Fassbinder und Fontane
Bald kommt die fünfte Verfilmung von "Effi Briest" in die Kinos. Vor Regisseurin Hermine Huntgeburth haben sich bereits Regielegenden wie Gustav Gründgens und Rainer Werner Fassbinder an Fontanes Stoff gewagt. Fassbinders Film "Fontane Effi Briest" von 1974 ist nun neu erschienen.
"Effi, eigentlich hättest Du doch wohl Kunstreiterin werden müssen. Immer am Trapez. Ich glaube beinahe, dass Du so was möchtest. – Vielleicht Mama. Aber wer ist denn schuld? Und dann, warum machst Du denn keine Dame aus mir? – Möchtest Du das? – Nein, nein! – Nicht so wild Effi, nicht so leidenschaftlich, ich beunruhige mich immer, wenn ich Dich so sehe."
17 Jahre ist sie alt, ausgelassen, und immer noch schaukelt sie gerne. Die verhangenen Augen, das weiche hübsche Gesicht und die langen blonden Haare lassen sie verträumt aussehen, aber auch begierig. Hanna Schygulla spielt die junge Effi Briest als ein etwas weltabgewandtes Naturkind, das darauf wartet, dass das Leben endlich los geht. So freut sie sich auf ihre bevorstehende Hochzeit mit dem Baron Geert von Innstetten, an den sie auch schon hohe Erwartungen hat.
"Liebst Du Geert nicht? – Ich liebe alle, die gut zu mir sind und mich verwöhnen. Und Geert wird mich auch verwöhnen. – Und liebst Du vielleicht auch Deinen Vetter Briest? – Ja, er erheitert mich immer. – Und hättest Du Vetter Briest heiraten mögen? – Heiraten, um Gottes Willen nicht, das ist ja noch ein halber Junge. Geert, das ist ein Mann, ein Mann, mit dem ich Staat machen kann. Und aus dem etwas wird in der Welt."
Einziger Nachteil, Baron von Innstetten ist 20 Jahre älter als Effi. Trotzdem wird geheiratet. Aber wie zu erwarten kann der Baron - von Wolfgang Schenck so distinguiert wie verstockt gespielt - der lebenshungrigen Effi nicht bieten, wonach sie sich sehnt: leidenschaftlich geliebt zu werden. Und so verguckt sich Effi in den schneidigen jungen Major von Crampas. Ohne große Leidenschaft beginnt eine Affäre, mit der Effi versucht, aus der starren Welt des preußischen Adels auszubrechen. Aber das Abenteuer endet in der Katastrophe. Jahre später erfährt Innstetten von Effis Ehebruch, und obwohl die Geschichte lange vorbei ist und er selbst keinen Groll hegt, fordert er den Ex-Liebhaber seiner Frau zum Duell.
"Ich liebe meine Frau, ja, seltsam zu sagen, ich liebe sie noch. – Aber wenn Sie so zu den Sachen stehn und mir sagen, ich liebe diese Frau so sehr, dass ich ihr alles verzeihen kann, so frage ich, muss es denn sein? – Weil es trotzdem sein muss. Man ist nicht bloß ein einzelner Mensch, man gehört einem Ganzen an. Und auf das Ganze haben wir beständig Rücksicht zu nehmen."
Das Gefühl sagt etwas anderes, aber die Regeln müssen eingehalten werden – selbst wenn sie so völlig überkommen sind wie ein Duell. Theodor Fontane schildert in seinem 1895 erschienenen Roman "Effi Briest" eine Welt, die erstarrt ist in überkommenen Konventionen. Sie haben ihren Sinn verloren, sind unmenschlich, aber man hält an ihnen fest, weil noch nichts anderes existiert. Rainer Werner Fassbinder hat in seiner Verfilmung des Romans von 1974, der er den Titel "Fontane Effi Briest" gegeben hat, die Vorlage textgetreu inszeniert. Seit Anfang der Siebzigerjahre der Star des neuen deutschen Films, hat sich der Regisseur nach der ersten chaotisch-kreativen Phase einem Kino zugewandt, das den Formen des klassischen Erzählens folgt. Fassbinder im Bonusmaterial der DVD zu seiner Filmarbeit.
