Wenn Fußball-Liebe spaltet
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Im Norden Manchesters liegt Bury, eine alte Arbeiterstadt mit 80.000 Einwohnern. Der Fußballverein Bury FC wurde 1885 gegründet, das Stadion gehört zu den ältesten der Welt. Das Leben drehte sich um den Klub. Dann ging er pleite. Nun gibt es zwei.
"Clubs across the country are the heart of the community. It brings people who don’t get out of the house much to the football. They enjoy the camaraderie…"
Für Dave Giffard ist Fußball mehr als ein Spiel. Beim Fußball geht es für ihn noch um die alten Werte, um Gemeinschaft – Community – und um Kameradschaft – Camaraderie. Fußball ist für ihn ein Lebensinhalt und sein Verein der Lebensmittelpunkt.
Doch was passiert, wenn der Verein plötzlich verschwindet?
Ein Skelett eines Klubs
Mit dieser Frage muss sich Giffard seit mehr als einem Jahr beschäftigen – und mit ihm alle anderen Fans des Bury FC, einem Klub mit 135 Jahren Geschichte aus dem Großraum Manchester, der zweimal den traditionsreichen FA-Cup gewann.
Wegen anhaltender Geldprobleme wurde der Drittligist im August 2019 aus dem englischen Ligaverband ausgeschlossen. Seitdem ist der Bury FC nur noch ein Skelett. Er hat keine Spieler mehr unter Vertrag, das Stadion an der Gigg Lane liegt still, die Insolvenzverwalter haben das Sagen. Ob er jemals wieder ein Spiel bestreiten wird? Unklar!
Dave Giffard, 69 Jahre alt, kann sich nicht mit der ungewissen Zukunft des Bury FC abfinden. Er ist Vorsitzender einer Fan-Vereinigung, die den Klub retten will. Dafür muss Geld her, um Schulden zu begleichen – viel Geld, wie er beim Treffen an der Gigg Lane berichtet:
"Realistischerweise brauchen wir sechs Millionen Pfund. Dann wären wir wieder dabei", sagt Giffard. "Eine Zeitung hat geschrieben: Es wäre ein Märchen, wenn der Bury FC zurückkommen würde. Das wäre es wirklich. Wir wollen, dass uns viele Menschen dabei helfen. Es sind 135 Jahre Geschichte. Es ist ein fantastischer Klub! Lasst uns diesen Verein zurück ins Ligasystem bringen. Dann schauen wir, wie es weitergeht."
Gespaltene Fangemeinde
Das Alte retten, die Tradition bewahren – das ist die eine Herangehensweise, wenn ein Fußballklub verschwindet. Die andere ist, etwas Neues zu schaffen. Und genau zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist die Fangemeinde in Bury gespalten.
Denn während die einen um eine Zukunft für den alten Bury FC kämpfen, haben andere einen neuen Verein gegründet – den Bury AFC. In dieser, seiner ersten Saison überhaupt, spielt er in der zehnten Liga.
Giffard ist enttäuscht über das Vorpreschen der Vereinsgründer: "Wir haben in einem öffentlichen Treffen einen dreigleisigen Plan ausgearbeitet. Die erste Option war es, den alten Bury FC zu retten. Die zweite war es, ihn aus dem Konkurs zu holen, falls es so weit kommen würde. Die dritte war, einen neuen Klub zu gründen. Aber einige Fans wollten wohl keine Saison auf Fußball verzichten. Sie haben den neuen Verein gegründet, während wir noch versuchen, den alten zu retten. Das hat zu einer Teilung geführt."
Neugründung mit 1500 Mitgliedern
Dass Fans ihren eigenen Verein gründen, ist nicht neu. Das bekannteste Beispiel ist der FC United of Manchester, entstanden 2005 aus Protest gegen die Eigentümer beim englischen Rekordmeister Manchester United. Einen ähnlichen Weg geht in Deutschland der HFC Falke, ein Klub von desillusionierten Fans des Hamburger SV.
Wenn etwas Neues entsteht, ist das immer spannend. Und so ist auch der Bury AFC mit viel Schwung gestartet. Er kam innerhalb weniger Monate auf 1500 Mitglieder, auch aus dem Ausland. Die BBC widmete ihm eine ausführliche Reportage.
Die Gründung des Vereins war alternativlos. Das sagt Gareth Castick, einer der Verantwortlichen des Bury AFC: "Wir haben uns bei dem öffentlichen Treffen geeinigt, dass wir anfangen, an einem neuen Klub zu arbeiten. Das haben wir gemacht. Wir haben eine Struktur aufgebaut. Wäre der alte Bury FC gerettet worden, hätte es einen Käufer für den Verein gegeben – dann wären wir diesen Weg natürlich mitgegangen. Dann hätten wir an dem originalen Verein festgehalten."
Doch als das nicht passierte, entschieden sich Castick und seine Mitstreiter dafür, den Bury AFC für den Spielbetrieb zu melden, Spieler anzuwerben, einen Trainer auszuwählen. Auch wenn das bedeutete, den alten Verein zurückzulassen – und einen Teil der Fangemeinde gegen sich aufzubringen.
Gibt es einen Weg zurück?
Ob die Spaltung zu überwinden ist? Unwahrscheinlich. Dabei wollen die Menschen in Bury doch nur eine Sache: ihren Fußballverein sehen.
Das sagt auch Gareth Castick vom neu gegründeten Bury AFC. "Auf jeden Fall. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Wir wollen keine Teilung in der Fangemeinde. Jeder hier ist Bury-Fan. Alle sind für Bury. Der Ausschluss vom Spielbetrieb war für alle niederschmetternd. Uns allen wurde das Herz gebrochen. Am liebsten würden wir alle den gleichen Weg gehen. Aber was passiert ist, ist passiert. Wir können nur nach vorne schauen und mit unserem neuen Verein wachsen."
Und einige Fans bleiben dabei zurück. Dave Giffard, der nach wie vor auf die Rettung des alten Klubs hofft, kann sich nicht vorstellen, irgendwann den neuen Verein zu unterstützen.
Ihm geht es ums Prinzip. Um die Identifikation und die Tradition. Um seinen Bury FC. "Dieser Klub – das bin ich, das ist mein Leben. Ich will einfach nur diesen Klub zurück. Wenn ich damit scheitere, dann war es das. Drücken wir die Daumen, dass das nicht passiert."