Hören Sie im Anschluss an diesen Länderreport ein Interview mit Everhard Holtmann, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Halle, darüber, was für die FDP auf dem Spiel steht, wenn sie es in Sachsen nicht mehr in den Landtag schaffen sollte.
Auslaufmodell Schwarz-Gelb?
Wenn am 31. August in Sachsen rund 3,5 Millionen Wahlberechtigte an die Urnen gerufen werden, wird es spannend für die FDP. Die Partei gilt als Wackelkandidat - und mit ihr auch die vorerst letzte schwarz-gelbe Koalition.
"Tja, wie wählt man richtig? Gute Frage. Die Antwort: Ab und zu weiß man erst nach der Wahl, ob man richtig gewählt hat. Im schlimmsten Fall erst nach Ablauf der Wahlperiode, ob die Wahlentscheidung richtig gewesen.“
Locker kommt es daher, das Internet-Video der Landeszentrale für politische Bildung. Einer derjenigen, der die sächsische Landespolitik aus dem Effeff kennt, der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden, hat darin sichtlich Freude, für eine Beteiligung an der Landtagswahl zu werben.
"Was ist also wichtiger, wenn es um Macht geht? Natürlich die Zweitstimme! Und wer das nicht weiß, der verwählt sich dann leicht …“
Wenn der Wähler nach dem Lehrgang bei Politikprofessor Patzelt den Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme gelernt hat, kann er sich zwischen insgesamt 14 Parteien entscheiden. Neben den etablierten Kräften treten u.a. die Freien Wähler, Die Partei oder BüSo an.
Die besten Chancen kann sich allerdings die CDU ausrechnen. Mit 40 Prozent oder mehr in den Umfragen kann sie davon ausgehen, auch jetzt wieder den Ministerpräsidenten zu stellen.
Bei den letzten Landtagswahlen im Jahr 2009 lag die Wahlbeteiligung bei mageren 52,2 Prozent. Die Befürchtung ist groß, dass das Wählerinteresse in diesem Jahr noch geringer ausfallen könnte.
Das hängt auch mit dem Termin zusammen: der Wahltag, der 31. August ist der letzte Sonntag in den Sommerferien.
Wahlkampf in den Sommerferien
Schon in den ersten Tagen des Wahlkampfes wird klar, dass das einige Auswirkungen hat:
Dresden, am frühen Freitagmorgen – eine Handvoll Journalisten findet sich vor dem Büro der Linkspartei ein. Spitzenkandidat Rico Gebhardt legt noch schnell eine Reisetasche ins Auto. Tagesziel der kleinen Reisegruppe: Das Ostseebad Zinnowitz – es gibt Wahlkampf am Strand. 450 Kilometer sind zu bewältigen – Rico Gebhardt von der Linkspartei nimmt viel auf sich, um die sächsischen Wähler zu erreichen.
"Wir haben ja immer gesagt, dass wir diesen 31. August so ein bisschen kritisch beleuchten, was den Wahltag betrifft. Weil der nun genau am Ende der Ferien ist. Und ich meine, die ersten Tage haben das ja auch bestätigt seit ich jetzt im Wahlkampf unterwegs bin: Die Leute sind irgendwie so im Urlaubsmodus. Und da muss man also dorthin gehen, wo sie sind. Und wir gehen davon aus, dass wir auch Menschen aus Sachsen in Zinnowitz heute treffen."
"Haben Sie da speziell angepasste Wahlwerbeprodukte?"
"Es gibt Sonnenbrillen, es gibt Wasserbälle und es gibt Sonnencreme."
"Haben Sie da speziell angepasste Wahlwerbeprodukte?"
"Es gibt Sonnenbrillen, es gibt Wasserbälle und es gibt Sonnencreme."
Eigentlich muss sich der Spitzenkandidat keine Sorgen machen: nach den jüngsten Umfragen liegt seine Partei stabil bei 20 Prozent und kann sich damit als zweitstärkste Kraft im Freistaat behaupten.
Nach sechs Stunden im Auto führt Gebhardt der erste Weg an den Strand. Mit Anzughose und Hemd steht er zwischen verdutzten Urlaubern in Badehose und Bikini. Fischbrötchen kauend beobachten diese das Schauspiel vor ihren Strandmuscheln.
Rico Gebhardt müht sich nach Kräften, spricht Leute an, verteilt Sonnenbrillen, Wasserbälle, Broschüren, aber so richtig überzeugend wirkt er nicht. Viele winken beim Thema Politik desinteressiert ab, andere potentielle Wähler haben sich schon längst entschieden. Die 20 Journalisten, Kameraleute und Tontechniker, die ihn umringen, versuchen derweil nicht allzu viele Sandburgen niederzutrampeln.
Stoisch ertragen die Badegäste aus dem sächsischen Hohenstein-Ernstthal diese Invasion.
