Faszinosum "Pong"

Von Johannes Halder |
Im Anfang war "Pong", das Computerspiel markiert den Beginn des Booms einer ganzen Industrie. Das simple Tennisprinzip des Spiels hat auch vielfach die Künste inspiriert. Einen Überblick zeigt die Ausstellung "pong.mythos" im Württembergischen Kunstverein Stuttgart.
Das Spiel ist simpel, die Regeln sind primitiv: Zwei Schläger und ein Ball, mehr nicht. Pong braucht weder geniale Programmierkünste noch gigantische Rechnerleistung, es verlangt dem Spieler keine komplizierten Strategien ab, sondern nichts als schnelle Reaktion und einen konzentrierten Blick. Idiotentennis am Bildschirm sozusagen, sagt Kurator Andreas Lange:

"Man guckt so von oben drauf, hat rechts einen Schläger, das ist eigentlich nur ein weißes Rechteck, und links einen, kann den hoch und runter fahren; in der Mitte ist ein weißes Quadrat, was der Ball ist, und der geht hin und her. Und man muss den Ball einfach treffen."

Gerade weil Pong so einfach ist, hat es der Oldtimer der Computerspiele zu einem populären Mythos gebracht. Pong ist Kult, Pong ist Pop, es war einst die Einstiegsdroge für die Spielewelt von heute und der Beginn des Booms einer ganzen Industrie.
Gleich am Eingang der Schau erklärt uns einer der Erfinder des Spiels, der Amerikaner Noland Bushnell, der Gründer der Firma Atari, vom Videomonitor aus das Funktionsprinzip des Phänomens.

Gleich nebendran kann man den originalen Pong-Automaten von 1972 bewundern, einen stattlichen grauen Kasten mit der Aura eines Fossils. Groß wie ein Flipperautomat steht er in einer Reihe mit den Pionieren der Geräte in vergilbten Plastikgehäusen, den ersten Apple-Rechnern und den neuesten Entwicklungen bis hin zu einem Tischtennisspiel für die aktuelle Playstation, bei dem man mit Handbewegungen vor einer eingebauten Kamera gegen einen virtuellen Gegner antritt.

Das einfache Tennis-Prinzip ist in allen technischen Entwicklungen bis heute freilich gleich geblieben, und gerade dieser ästhetische und technische Minimalismus macht Pong übertragbar in verschiedenste Kontexte und zu einem faszinierenden Medium für die Künste.

Der Kunstverein als Spielsalon also, und jeder darf mal ran an eines der rund zwei Dutzend Kunstwerke. Der Amerikaner Andrew Milmoe zum Beispiel macht den Ton, das typische Klacken der Bälle, zum Hauptspielelement und befreit seine Pong-Version von allem Visuellen.

"Das ist ein Pong für Blinde. Man steht als Spieler in einem Ring, und um diesen Ring sind Lautsprecher montiert, die diesen Sound erzeugen. Man hört dann, aus welcher Richtung der Ball kommt und muss dann ein Steuergerät in diese Richtung halten, um den Ball wieder zurückzuschlagen. Es gibt zwei dieser Ringe hier, und beide Spieler spielen sich also so allein auf der Soundebene den Ball hin und her."

Reflexion, lustvolle Interaktion, aber auch kunstvoll versteckte Medienkritik animierten Niklas Roy zu einem elektromechanischen Nachbau des Spiels. Was im Computer vor sich geht, wird in seiner von Zahnrädern betriebenen Pong-Maschine wieder nachvollziehbar und fühlbar. Ein Pong für die ältere Generation gewissermaßen, denn die Reaktionszeit ist der Mechanik entsprechend gemütlich.

Das kann man von dem "Power Pong" der Niederländerin Mathilde  nicht behaupten. Bei ihr, wie kann es anders sein, sitzen die Spieler auf dem Fahrrad und müssen ordentlich in die Pedale treten.

"Das ist wirklich ein sehr interessantes Spiel, denn man muss treten, um überhaupt Strom zu erzeugen. Und dann steuert man den Schläger mit dem Lenker, und der Gegenspieler tut das auch, und je schneller man tritt: ab einer gewisser Stromstärke wird dann auch der Ball schneller und die Schläger kleiner. Es ist superlustig und man ist gut außer Atem."

Da sitzen wir dann, ganz spielerisch und sportlich, an der Schaltstelle zwischen Mensch und Maschine. Und Pong ist ja als Phänomen nicht zuletzt deshalb so interessant, weil es technisch wie historisch an der Schnittstelle von analoger und digitaler Welt verortet ist. Das macht es zum Objekt auch für die Wissenschaft, wie in einer speziellen Sektion der Schau zu sehen ist.

"Wir zeigen hier zum Beispiel das Projekt des Fraunhofer-Instituts "First", die erforschen, wie man Computer mit Gedanken steuern kann. Und sie haben Pong genommen! Man denkt "rechte Hand", und der Schläger geht nach rechts. Man denkt "linke Hand", und der Schläger geht nach links. Das haben die gebaut, und wir dokumentieren dieses Projekt hier."

Wo der Spaß beim Spielen aufhört, demonstriert auch das Projekt des Künstlerduos Tilman Reif und Volker Morawe. "Pain Station" heißt ihre Tischkonsole, die ebenfalls nach dem Pong-Prinzip funktioniert und bis an die Schmerzgrenze geht.

Denn wer einen Fehler macht, wird nicht allein durch Punktabzug bestraft. Die Hand des Spielers wird vielmehr mit Hitze, elektrischen Schlägen und kleinen Peitschenhieben gequält. Verloren hat, wer den Torturen nicht mehr standhält. Soll heißen: Wer in virtuellen Räumen spielt, muss mit dem Risiko realer Konsequenzen rechnen.

Für Computerspiele gar kein schlechter Ansatz.

Service:
Die Ausstellung "pong.mythos - Eine Ausstellung über einen Ball, zwei Schläger und unser Leben in einer digitalen Welt" ist im Württembergischen Kunstverein Stuttgart bis zum 30.4.2006 zu sehen. Danach in Leipzig (23.8. bis 27.8.2006) anlässlich der "Games Convention" und im schweizerischen Bern (17.8. bis 16.9.2006).

Den Bericht über diese Ausstellung können Sie für begrenzte Zeit in unserem AudioOnDemand-Player nachhören.