Faszination Licht
Ob natürlich oder künstlich - Licht hat schon immer eine besondere Faszination auf Künstler ausgeübt. Nun zeigt das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) sowohl Werke historischer Lichtkunst-Epochen als auch Werke der Gegenwartskunst zum Thema künstliches Licht.
Dies sei die größte Ausstellung, die das ZKM je gemacht habe, freute sich Museumsdirektor Peter Weibel. Auf alle Fälle ist es die Ausstellung mit dem größten Stromverbrauch. Nichts für Öko-Freaks also. Eher etwas für die technikbegeisterte Klientel, die das ZKM seit je bedient. Die Erfindung der Glühbirne sei, so zitieren die Kuratoren denn auch freudig den Titel einer Futurismus-Oper von Michail Matjuschin aus dem Jahr 1913, ein "Sieg über die Sonne" gewesen.
Das war sie natürlich keineswegs, eher ein kleiner Triumph über die Dunkelheit; aber die illuminierten Großstädte entwickelten im Laufe des 20. Jahrhunderts ein ganz eigenes Nachtleben, und das Wunder der Kunstlichts ermöglichte neue Lebens- und Arbeitsrhythmen.
Die Faszination, die vom künstlichen Licht ausgehen kann und die der Kulturwissenschaftler Wolfgang Schivelbusch untersucht hat, ist in dieser Ausstellung allerdings nicht recht spürbar. 235 Künstler sind zu sehen: Man argumentiert mit schierer Quantität und setzt den Zuschauer unter visuellen Dauerbeschuss.
Die Kuratoren versuchen aber – verdienstvollerweise - eine Verklammerung historischer Lichtkunst-Epochen mit sehr viel Gegenwartskunst. Das heißt, man kann die Filme Walter Ruttmanns aus den 1920er Jahren, Licht-Symphonien, Ballette schwarz-weißer geometrischer Formen, ebenso anschauen wie die begehbaren Leuchträume der italienischen kinetischen Nachkriegskunst oder die geheimnisvoll abstrakten Sternenhimmel-Installationen des Otto Piene und seiner "ZERO"-Gruppe aus den 1960er Jahren - letzteres Werke, die lange nicht mehr ausgestellt waren und rekonstruiert werden mussten. Kurator Gregor Jansen musste bei den Künstlern nicht gerade um die Werke betteln:
Jansen: "Otto Piene hatte in Bozen einen Kubus, einen Raum, der seit 30 Jahren nicht mehr gezeigt wurde. Der ist in Bozen im Museum. Wir haben einfach, und die haben gesagt: ja klar, gerne. Oder: wir haben Günter Uecker gebeten, an dieser Ausstellung mitzuwirken, und haben gesagt, dass wir auch Räume der italienischen 'Gruppe T' rekonstruieren wollen – und er hat gesagt: ja, ich würd mich freuen, wenn eine Arbeit, die seit 30 Jahren in meiner Lagerhalle steht, wenn die mal wieder gezeigt würde."
Kunsttheoretisch ist die Ausstellung ein Galopp durch diverse Stilepochen: Arte Povera, Op-Art und Minimal Art, Pop Art und Konzeptkunst – mit einem starken Überhang in die Gegenwartskunst hinein. Das geschah ganz bewusst, sagt Gregor Jansen.
Jansen: "Das ist das Sensationelle - wenn man anfängt zu recherchieren, welche Künstler haben eigentlich mit Licht gearbeitet – man findet kaum eine Ausnahme. Jeder ist von diesem Medium, von dieser Form der leichten Materie fasziniert. Wir sitzen ja jetzt hier im Medientheater des ZKM, wo man unterschiedlichste Lichtstimmungen, Lichttöne, kaltes, warmes, blaues, rotes, grünes Licht – also: Licht ist ein Ausdrucksmittel wie Malerei, aber trotzdem immateriell. Das reizt, das regt an. Und fast alle Künstler haben Versuche unternommen, sich da auszudrücken."
Wenn aber alle mal etwas "mit Licht gemacht" haben und man fast alle auch zeigen will, dann fehlen offenbar die Auswahlkriterien. Vollständigkeit ist der Ehrgeiz dieser Ausstellung – und das heißt, es mangelt an Struktur. Etwas negativer ausgedrückt: Es ist ein rechtes Durcheinander, etwa so wie der unaufgeräumte Schreibtisch des Museumsdirektors Peter Weibel, des zweiten Kurators.
