Die Ausstellung "Fassbinder Jetzt" ist vom 6. Mai bis zum 23. August 2015 im Martin-Gropius-Bau Berlin zu sehen.
Künstler auf den Spuren eines Radikalen
"Fassbinder Jetzt" im Martin-Gropius-Bau geht dem Wesen seiner Filmkunst auf den Grund. Die Berliner Ausstellung beleuchtet besonders die Auseinandersetzung nachgeborener Künstler mit dem Werk des radikalen Regisseurs.
Interview-Auszug: "Was ich immer versucht habe zu zeigen, ist, wie kalt und mies die Umwelt der Figuren ist. Also dass die Figuren, wenn sie etwas Böses tun, das Böse tun müssen …"
Barbara Baum: "Die Effi mit dem Reisekostüm als sie geheiratet hat, dahinten die braune Jacke mit der Stickerei und dem Hut mit den großen Reiherflanken. Von der Lola ist eine Menge hier, das Caprifischerkleid aus Tüll mit den golden eingewebten Tupfen. Und das rote Auftrittskleid mit den Pailletten …"
Interviews mit Rainer Werner Fassbinder, Kostüme, die er von seiner langjährigen Kostümbildnerin Barbara Baum seinen Filmfiguren auf den Leib schneidern ließ, passend auch zum inneren Zustand der Protagonisten. Dazu handgeschriebene, akribisch ausführliche Drehbücher, Filmausschnitte, seine Lederjacke, sein Flipperautomat. All das ist im Martin Gropius Bau zu sehen – als sehr lebendig gestaltete Erinnerung an den Filmemacher. Doch die Ausstellung will mehr sein als das. Sie will Rück- und zugleich auch Ausblick sein. Juliane Maria Lorenz, jahrelang Cutterin der Fassbinder-Filme und Präsidentin der Rainer Werner Fassbinder Foundation:
"Das war ihm immer wichtig, er hat ja Filme über die Vergangenheit gemacht. Effi Briest, die BRD-Trilogie und so weiter, das wir mit unseren heutigen Gefühlen und heutigen Wissen an die Geschichten gehen sollen. Ihm ging‘s um Authentizität, wenn es um Kostüme etwa ging, um Ausstattung, das können sie nicht einfach links liegen lassen. Da ging es ja um die Wiedergabe einer anderen Zeit – aber das wir es mit unserem heutigen Gefühl betrachten."
Blick hinter die Fassbinder-Kulissen
"Fassbinder Jetzt" haben Lorenz und ihre Mitstreiter die Schau genannt und den Dokumenten und Objekten aus den Archiven aktuelle Kunst gegenüber gestellt – auf der Suche nach den Spuren, die der Filmemacher dort hinterlassen hat. Wie setzen Künstler sich mit ihm auseinander, wie greifen sie seine Themen auf, nutzen seine ästhetischen Stilmittel? Das sind Fragen die hier gestellt werden.
Im Fokus stehen etwa die 360 Grad Kamerafahrten, mit denen Fassbinder seine Zuschauer emotional einband – und sie irritierte. Etwa beim Film Martha, in dem er den Betrachter mit der Kamerarundfahrt um die erste Begegnung eines Paares den Betrachter in den Sog der unentrinnbaren, folgenschweren Begegnung hineinzieht. Kuratorin Anna Fricke:
"Damit starten wir hier den Rundgang und zeigen dann im Anschluss eine Arbeit der britischen Künstlerin Runa Islam, die sich in dem Fall direkt auf die Kamerafahrt bezieht, auf 'Martha'. Sie hat ein Reenactment gemacht und zeigt den Blick hinter die Kulissen. Sie zeigt die Schienen der Kamera – und zeigt im Prinzip wie es gemacht ist. Dadurch rekonstruiert sie diese Illusionsmaschine Kino dann vollkommen. Das heißt, sie setzt bei Fassbinder nochmal einen drauf."
Sicher – gegenüber den heute noch radikal wirkenden Bildern des Originals verblasst dieser Blick hinter die Kulissen zunächst – und fasziniert schließlich doch. Denn die banale Leere der Hintergrundbilder macht die Magie der Original Fassbinder-Szene noch deutlicher. Während sich Runa Islam in ihrer Arbeit direkt auf Fassbinder bezieht, sieht sich der Niederländer Willem de Rooij nur indirekt beeinflusst, als er 2005 für die Biennale in Venedig ein Video über eine Familienkrise dreht.
Fassbinders Interesse am Klischee
"Der Link zu Fassbinder war, als wir diesen Film gemacht haben, nicht so direkt anwesend. Aber Fassbinder ist in meiner Arbeit immer eine sehr starke Anwesenheit gewesen. Ich denke die Interesse von Fassbinder in oppulente Formen das karikaturale, das Interesse am Klischee, in existierende Formen und die dann wieder zu übertreiben, das war die eine Seite. Und das soziale Interesse und an Politik, da für mich persönlich liegt das Interesse, in dieser Schnittstelle."
Generell, so de Rooij weiter, seien es die starken Bilder, die Fassbinders Wirkung auf die zeitgenössische Bildende Kunst ausmachten. Bilder, die ohne Text auskämen. Inszenierte – ja überinszenierte Bilder, wie sie auch der kanadische Fotokünstler Jeff Wall gern arrangiert. In der Ausstellung im Martin Gropius Bau ist er jetzt mit mehreren Leuchtkästen vertreten. Eines zeigt ein Paar, das nebeneinander auf dem Sofa sitzt: so nah und doch in seiner gekünstelten Haltung so fern voneinander. Auf einem anderen wirft man einen Blick hinein in einen Hausflur – und fühlt sich an die bedrängende Leere aus manchem Fassbinder-Film erinnert.
Nicht immer ist das, was man hier an Bildender Kunst zusammengetragen hat, so stark in der Auseinandersetzung mit Fassbinders Bildsprache. Nicht jedes der Werke führt Fassbinders Original so originell weiter. Aber es gelingt der Ausstellung, spannende Schlaglichter zu werfen – auf die zeitgenössische Kunst und wie sie Einflüsse Rainer Werner Fassbinders widerspiegelt. Schlaglichter vor allem aber auf Fassbinder selbst.
Auf das, was ihn und seine Filmkunst ausmacht – gestern wie heute. Mit seiner eigenen, radikalen Art, Geschichten zu inszenieren, Bilder zu kreieren und Emotionen zu verdichten.