Faszinierend schöne Wege in die Welt
Der Lyriker Lutz Seiler baut weiter an der besonderen Klangwelt seiner Wortfelder. Im Gedichtband "im felderlatein" zeichnet er faszinierend schöne Wege in die Welt. Das richtige Maß, diese Wege mit Vorsicht sprachlich abzuschreiten, hat er gefunden.
Das Gedicht mit dem Titel "das neue reich" eröffnet die erste Abteilung in Lutz Seilers neuem Lyrikband "im felderlatein". "Das neue Reich" ist auch der Titel eines Gedichtbandes von Stefan George, der 1928 erschien. Darin findet sich das Gedicht "Der Dichter in Zeiten der Wirren". Am Schluss dieses Gedichtes wird auf jenes "neue Reich" verwiesen, dem Georges Hoffen galt. Es sollte "großes wiederum groß" und "zucht wiederum zucht" sein, weshalb George das "wahre sinnbild auf das völkische banner" zu heften gedachte.
Der in diesem Gedicht von George angeschlagene Ton will zu Lutz Seilers lyrischer Sprache so gar nicht passen. Und doch zitiert Seiler ein weiteres George Gedicht aus dem Band "Das Jahr der Seele" von 1918 mit dem Titel "Komm in den totgesagten park und schau". Allerdings heißt es bei ihm: "komm in / den totgesagten technikpark". Geht man den von Seiler gelegten Spuren nach, findet man sich auf zwei verschiedenen Feldern der Georgeschen Dichtung wieder. Das eine wurde in den dreißiger Jahren so intensiv beackert, dass es George zu Ruhm verhalf. Jahre später aber lag es brach, musste offensichtlich brachliegen, um George auf einem andern Dichtungsfeld entdecken zu können.
Der Dichter läuft in verwirrenden Zeiten Gefahr – wie es George formulierte – "verhört" zu werden. Vom Hören ist häufig in den Gedichten Lutz Seilers die Rede, der in seinem neuen Lyrikband die Bedeutungsfelder der Sprache abschreitet und dabei die Wortfelder vermisst. Im "felderlatein" soll so viel heißen wie: Unterwegsein im "Acker einer Sprache".
Lutz Seiler achtet in den neuen Gedichten sehr genau auf den Boden. Er lässt Vorsicht walten, wenn er geht, denn der Untergrund ist wie die Dichtung doppelbödig. Auch wenn er sich nur "schritt für schritt" vorwärts bewegt – es ist Obacht geboten. Denn in der Landschaft wie in der Sprache finden sich "Fallen", sodass Zurückhaltung angebracht erscheint. Davon handelt das Gedicht "wer hinten geht", in dem es heißt: "wer hinten geht / hat seine eigne welt. ganz leicht / fällt alles vom geräusch / der schritte ab / ins laub."
Es ist diese besondere Klangwelt der Schritte und der Sprache, in die sich Seiler in den neuen Gedichten hineinhört. Er stellt damit einen Bezug zu seinem Debütband "berührt / geführt" (1995) her, in dem das Gehen eine wichtige Funktion hat und er schließt an seinen Gedichtband "pech & blende" an, in dem sich ein Gedicht mit dem Titel "im felderlatein" findet. Dieses Gedicht spricht von einer aus Sand gebauten Welt und von "gemurmelter Sprache", die nach innen will.
Seilers neue Gedichte gehen zunächst auf Distanz, um dann aus der Perspektive der Ferne jene Nähe zu wagen, die es braucht, um nicht an dem vorbeizugehen, was Beachtung verdient. Dazu ist ein richtiges Schrittmaß nötig, das Seiler in den Bedeutungsfeldern der Sprache findet. Seine Gedichte erweisen sich immer wieder als faszinierend schöne Wege in die Welt, deren Klang sich beim Gehen erschließt.
Besprochen von Michael Opitz
Lutz Seiler: im felderlatein – Gedichte
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
99 Seiten, 14,90 Euro
Der in diesem Gedicht von George angeschlagene Ton will zu Lutz Seilers lyrischer Sprache so gar nicht passen. Und doch zitiert Seiler ein weiteres George Gedicht aus dem Band "Das Jahr der Seele" von 1918 mit dem Titel "Komm in den totgesagten park und schau". Allerdings heißt es bei ihm: "komm in / den totgesagten technikpark". Geht man den von Seiler gelegten Spuren nach, findet man sich auf zwei verschiedenen Feldern der Georgeschen Dichtung wieder. Das eine wurde in den dreißiger Jahren so intensiv beackert, dass es George zu Ruhm verhalf. Jahre später aber lag es brach, musste offensichtlich brachliegen, um George auf einem andern Dichtungsfeld entdecken zu können.
Der Dichter läuft in verwirrenden Zeiten Gefahr – wie es George formulierte – "verhört" zu werden. Vom Hören ist häufig in den Gedichten Lutz Seilers die Rede, der in seinem neuen Lyrikband die Bedeutungsfelder der Sprache abschreitet und dabei die Wortfelder vermisst. Im "felderlatein" soll so viel heißen wie: Unterwegsein im "Acker einer Sprache".
Lutz Seiler achtet in den neuen Gedichten sehr genau auf den Boden. Er lässt Vorsicht walten, wenn er geht, denn der Untergrund ist wie die Dichtung doppelbödig. Auch wenn er sich nur "schritt für schritt" vorwärts bewegt – es ist Obacht geboten. Denn in der Landschaft wie in der Sprache finden sich "Fallen", sodass Zurückhaltung angebracht erscheint. Davon handelt das Gedicht "wer hinten geht", in dem es heißt: "wer hinten geht / hat seine eigne welt. ganz leicht / fällt alles vom geräusch / der schritte ab / ins laub."
Es ist diese besondere Klangwelt der Schritte und der Sprache, in die sich Seiler in den neuen Gedichten hineinhört. Er stellt damit einen Bezug zu seinem Debütband "berührt / geführt" (1995) her, in dem das Gehen eine wichtige Funktion hat und er schließt an seinen Gedichtband "pech & blende" an, in dem sich ein Gedicht mit dem Titel "im felderlatein" findet. Dieses Gedicht spricht von einer aus Sand gebauten Welt und von "gemurmelter Sprache", die nach innen will.
Seilers neue Gedichte gehen zunächst auf Distanz, um dann aus der Perspektive der Ferne jene Nähe zu wagen, die es braucht, um nicht an dem vorbeizugehen, was Beachtung verdient. Dazu ist ein richtiges Schrittmaß nötig, das Seiler in den Bedeutungsfeldern der Sprache findet. Seine Gedichte erweisen sich immer wieder als faszinierend schöne Wege in die Welt, deren Klang sich beim Gehen erschließt.
Besprochen von Michael Opitz
Lutz Seiler: im felderlatein – Gedichte
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
99 Seiten, 14,90 Euro