Immerhin ist augenfällig, wie viele der beteiligten Künstler sich auf die Tradition beziehen. Der Minimalist Dan Flavin, in Amerika der Protagonist der Leuchtröhren-Bewegung, errichtet mit Baumarkt-Röhren eine konstruktivistische Hommage an Vladimir Tatlin. Sylvie Fleury übersetzt Caspar David Friedrichs "Eismeer"-Bild in eine Assemblage grellbunt illuminierter Plastikteile. Ferdinand Kriwet baut Leuchtreklamen mit konkreter Poesie. Und der Time-Space-Modulator des Mike Kelley, ein Riesenrotor, der Erinnerungsbilder an die Wände wirft, bezieht sich direkt auf László Moholy-Nagy.
Die überzeugenderen Arbeiten öffnen dem Betrachter Meditations- und Ruheräume oder ermöglichen ihm eine optische Verunsicherung, ein Flirren und Halluzinieren – etwa die Leuchtkästen der Op-Art, das Lichtambiente des Gianni Colombo, freistehend tanzendes Neon, "Néon dans l’espace" von Francois Morellet, die im Dunkel schwebenden blauen Kugeln des Hugo Demarco oder die spiegelnden Scheiben des Olafur Eliasson. Das ist viel überzeugender als technische Spielereien wie Live-Stream-Schaltungen zu Sonnenaufgängen, Flashlights, Laser-Räume oder als die angeblich provokante politische Korrektheit der Sarah Lucas, die ein ledernes Sofakissen mit einem phallischen Leuchtstab durchbohrt.
Das ZKM, eine alte Munitionsfabrik, hat riesige hohe Hallen, und die werden auch großräumig bespielt – leider mit den eher dekorativen großen Flimmerbäumen des John Armleder.
Jansen: "Die Arbeiten von Björn Dahlem und John Armleder haben einen Bezug, der sich größenmäßig entfalten muss. Der kann nicht in einen kleinen Raum, der braucht eine Höhe. Armleder ist sechs Meter, Dahlem acht Meter hoch. Damit die wirken, brauchen die noch mal ein paar Meter um sie herum. Das gibt’s hier. Die Chance, solche Arbeiten zu zeigen, ist nicht so häufig, und die haben wir hier. John Armleder mit seinen Lichtbäumen, die aus dem Stadtraum Asiens kommen und da als kitschige Dekorationen fast jede Straßenecke beleuchten, die flimmern nach außen..."
Die Ausstellung will auch in die Stadt hineinleuchten – vor dem ZKM wird Michael Sailstorfer Straßenlaternen als Sternschnuppen einige Meter weit in die Luft schießen, und auf das ZKM-Dach hat Ekke Bonk einen Leuchtturm gesetzt.
Innen leuchtet das ZKM allerdings eher wie ein Weihnachtsbaum – und das heißt: Es sieht aus wie in der Fußgängerzone – alles sehr groß und sehr beliebig. Bei der Präsentation der Ausstellung sprach die Direktion davon, dass die Ausstellung ins "Guinness-Buch der Rekorde" eingehen wolle. Die Frage ist nur, ob auch die Zuschauer da hineinwollen.
Das war sie natürlich keineswegs, eher ein kleiner Triumph über die Dunkelheit; aber die illuminierten Großstädte entwickelten im Laufe des 20. Jahrhunderts ein ganz eigenes Nachtleben, und das Wunder der Kunstlichts ermöglichte neue Lebens- und Arbeitsrhythmen.
Die Faszination, die vom künstlichen Licht ausgehen kann und die der Kulturwissenschaftler Wolfgang Schivelbusch untersucht hat, ist in dieser Ausstellung allerdings nicht recht spürbar. 235 Künstler sind zu sehen: Man argumentiert mit schierer Quantität und setzt den Zuschauer unter visuellen Dauerbeschuss.
Die Kuratoren versuchen aber – verdienstvollerweise - eine Verklammerung historischer Lichtkunst-Epochen mit sehr viel Gegenwartskunst. Das heißt, man kann die Filme Walter Ruttmanns aus den 1920er Jahren, Licht-Symphonien, Ballette schwarz-weißer geometrischer Formen, ebenso anschauen wie die begehbaren Leuchträume der italienischen kinetischen Nachkriegskunst oder die geheimnisvoll abstrakten Sternenhimmel-Installationen des Otto Piene und seiner "ZERO"-Gruppe aus den 1960er Jahren - letzteres Werke, die lange nicht mehr ausgestellt waren und rekonstruiert werden mussten. Kurator Gregor Jansen musste bei den Künstlern nicht gerade um die Werke betteln:
Jansen: "Otto Piene hatte in Bozen einen Kubus, einen Raum, der seit 30 Jahren nicht mehr gezeigt wurde. Der ist in Bozen im Museum. Wir haben einfach, und die haben gesagt: ja klar, gerne. Oder: wir haben Günter Uecker gebeten, an dieser Ausstellung mitzuwirken, und haben gesagt, dass wir auch Räume der italienischen 'Gruppe T' rekonstruieren wollen – und er hat gesagt: ja, ich würd mich freuen, wenn eine Arbeit, die seit 30 Jahren in meiner Lagerhalle steht, wenn die mal wieder gezeigt würde."
