Faszination Weltraum

Eine Botschaft an alle Außerirdischen

Zwei Außerirdische
Gibt es sie - und wenn ja, was würden die Außerirdischen wohl von uns Menschen halten? © picture-alliance / dpa / Frank May
Von David Lauer |
Seit Jahrzehnten suchen die Menschen nach Spuren außerirdischen Lebens. Der Philosoph David Lauer fände interessanter zu erfahren, welche Botschaft wir ins All schicken würden. Wie würden wir unsere Gattung beschreiben?
"Achtung, Achtung! Dies ist eine Botschaft vom Planeten Erde. Ich grüße Euch, Fremdlinge!" -- Entschuldigung. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. Wer kann denn wissen, von wem die Radiowellen dieser Sendung so alles aufgefangen werden? Und gehört nicht der Erstkontakt mit einer außerirdischen Intelligenz zu den letzten genuin utopischen Träumen, die sich die Menschheit zu Beginn dieses 21. Jahrhunderts noch gestattet?

Realer Fortschritt und utopische Phantasie

Davon zeugen der Erfolg der Romane von Stanislaw Lem und Arthur C. Clarke, der Kino-Blockbuster von Spielberg bis Emmerich und nicht zuletzt legendärer Fernsehserien wie "Star Trek" und "Raumschiff Orion", deren 50. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern. Hinzu kommt, dass die fortgeschrittene Messtechnik in den letzten Jahren die Entdeckung von immer mehr erdähnlichen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems ermöglicht hat – zuletzt, vor wenigen Wochen, die von "Proxima Centauri b" in nur gut 4 Lichtjahren Entfernung.
Realer Fortschritt und utopische Phantasie befeuern die Suche nach außerirdischem intelligenten Leben in bisher ungekannter Weise: Mit 100 Millionen Dollar privater Förderung sucht die unter anderem von Stephen Hawking unterstützte "Breakthrough"-Initiative nach Signalen außerirdischer Intelligenz. Zugleich hat sie einen Wettbewerb ausgeschrieben für die Komposition einer Botschaft, die wir unsererseits ins All schicken können.
Es wäre nicht die erste. Die bekannteste von ihnen ist die legendäre vergoldete Schallplatte, die sich an Bord der 1977 gestarteten Voyager-Sonden befindet, die inzwischen als erste und einzige menschliche Artefakte das Sonnensystem verlassen haben. Man kann sich die Schallplatte im Netz anhören. Sie enthält Bilder, Töne und Musik von der Erde, Grüße in 55 Sprachen und eine Botschaft des damaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen.
Das Star Trek-Flaggschiff, die USS Enterprise.
Das Star Trek-Flaggschiff, die USS Enterprise.© dpa/ picture-alliance
Es ist tröstlich zu wissen, dass die Menschheit im interstellaren Raum nun von Kurt Waldheim repräsentiert wird. Eine deutsche Botschaft ist übrigens auch auf der Platte. Sie lautet: "Herzliche Grüße an alle." Darüber kann man lange nachdenken. Nicht zuletzt stellt sich die Frage: Was hätten wir einer außerirdischen Intelligenz eigentlich mitzuteilen? Zunächst doch nur eines: Wir sind hier! Aber wer sind wir? Das ist der eigentliche, der einzige Inhalt der Botschaft. Bei der Voyager-Mission war ein ganzes Team unter der Leitung des genialen Astrophysikers Carl Sagan damit befasst, diese Frage möglichst allgemeingültig zu beantworten. Mit 40 Jahren Abstand freilich lässt sich nicht übersehen, wie sehr die Botschaft ihrer Zeit verhaftet war: Die dargestellten Menschen sind beinahe ausschließlich weiß, der Mann steht vorne und grüßt, die Frau steht reglos dahinter, und die Musikauswahl eurozentrisch zu nennen, wäre noch freundlich ausgedrückt. Immerhin ist Chuck Berry drauf.

Schon Kant schrieb über die "nicht irdischen Wesen"

Aber was würden wir heute schicken? Wie würden wir "uns" darstellen? Das ist die eigentlich spannende philosophische Frage hinter Aufrufen wie dem der "Breakthrough"-Initiative. Es geht um die Frage, wer wir sind. Dazu brauchen wir die Aliens – als Kontrastfolie. Kant hat das gewusst. In seiner "Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" von 1798 schreibt er über die Gattung Mensch:
"Der oberste Gattungsbegriff mag der eines irdischen vernünftigen Wesens sein, so werden wir [doch] keinen Charakter desselben nennen können, weil wir von vernünftigen, nicht irdischen Wesen keine Kenntnis haben […] Es scheint also, das Problem, den Charakter der Menschengattung anzugeben, sei schlechterdings unauflöslich, weil die Auflösung durch Vergleichung zweier Spezies vernünftiger Wesen durch Erfahrung angestellt sein müßte, welche die letztere uns nicht darbietet."
Die Erfahrung nicht – aber zum Glück die Science Fiction. Wenn also, liebe Bewohner von Proxima Centauri b, demnächst eine wunderliche Botschaft vom Planeten Erde bei euch landet, zerbrecht euch nicht zu sehr den Kopf: Wir reden eigentlich mit uns selbst. Herzliche Grüße an alle!
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