Fassbinder: "Meine Motivation Filme zu machen, hat sich geändert. Anfangs war es so, dass ich mir über meine eigenen Obsessionen klar werden wollte, während ich Filme machte. Habe dann in dieses Aufarbeiten von Leidenschaften so ein kritisches Gewissen mit hineingebracht und bin dann irgendwann einmal aufs reine Erzählen gekommen."
Fassbinder filmt die Geschichte zwar nah an Fontane, in originalgetreuer Kulisse und einem Schwarz-Weiß-Ton, der zeitliche Ferne suggeriert. Aber die extreme Stilisierung verfremdet das Geschehen und rückt die Figuren ins Zeitlose – und damit nah an die Gegenwart. Die Künstlichkeit der Kulisse, die eine sterile Museumsatmosphäre ausstrahlt, macht die Gefangenheit der Figuren in den Konventionen spürbar. Fassbinder lässt Hanna Schygulla als Effi mit einer Weltentrücktheit durch diese morbide Welt des Verfalls wandeln, die sie von der tristen Realität zwar enthebt, aber nicht von ihr befreit. Damit kommt Fassbinder Fontanes Effi, die sich aus dem selbstgewählten Gefängnis nie befreien kann und will, sehr nahe. Erst als sie von der Gesellschaft verstoßen und ihr die Tochter entfremdet wird, brechen echte Gefühle aus ihr heraus.
"Ich will euch nicht mehr. Ich hasse euch. Mich ekelt, vor was ich getan. Aber mehr noch ekelt mich vor eurer Tugend. Weg mit euch. Ich muss leben. Aber ewig wird es wohl nicht dauern."
Im Bonusmaterial zu "Fontane Effi Briest" gibt es eine halbstündige Dokumentation von 1977 über Fassbinder, die sehr lebendig einiges über seine Arbeitsweise zeigt, leider aber nichts über "Effi Briest". Dafür aber beeindruckend zu sehen, wie subtil Fassbinder im Gegensatz zu anderen Regiekollegen der politisch bewegten Siebzigerjahre diese Gesellschaftsanalyse inszeniert. Die Figuren sind wie bei Fontane freiwillige Gefangene ihrer Welt, aber für einen Ausbruch haben weder sie noch der Autor eine Lösung. Darin hat Fassbinder sich Fontane verbunden gefühlt, und das lässt diese überzeugende Literaturverfilmung gleichzeitig so authentisch wie gegenwärtig aussehen.
17 Jahre ist sie alt, ausgelassen, und immer noch schaukelt sie gerne. Die verhangenen Augen, das weiche hübsche Gesicht und die langen blonden Haare lassen sie verträumt aussehen, aber auch begierig. Hanna Schygulla spielt die junge Effi Briest als ein etwas weltabgewandtes Naturkind, das darauf wartet, dass das Leben endlich los geht. So freut sie sich auf ihre bevorstehende Hochzeit mit dem Baron Geert von Innstetten, an den sie auch schon hohe Erwartungen hat.
"Liebst Du Geert nicht? – Ich liebe alle, die gut zu mir sind und mich verwöhnen. Und Geert wird mich auch verwöhnen. – Und liebst Du vielleicht auch Deinen Vetter Briest? – Ja, er erheitert mich immer. – Und hättest Du Vetter Briest heiraten mögen? – Heiraten, um Gottes Willen nicht, das ist ja noch ein halber Junge. Geert, das ist ein Mann, ein Mann, mit dem ich Staat machen kann. Und aus dem etwas wird in der Welt."
Einziger Nachteil, Baron von Innstetten ist 20 Jahre älter als Effi. Trotzdem wird geheiratet. Aber wie zu erwarten kann der Baron - von Wolfgang Schenck so distinguiert wie verstockt gespielt - der lebenshungrigen Effi nicht bieten, wonach sie sich sehnt: leidenschaftlich geliebt zu werden. Und so verguckt sich Effi in den schneidigen jungen Major von Crampas. Ohne große Leidenschaft beginnt eine Affäre, mit der Effi versucht, aus der starren Welt des preußischen Adels auszubrechen. Aber das Abenteuer endet in der Katastrophe. Jahre später erfährt Innstetten von Effis Ehebruch, und obwohl die Geschichte lange vorbei ist und er selbst keinen Groll hegt, fordert er den Ex-Liebhaber seiner Frau zum Duell.
