkstatt für Wandmalerei mit Farben experimentiert, und die Bewohner der Bauhaus-Bauten ließen sich sowieso keine Vorschriften machen, wenn es um die Farbgestaltung ihrer eigenen vier Wände ging.
"Wir haben einige wenige Farbfotos aus der eigenen Wohnung von Walter Gropius aus seinem Meisterhaus in Dessau, und dann sehen Sie, dass es bei ihm auch innen weiß, grau und schwarz gibt, mit einigen wenigen Hervorhebungen, zum Beispiel die Türen von Schränken, die dann orange oder ganz kräftig rot gestrichen waren. In seinen anderen Bauten, da sind es ganz offensichtlich die Benutzer, die eine starke Farbigkeit wollten. Und das fängt natürlich bei den Meisterhäusern an, wo die großen Meister Paul Klee, Wassily Kandinsky und alle andern lebten, und da haben Sie eine schillernde Welt bunter Farben, die Decke anders als die Wände und den Fußboden und Nischen in Gold hervorgehoben und anderes mehr, das war die Farbenlust der großen Maler. "
In Dessau sind die Farben der Meisterhäuser nun wieder eins zu eins zu sehen. Im Berliner Bauhaus-Archiv muss man sich mit Modellen, Fotografien und Zeichnungen begnügen, aber auch das hat bekanntlich seinen eigenen Reiz, zumal es darüber hinaus in der Ausstellung viel über Farbgewinnung, Mischtechniken und Verarbeitung zu lernen gibt. Ausstellungskuratorin Renate Scheper:
"Wir haben da auch die Möglichkeiten gegeben, selbst Erfahrungen zu machen, indem man mischt, indem man Komplementärfarben erstellen kann, indem man Kreisel dreht und eben – wenn es Komplementärfarben sind – ein Grau erreicht, was bei dem jetzigen Ausstellungslicht leider ein bisschen beige ist. Wir haben es vorher in der anderen Halle probiert, wo auch ein Ausstellungslicht war, da war es ein reines Grau und wir waren sehr stolz, dass wir die richtigen Farben gefunden haben."
Schwamm drüber, jedenfalls ist es auch eine Ausstellung zum Anfassen geworden. Eine richtige Farbwerkstatt wurde in die Ausstellungsräume gestellt, und so kann man den Bauhäuslern in ihre historischen Farbtöpfe gucken.
"Wir haben versucht, dadurch, dass wir eine Werkstatt-Atmosphäre geschaffen haben und vorstellen, wie die alten Farben aus Pigmenten und Bindemitteln sich zusammensetzen, und doch total unterschieden von der heutigen Farbigkeit, die wir an den Wänden kennen und die so eine geschlossene glatte Oberfläche ergeben. Im Gegensatz dazu sind die Wände der Bauhauszeit, Sie würden vielleicht sagen scheckig, aber sie waren einfach lebendig, weil man den Untergrund durchspürte, durch die Farbe, und auch die verschiedenen Farbschichten sehen konnte. Denn ein Wandaufbau bestand oft aus bis zu zehn Anstrichen, die zum Teil lasierend aufgetragen wurden und der Wand dann zum Teil eine unheimliche Lebendigkeit gaben."
Die Ausstellung "Farbenfroh" müht sich redlich und mit Erfolg, ein etwas sperriges Thema sinnlich fassbar zu machen. Christian Wolsdorf vom Berliner Bauhaus Archiv.
"Es gibt kaum wirklich fassliches Material. Die Farbpläne, die damals gemacht worden sind, sind alle sehr kompliziert. Warum das so ist, weiß keiner so recht, aber wir müssen es so nehmen wie es ist, es sind vor allem diese Ansichten von unten, das war eine kurze Zeit, wo man das gerne gemacht hat, aber dummerweise war es diese. Und wir haben deshalb viele Modelle gebaut, um eben alle Epochen des Bauhauses abzudecken. Wir haben auch einige Großmodelle gebaut, und wir sind auch in zwei Fällen fast in den Maßstab eins zu eins gegangen, um eben die Wirkung von Farbe abhängig von der Größe darstellen zu können. "
Doch keine Angst, die bunten Pläne lassen sich auch in ihrer ästhetischen Dimension betrachten, und selbst dann bekommt man ein Gespür für die Farbgestaltung der Bauhäusler und die handwerkliche Meisterschaft, die das Bauhaus in der farbigen Wandgestaltung entwickelt hat.
