Fasziniert von einer fremden Welt
An diesem Donnerstag kommt "Dr. Alemán" in die Kinos, ein Film von Tom Schreiber. Der 39-jährige Kölner Regisseur hat den Film um einen deutschen Medizinstudenten in Cali in Kolumbien gedreht - einer Stadt, die vor allem durch Gewalt und Drogenkartelle traurige Berühmtheit erlangte.
"Regisseursein ist ein wunderbarer Job. Man darf Geschichten erzählen, man darf entscheiden, wie das gemacht wird. Die Themen, die in einem schlummern, darf man bearbeiten und seine Ansätze präsentieren und zur Diskussion stellen, und das ist, finde ich schon, ein echtes Geschenk, so ein Beruf."
Tom Schreiber wirkt entspannt. Der 39-Jährige etwas schlaksig wirkende Regisseur mit den braunen lockigen Haaren und den leichten Geheimratsecken ist eine Stunde zuvor aus dem Urlaub gekommen und sitzt nun braun gebrannt in Jeans und verwaschenem T-Shirt in seiner Wohnung im Belgischen Viertel in Köln - einem Altbau mit hohen, stuckverzierten Decken und Fischgrät-Parkett.
Im Zentrum seines Film "Dr. Alemán" – einer Mischung aus Abenteuer-, Liebes- und Gangstergeschichte – steht ein 26-jähriger deutscher Medizinstudent. Marc möchte sein praktisches Jahr in einem Krankenhaus in der kolumbianischen Drogenmetropole Cali verbringen, einer Stadt, in der Gewalt durch rivalisierende Gangs und Schießereien an der Tagesordnung sind.
Filmausschnitt:
Chefarzt: "Auf den ersten Blick, was können Sie mir über diesen Patienten sagen?"
Marc: "Er ist traurig."
Chefarzt: "Das Emotionale zuerst, sehr gut. Was noch?"
Marc: "Er hat ein Loch in der Brust, oder?"
Chefarzt: "Haben Sie denn schon irgendwelche Erfahrungen mit Schusswunden?"
Marc: "Wissen Sie, in Deutschland ist es schon verboten, sonntags den Rasen zu mähen, und alle halten sich daran, um die Nachbarn nicht zu stören."
Chefarzt: "Ich glaube, der richtige Platz für Sie ist hier, die Notaufnahme."
Der lebenshungrige Marc lebt in einer Gastfamilie, sucht aber schnell das Abenteuer, wagt sich voller Naivität in das gefährliche Armenviertel Siloé, freundet sich dort mit Straßenkindern an, probiert Kokain und verliebt sich in die Kioskbesitzerin Wanda. Der sozialromantische Moralist ist fasziniert von dieser fremden Welt, möchte dazugehören und dort seine humanistischen Ideale durchsetzen, muss am Ende aber feststellen, dass er immer ein Fremder in dieser Kultur bleiben wird. Tom Schreiber hat an Originalschauplätzen in Siloé gedreht, zwischen Wellblechhütten und Bretterbuden.
"Der ausführende Produzent dort vor Ort, der hat schon anderthalb Jahre vorgearbeitet, dass dieses ganze Viertel informiert war. Mit allen Banden ist geredet worden, also alle wussten, wir sind da, und es gab Agreements, dass wir das da machen konnten. Und die sind meines Wissens nicht finanziell geregelt worden."
Viele der Schauspieler sind Laiendarsteller aus Siloé in Cali, mit denen der Regisseur über anderthalb Jahre hinweg immer wieder in Schauspielworkshops gearbeitet hat.
"Die Energie war immer großartig, also es war wirklich eine Lust da, zu lernen, oder auch eine Lust da, uns zu erklären, wie das Leben da wirklich funktioniert, also wir konnten da sehr viel voneinander nehmen und geben."
Es ist ein Herzensprojekt des 39-jährigen Regisseurs, dessen Film auf den Briefen eines alten Schulfreundes basiert, der ihm regelmäßig von seinem praktischen Jahr als Arzt in Cali berichtete. Auch Tom Schreiber kennt das Gefühl des Scheiterns und des Verlorenseins in einer fremden Welt, nicht nur von seinen Reisen durch Peru, Bolivien, Nicaragua und Costa Rica. Im Rahmen eines Stipendiums der Kölner Kunsthochschule für Medien hat er ein halbes Jahr an einer Filmhochschule auf Kuba studiert. Klar, sei er auf Reisen auch immer ein Sozialromantiker gewesen, der dahin gegangen ist, wo es wehtut, wie er es nennt.
"Ich bin, glaube ich, drei Mal ausgeraubt worden im ersten Monat in Kuba, gar nicht schlimm, also es waren jetzt keine körperlich gefährlichen Situationen, aber die Sachen waren andauernd weg, und ich bin da ziemlich verarscht worden, weil ich wollte auf keinen Fall dort sein, wo die Touristen sind, sondern ich wollte dazugehören und gucken, wie leben die, und da bin ich auch öfter auf die Schnauze gefallen."