"Ich liebe meine Frau, ja, seltsam zu sagen, ich liebe sie noch. – Aber wenn Sie so zu den Sachen stehn und mir sagen, ich liebe diese Frau so sehr, dass ich ihr alles verzeihen kann, so frage ich, muss es denn sein? – Weil es trotzdem sein muss. Man ist nicht bloß ein einzelner Mensch, man gehört einem Ganzen an. Und auf das Ganze haben wir beständig Rücksicht zu nehmen."
Das Gefühl sagt etwas anderes, aber die Regeln müssen eingehalten werden – selbst wenn sie so völlig überkommen sind wie ein Duell. Theodor Fontane schildert in seinem 1895 erschienenen Roman "Effi Briest" eine Welt, die erstarrt ist in überkommenen Konventionen. Sie haben ihren Sinn verloren, sind unmenschlich, aber man hält an ihnen fest, weil noch nichts anderes existiert. Rainer Werner Fassbinder hat in seiner Verfilmung des Romans von 1974, der er den Titel "Fontane Effi Briest" gegeben hat, die Vorlage textgetreu inszeniert. Seit Anfang der Siebzigerjahre der Star des neuen deutschen Films, hat sich der Regisseur nach der ersten chaotisch-kreativen Phase einem Kino zugewandt, das den Formen des klassischen Erzählens folgt. Fassbinder im Bonusmaterial der DVD zu seiner Filmarbeit.
Fassbinder: "Meine Motivation Filme zu machen, hat sich geändert. Anfangs war es so, dass ich mir über meine eigenen Obsessionen klar werden wollte, während ich Filme machte. Habe dann in dieses Aufarbeiten von Leidenschaften so ein kritisches Gewissen mit hineingebracht und bin dann irgendwann einmal aufs reine Erzählen gekommen."
Fassbinder filmt die Geschichte zwar nah an Fontane, in originalgetreuer Kulisse und einem Schwarz-Weiß-Ton, der zeitliche Ferne suggeriert. Aber die extreme Stilisierung verfremdet das Geschehen und rückt die Figuren ins Zeitlose – und damit nah an die Gegenwart. Die Künstlichkeit der Kulisse, die eine sterile Museumsatmosphäre ausstrahlt, macht die Gefangenheit der Figuren in den Konventionen spürbar. Fassbinder lässt Hanna Schygulla als Effi mit einer Weltentrücktheit durch diese morbide Welt des Verfalls wandeln, die sie von der tristen Realität zwar enthebt, aber nicht von ihr befreit. Damit kommt Fassbinder Fontanes Effi, die sich aus dem selbstgewählten Gefängnis nie befreien kann und will, sehr nahe. Erst als sie von der Gesellschaft verstoßen und ihr die Tochter entfremdet wird, brechen echte Gefühle aus ihr heraus.
"Ich will euch nicht mehr. Ich hasse euch. Mich ekelt, vor was ich getan. Aber mehr noch ekelt mich vor eurer Tugend. Weg mit euch. Ich muss leben. Aber ewig wird es wohl nicht dauern."
Im Bonusmaterial zu "Fontane Effi Briest" gibt es eine halbstündige Dokumentation von 1977 über Fassbinder, die sehr lebendig einiges über seine Arbeitsweise zeigt, leider aber nichts über "Effi Briest". Dafür aber beeindruckend zu sehen, wie subtil Fassbinder im Gegensatz zu anderen Regiekollegen der politisch bewegten Siebzigerjahre diese Gesellschaftsanalyse inszeniert. Die Figuren sind wie bei Fontane freiwillige Gefangene ihrer Welt, aber für einen Ausbruch haben weder sie noch der Autor eine Lösung. Darin hat Fassbinder sich Fontane verbunden gefühlt, und das lässt diese überzeugende Literaturverfilmung gleichzeitig so authentisch wie gegenwärtig aussehen.