Kunsttheoretisch ist die Ausstellung ein Galopp durch diverse Stilepochen: Arte Povera, Op-Art und Minimal Art, Pop Art und Konzeptkunst – mit einem starken Überhang in die Gegenwartskunst hinein. Das geschah ganz bewusst, sagt Gregor Jansen.
Jansen: "Das ist das Sensationelle - wenn man anfängt zu recherchieren, welche Künstler haben eigentlich mit Licht gearbeitet – man findet kaum eine Ausnahme. Jeder ist von diesem Medium, von dieser Form der leichten Materie fasziniert. Wir sitzen ja jetzt hier im Medientheater des ZKM, wo man unterschiedlichste Lichtstimmungen, Lichttöne, kaltes, warmes, blaues, rotes, grünes Licht – also: Licht ist ein Ausdrucksmittel wie Malerei, aber trotzdem immateriell. Das reizt, das regt an. Und fast alle Künstler haben Versuche unternommen, sich da auszudrücken."
Wenn aber alle mal etwas "mit Licht gemacht" haben und man fast alle auch zeigen will, dann fehlen offenbar die Auswahlkriterien. Vollständigkeit ist der Ehrgeiz dieser Ausstellung – und das heißt, es mangelt an Struktur. Etwas negativer ausgedrückt: Es ist ein rechtes Durcheinander, etwa so wie der unaufgeräumte Schreibtisch des Museumsdirektors Peter Weibel, des zweiten Kurators.
Immerhin ist augenfällig, wie viele der beteiligten Künstler sich auf die Tradition beziehen. Der Minimalist Dan Flavin, in Amerika der Protagonist der Leuchtröhren-Bewegung, errichtet mit Baumarkt-Röhren eine konstruktivistische Hommage an Vladimir Tatlin. Sylvie Fleury übersetzt Caspar David Friedrichs "Eismeer"-Bild in eine Assemblage grellbunt illuminierter Plastikteile. Ferdinand Kriwet baut Leuchtreklamen mit konkreter Poesie. Und der Time-Space-Modulator des Mike Kelley, ein Riesenrotor, der Erinnerungsbilder an die Wände wirft, bezieht sich direkt auf László Moholy-Nagy.
Die überzeugenderen Arbeiten öffnen dem Betrachter Meditations- und Ruheräume oder ermöglichen ihm eine optische Verunsicherung, ein Flirren und Halluzinieren – etwa die Leuchtkästen der Op-Art, das Lichtambiente des Gianni Colombo, freistehend tanzendes Neon, "Néon dans l’espace" von Francois Morellet, die im Dunkel schwebenden blauen Kugeln des Hugo Demarco oder die spiegelnden Scheiben des Olafur Eliasson. Das ist viel überzeugender als technische Spielereien wie Live-Stream-Schaltungen zu Sonnenaufgängen, Flashlights, Laser-Räume oder als die angeblich provokante politische Korrektheit der Sarah Lucas, die ein ledernes Sofakissen mit einem phallischen Leuchtstab durchbohrt.
Das ZKM, eine alte Munitionsfabrik, hat riesige hohe Hallen, und die werden auch großräumig bespielt – leider mit den eher dekorativen großen Flimmerbäumen des John Armleder.
Jansen: "Die Arbeiten von Björn Dahlem und John Armleder haben einen Bezug, der sich größenmäßig entfalten muss. Der kann nicht in einen kleinen Raum, der braucht eine Höhe. Armleder ist sechs Meter, Dahlem acht Meter hoch. Damit die wirken, brauchen die noch mal ein paar Meter um sie herum. Das gibt’s hier. Die Chance, solche Arbeiten zu zeigen, ist nicht so häufig, und die haben wir hier. John Armleder mit seinen Lichtbäumen, die aus dem Stadtraum Asiens kommen und da als kitschige Dekorationen fast jede Straßenecke beleuchten, die flimmern nach außen..."
Die Ausstellung will auch in die Stadt hineinleuchten – vor dem ZKM wird Michael Sailstorfer Straßenlaternen als Sternschnuppen einige Meter weit in die Luft schießen, und auf das ZKM-Dach hat Ekke Bonk einen Leuchtturm gesetzt.
Innen leuchtet das ZKM allerdings eher wie ein Weihnachtsbaum – und das heißt: Es sieht aus wie in der Fußgängerzone – alles sehr groß und sehr beliebig. Bei der Präsentation der Ausstellung sprach die Direktion davon, dass die Ausstellung ins "Guinness-Buch der Rekorde" eingehen wolle. Die Frage ist nur, ob auch die Zuschauer da hineinwollen.