Tom Schreiber ist zusammen mit einem Bruder im Oberbergischen Land in der Nähe von Gummersbach aufgewachsen. Der Vater arbeitete als Bürokaufmann, die Mutter als Krankengymnastin. Nach dem Abitur machte er Kamera- und Fotoassistenzen in München und in Köln.
"Und dann bin ich viel gereist damals schon und wusste nicht so genau, was ich mit meinem Leben anfange, habe halt auch gesucht und gesucht und gesucht und bin dann irgendwann über die Fotografie an die Kunsthochschule für Medien gekommen, wollte dort eigentlich auch Fotografie machen und bin dann da ziemlich schnell - weil ich mich auch mit dem Fotografie-Professor nicht sehr gut verstanden habe - in den Filmbereich gekommen, der mich dann aber auch reizte ziemlich schnell, und da bin ich hängen geblieben."
Nach seinem Regie-Abschluss an der Kölner Kunsthochschule für Medien hat Schreiber zwei Jahre als Regie-Assistent in Deutschland und Spanien gearbeitet. Vor fünf Jahren gab er dann mit "Narren", einem kafkaesken Psychodrama vor dem Hintergrund des Kölner Karnevals, sein Spielfilmdebüt. Natürlich habe es ein Weilchen bis zum zweiten Film gedauert, sagt Tom Schreiber schmunzelnd, aber er habe ganz einfach die Zeit gebraucht. Ob er jemals gezweifelt hat?
"Ich glaube, Zweifeln ist die einzige Form, wie man zum Resultat kommt. Es ist eine Kunstform und Kunst ist Zweifeln, weil sich natürlich die Frage stellt: Mach ich das hier eigentlich gerade richtig? Ist es das, was ich wirklich erzählen möchte? Also man zweifelt die ganze Zeit, und das bringt einen weiter, weil dadurch arbeitet man natürlich immer tiefer in die Sache rein."
Zurzeit arbeitet Tom Schreiber an einer burlesken Komödie, mehr möchte er aber nicht verraten, außer vielleicht noch, dass er nicht mehr unbedingt ganz so weit weg von seiner Familie drehen möchte. Seine Frau, die als Theaterregisseurin arbeitet, und sein fünfjähriger Sohn haben ihn zwar damals während der Dreharbeiten für drei Wochen in Kolumbien besucht, aber Tom Schreiber sucht nicht mehr nach Abenteuern in fremden Ländern.
"Ich glaube, der perfekte Wunschtag ist es, wirklich mal mit der Familie irgendwo rumlungern und an nichts zu denken, sondern einfach irgendwo rumlungern, an irgendeinem Rheinstrand oder auf irgendeiner Wiese und mal völlig sorgen- und gedankenfrei irgendwo rumliegen."
Tom Schreiber wirkt entspannt. Der 39-Jährige etwas schlaksig wirkende Regisseur mit den braunen lockigen Haaren und den leichten Geheimratsecken ist eine Stunde zuvor aus dem Urlaub gekommen und sitzt nun braun gebrannt in Jeans und verwaschenem T-Shirt in seiner Wohnung im Belgischen Viertel in Köln - einem Altbau mit hohen, stuckverzierten Decken und Fischgrät-Parkett.
Im Zentrum seines Film "Dr. Alemán" – einer Mischung aus Abenteuer-, Liebes- und Gangstergeschichte – steht ein 26-jähriger deutscher Medizinstudent. Marc möchte sein praktisches Jahr in einem Krankenhaus in der kolumbianischen Drogenmetropole Cali verbringen, einer Stadt, in der Gewalt durch rivalisierende Gangs und Schießereien an der Tagesordnung sind.
Filmausschnitt:
Chefarzt: "Auf den ersten Blick, was können Sie mir über diesen Patienten sagen?"
Marc: "Er ist traurig."
Chefarzt: "Das Emotionale zuerst, sehr gut. Was noch?"
Marc: "Er hat ein Loch in der Brust, oder?"
Chefarzt: "Haben Sie denn schon irgendwelche Erfahrungen mit Schusswunden?"
Marc: "Wissen Sie, in Deutschland ist es schon verboten, sonntags den Rasen zu mähen, und alle halten sich daran, um die Nachbarn nicht zu stören."
Chefarzt: "Ich glaube, der richtige Platz für Sie ist hier, die Notaufnahme."
Der lebenshungrige Marc lebt in einer Gastfamilie, sucht aber schnell das Abenteuer, wagt sich voller Naivität in das gefährliche Armenviertel Siloé, freundet sich dort mit Straßenkindern an, probiert Kokain und verliebt sich in die Kioskbesitzerin Wanda. Der sozialromantische Moralist ist fasziniert von dieser fremden Welt, möchte dazugehören und dort seine humanistischen Ideale durchsetzen, muss am Ende aber feststellen, dass er immer ein Fremder in dieser Kultur bleiben wird. Tom Schreiber hat an Originalschauplätzen in Siloé gedreht, zwischen Wellblechhütten und Bretterbuden.