Und so erzählt die Ausstellung "Farbenfroh" auch vom Verlust an handwerklicher Erfahrung. Das stimmt etwas traurig, denn der Zeitgeist wohnt längst nicht mehr in einer Bauhaus-Werkstatt, er ist umgezogen in den Heimwerkermarkt, der ironischerweise ja auch mit dem guten Namen "Bauhaus" wirbt.
Den Verlust an handwerklicher Erfahrung bekommen nicht nur die Farben zu spüren, er betrifft auch und zuallererst die Unfarbe Weiß.
" Weiß und Weiß war damals ein großer Unterschied. Eines gab es mit Sicherheit nicht: Das Weiß aus dem Baumarkt, diese Art von völlig dicklicher, puddingähnlicher Farbe gab es damals nicht. Alle weißen Farben waren damals sehr viel dünner, transparenter, hatten eine ganz andere, ganz feine Oberfläche, die man sehr einfach, mit einfachen Handgriffen auch sehr unterschiedlich strukturieren konnte, und das konnte jeder Malermeister. Das führt natürlich schon zu einem anderen Ergebnis. Wenn wir heute Weiß sagen, sollten Sie bitte nicht denken, das ist das Weiß, was die Stiftung Warentest alle Jahre wieder testet. Das wirklich nicht. "
Service:
Bauhaus-Archiv Berlin: Farbenfroh!. Ausstellung über die Wandmalerei des Bauhaus, bis zum 12. September 2005.
"Es ist so, dass Walter Gropius in der Tat an der äußeren Erscheinung seiner Bauten die Farbe nur ganz gezielt zugelassen hat. Am Bauhaus-Gebäude selbst in Dessau zum Beispiel, die Untersichten der auskragenden Balkons. An anderen Häusern ist es das Regenfallrohr, was farblich hervorgehoben wird. Ansonsten ist der Baukörper bei ihm durchaus weiß, der Sockel gerne grau, und dann benutzt er Schwarz noch als zusätzliche Kennzeichnung, also im Grunde genommen Nichtfarben, die durch starke Farbigkeit, aber nur untergeordnet und pointiert, nochmals einen Impuls bekommen."
Der Chef selbst war schon ein wenig puristisch. Gropius mochte das Spektrum von Schwarz bis Weiß. Da war Kollege Bruno Taut aus anderem Holz geschnitzt, der schon 1916 mit seiner Berliner Tuschkastensiedlung kräftige Farben – Rot, Blau und Gelb – in das sonst so graue Stadtbild brachte.
Doch neuere Farbanalysen an den historischen Bauhaus-Bauten bringen auch die bunte Bauhaus-Welt wieder ans Licht. Solange es das Bauhaus gab, wurde in der Werkstatt für Wandmalerei mit Farben experimentiert, und die Bewohner der Bauhaus-Bauten ließen sich sowieso keine Vorschriften machen, wenn es um die Farbgestaltung ihrer eigenen vier Wände ging.
"Wir haben einige wenige Farbfotos aus der eigenen Wohnung von Walter Gropius aus seinem Meisterhaus in Dessau, und dann sehen Sie, dass es bei ihm auch innen weiß, grau und schwarz gibt, mit einigen wenigen Hervorhebungen, zum Beispiel die Türen von Schränken, die dann orange oder ganz kräftig rot gestrichen waren. In seinen anderen Bauten, da sind es ganz offensichtlich die Benutzer, die eine starke Farbigkeit wollten. Und das fängt natürlich bei den Meisterhäusern an, wo die großen Meister Paul Klee, Wassily Kandinsky und alle andern lebten, und da haben Sie eine schillernde Welt bunter Farben, die Decke anders als die Wände und den Fußboden und Nischen in Gold hervorgehoben und anderes mehr, das war die Farbenlust der großen Maler. "
In Dessau sind die Farben der Meisterhäuser nun wieder eins zu eins zu sehen. Im Berliner Bauhaus-Archiv muss man sich mit Modellen, Fotografien und Zeichnungen begnügen, aber auch das hat bekanntlich seinen eigenen Reiz, zumal es darüber hinaus in der Ausstellung viel über Farbgewinnung, Mischtechniken und Verarbeitung zu lernen gibt. Ausstellungskuratorin Renate Scheper:
"Wir haben da auch die Möglichkeiten gegeben, selbst Erfahrungen zu machen, indem man mischt, indem man Komplementärfarben erstellen kann, indem man Kreisel dreht und eben – wenn es Komplementärfarben sind – ein Grau erreicht, was bei dem jetzigen Ausstellungslicht leider ein bisschen beige ist. Wir haben es vorher in der anderen Halle probiert, wo auch ein Ausstellungslicht war, da war es ein reines Grau und wir waren sehr stolz, dass wir die richtigen Farben gefunden haben."