"Der ausführende Produzent dort vor Ort, der hat schon anderthalb Jahre vorgearbeitet, dass dieses ganze Viertel informiert war. Mit allen Banden ist geredet worden, also alle wussten, wir sind da, und es gab Agreements, dass wir das da machen konnten. Und die sind meines Wissens nicht finanziell geregelt worden."
Viele der Schauspieler sind Laiendarsteller aus Siloé in Cali, mit denen der Regisseur über anderthalb Jahre hinweg immer wieder in Schauspielworkshops gearbeitet hat.
"Die Energie war immer großartig, also es war wirklich eine Lust da, zu lernen, oder auch eine Lust da, uns zu erklären, wie das Leben da wirklich funktioniert, also wir konnten da sehr viel voneinander nehmen und geben."
Es ist ein Herzensprojekt des 39-jährigen Regisseurs, dessen Film auf den Briefen eines alten Schulfreundes basiert, der ihm regelmäßig von seinem praktischen Jahr als Arzt in Cali berichtete. Auch Tom Schreiber kennt das Gefühl des Scheiterns und des Verlorenseins in einer fremden Welt, nicht nur von seinen Reisen durch Peru, Bolivien, Nicaragua und Costa Rica. Im Rahmen eines Stipendiums der Kölner Kunsthochschule für Medien hat er ein halbes Jahr an einer Filmhochschule auf Kuba studiert. Klar, sei er auf Reisen auch immer ein Sozialromantiker gewesen, der dahin gegangen ist, wo es wehtut, wie er es nennt.
"Ich bin, glaube ich, drei Mal ausgeraubt worden im ersten Monat in Kuba, gar nicht schlimm, also es waren jetzt keine körperlich gefährlichen Situationen, aber die Sachen waren andauernd weg, und ich bin da ziemlich verarscht worden, weil ich wollte auf keinen Fall dort sein, wo die Touristen sind, sondern ich wollte dazugehören und gucken, wie leben die, und da bin ich auch öfter auf die Schnauze gefallen."
Tom Schreiber ist zusammen mit einem Bruder im Oberbergischen Land in der Nähe von Gummersbach aufgewachsen. Der Vater arbeitete als Bürokaufmann, die Mutter als Krankengymnastin. Nach dem Abitur machte er Kamera- und Fotoassistenzen in München und in Köln.
"Und dann bin ich viel gereist damals schon und wusste nicht so genau, was ich mit meinem Leben anfange, habe halt auch gesucht und gesucht und gesucht und bin dann irgendwann über die Fotografie an die Kunsthochschule für Medien gekommen, wollte dort eigentlich auch Fotografie machen und bin dann da ziemlich schnell - weil ich mich auch mit dem Fotografie-Professor nicht sehr gut verstanden habe - in den Filmbereich gekommen, der mich dann aber auch reizte ziemlich schnell, und da bin ich hängen geblieben."
Nach seinem Regie-Abschluss an der Kölner Kunsthochschule für Medien hat Schreiber zwei Jahre als Regie-Assistent in Deutschland und Spanien gearbeitet. Vor fünf Jahren gab er dann mit "Narren", einem kafkaesken Psychodrama vor dem Hintergrund des Kölner Karnevals, sein Spielfilmdebüt. Natürlich habe es ein Weilchen bis zum zweiten Film gedauert, sagt Tom Schreiber schmunzelnd, aber er habe ganz einfach die Zeit gebraucht. Ob er jemals gezweifelt hat?
"Ich glaube, Zweifeln ist die einzige Form, wie man zum Resultat kommt. Es ist eine Kunstform und Kunst ist Zweifeln, weil sich natürlich die Frage stellt: Mach ich das hier eigentlich gerade richtig? Ist es das, was ich wirklich erzählen möchte? Also man zweifelt die ganze Zeit, und das bringt einen weiter, weil dadurch arbeitet man natürlich immer tiefer in die Sache rein."
Zurzeit arbeitet Tom Schreiber an einer burlesken Komödie, mehr möchte er aber nicht verraten, außer vielleicht noch, dass er nicht mehr unbedingt ganz so weit weg von seiner Familie drehen möchte. Seine Frau, die als Theaterregisseurin arbeitet, und sein fünfjähriger Sohn haben ihn zwar damals während der Dreharbeiten für drei Wochen in Kolumbien besucht, aber Tom Schreiber sucht nicht mehr nach Abenteuern in fremden Ländern.
"Ich glaube, der perfekte Wunschtag ist es, wirklich mal mit der Familie irgendwo rumlungern und an nichts zu denken, sondern einfach irgendwo rumlungern, an irgendeinem Rheinstrand oder auf irgendeiner Wiese und mal völlig sorgen- und gedankenfrei irgendwo rumliegen."