Schwamm drüber, jedenfalls ist es auch eine Ausstellung zum Anfassen geworden. Eine richtige Farbwerkstatt wurde in die Ausstellungsräume gestellt, und so kann man den Bauhäuslern in ihre historischen Farbtöpfe gucken.
"Wir haben versucht, dadurch, dass wir eine Werkstatt-Atmosphäre geschaffen haben und vorstellen, wie die alten Farben aus Pigmenten und Bindemitteln sich zusammensetzen, und doch total unterschieden von der heutigen Farbigkeit, die wir an den Wänden kennen und die so eine geschlossene glatte Oberfläche ergeben. Im Gegensatz dazu sind die Wände der Bauhauszeit, Sie würden vielleicht sagen scheckig, aber sie waren einfach lebendig, weil man den Untergrund durchspürte, durch die Farbe, und auch die verschiedenen Farbschichten sehen konnte. Denn ein Wandaufbau bestand oft aus bis zu zehn Anstrichen, die zum Teil lasierend aufgetragen wurden und der Wand dann zum Teil eine unheimliche Lebendigkeit gaben."
Die Ausstellung "Farbenfroh" müht sich redlich und mit Erfolg, ein etwas sperriges Thema sinnlich fassbar zu machen. Christian Wolsdorf vom Berliner Bauhaus Archiv.
"Es gibt kaum wirklich fassliches Material. Die Farbpläne, die damals gemacht worden sind, sind alle sehr kompliziert. Warum das so ist, weiß keiner so recht, aber wir müssen es so nehmen wie es ist, es sind vor allem diese Ansichten von unten, das war eine kurze Zeit, wo man das gerne gemacht hat, aber dummerweise war es diese. Und wir haben deshalb viele Modelle gebaut, um eben alle Epochen des Bauhauses abzudecken. Wir haben auch einige Großmodelle gebaut, und wir sind auch in zwei Fällen fast in den Maßstab eins zu eins gegangen, um eben die Wirkung von Farbe abhängig von der Größe darstellen zu können. "
Doch keine Angst, die bunten Pläne lassen sich auch in ihrer ästhetischen Dimension betrachten, und selbst dann bekommt man ein Gespür für die Farbgestaltung der Bauhäusler und die handwerkliche Meisterschaft, die das Bauhaus in der farbigen Wandgestaltung entwickelt hat.
Und so erzählt die Ausstellung "Farbenfroh" auch vom Verlust an handwerklicher Erfahrung. Das stimmt etwas traurig, denn der Zeitgeist wohnt längst nicht mehr in einer Bauhaus-Werkstatt, er ist umgezogen in den Heimwerkermarkt, der ironischerweise ja auch mit dem guten Namen "Bauhaus" wirbt.
Den Verlust an handwerklicher Erfahrung bekommen nicht nur die Farben zu spüren, er betrifft auch und zuallererst die Unfarbe Weiß.
" Weiß und Weiß war damals ein großer Unterschied. Eines gab es mit Sicherheit nicht: Das Weiß aus dem Baumarkt, diese Art von völlig dicklicher, puddingähnlicher Farbe gab es damals nicht. Alle weißen Farben waren damals sehr viel dünner, transparenter, hatten eine ganz andere, ganz feine Oberfläche, die man sehr einfach, mit einfachen Handgriffen auch sehr unterschiedlich strukturieren konnte, und das konnte jeder Malermeister. Das führt natürlich schon zu einem anderen Ergebnis. Wenn wir heute Weiß sagen, sollten Sie bitte nicht denken, das ist das Weiß, was die Stiftung Warentest alle Jahre wieder testet. Das wirklich nicht. "
Service:
Bauhaus-Archiv Berlin: Farbenfroh!. Ausstellung über die Wandmalerei des Bauhaus, bis zum 12. September 2005.

Teilansicht des Bauhaus in Dessau, Sachsen-Anhalt. Das Bauhaus wurde 1926 nach Plänen von Walter Gropius errichtet. Es zählt zum Weltkulturerbe der Unesco.© AP