"Wird Sie das denn jetzt in Ihrer Wahlentscheidung beeinflussen?"
"Nein, ich glaube es eher nicht."
"Ich würde sagen: Nein. Das steht schon vorneweg fest, da sind wir uns schon im Klaren, wen wir wählen."
"Nein, ich glaube es eher nicht."
"Ich würde sagen: Nein. Das steht schon vorneweg fest, da sind wir uns schon im Klaren, wen wir wählen."
Ortswechsel – im schicken Ostseebad Ahlbeck ein paar Kilometer weiter östlich. Auch der Spitzenkandidat der SPD Martin Dulig hat sich auf den Weg an die Ostsee gemacht für die Wählersuche im Sand. Die Hose hat er leger hochgekrempelt und den Blick auf knallrote SPD-Flipflops freigegeben. Es kursieren schon die ersten Kalauer, dass Dulig damit auf "Wahlschlappen“ unterwegs ist.
Inklusive Küchentisch hat sich Dulig im Sand von Ahlbeck niedergelassen. Der Küchentisch ist sein wichtigstes Zubehör in der Wahlkampagne, die extrem personalisiert, ganz auf den Spitzenkandidaten zugeschnitten ist.
"Ich habe im letzten Wahlkampf eine Rede gehalten, wo ich gesagt habe, meine wichtigsten Berater sitzen bei mir am Küchentisch, weil ich ganz viel von meinen Kindern gelernt habe. Und das war für mich so der ausschlaggebende Punkt, diesen Küchentisch nicht nur in meinen Reden einzubauen, sondern ihn wirklich physisch mitzunehmen.“
Trotz des Küchentischs als prominenten Wahlhelfer ist der Erfolg bei den Landsleuten nicht gerade durchschlagend.
Die Partei von Spitzenkandidat Martin Dulig würde es laut der neuesten Zahlen auf 14 Prozent bringen. Was sich für eine Volkspartei nach erschreckend wenig anhört, wäre für die SPD in Sachsen ein sensationell gutes Ergebnis, dümpelte sie doch in den letzten drei Landtagswahlen bei zehn Prozent herum. Auch Dulig kommt der letzte Feriensonntag als Wahltermin nicht gelegen. Ganz im Gegenteil, er glaubt, dass die CDU darauf gesetzt hat, dass die Menschen zufrieden aus dem Urlaub zurück kommen und dann aus Gewohnheit ihr Kreuz bei der CDU machen. Er verweist aber noch auf einen anderen Aspekt: eine niedrige Wahlbeteiligung könnte kleinen Parteien wie der NPD helfen.
"Das ist ja das Ärgerliche, was ich der CDU vorwerfe. Sie sind da mit dem Kopf durch den Wand gegangen, haben sich auf einen Wahltermin verständigt, der wiederum auch Parteien hilft, die man eigentlich aus den Landtag raushaben will. Eine hohe Wahlbeteiligung hilft uns, die Nazis aus dem Landtag rauszuhalten. Dafür müssen wir alles tun. Umso ärgerlicher ist es, dass das mit dem Wahltermin genau das Gegenteil gemacht hat. Aber deswegen ist es auch wichtig, dass wir kämpfen. Die Nazis gehören aus dem Landtag raus."
Baden, Motorrad oder Radfahren mit Politikern
Wahlkampf in Sachsen: SPD und Linke fahren an die Ostsee, die Grünen an die sächsischen Badeseen, die FDP startet zu ihrer traditionellen Motorradtour durchs Land und die AfD hat sich für eine Radtour an der Elbe entschieden. Ob das mehr Drive in diesen Ferien-Wahlkampf bringt?
Es ist die sechste Wahl seit der Wiedervereinigung, seitdem stellt die CDU den Ministerpräsidenten. Alles deutet darauf hin, dass das auch so bleibt. Stanislaw Tillich sitzt seit sechs Jahren fest im Sattel, getragen von einer schwarz-gelben Koalition. Die CDU erreicht in den letzten Umfragen Werte von mindestens 40 Prozent. Beständigkeit nennen es seine Anhänger. Wer nichts tut, kann auch nichts falsch machen, sagen kritische Experten, wie der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden:
"Man wird feststellen müssen, dass Tillich eine lange politische Laufbahn hat, die er bislang ohne jeden Kratzer überstanden hat. Das ist eigentlich schon eine politische Leistung. Er steht für eine Fortsetzung des seit der Neugründung des Freistaates eingeschlagenen Kurses: solide Haushaltspolitik, keine Risiken, keine neuen Ufer. Weil, so die Vorstellung, man ohnehin auf dem richtigen Pfad steht.“
Und die Opposition? Ein Linksbündnis aus Rot-Rot-Grün, wie es in Thüringen möglich erscheint, ist in Sachsen rechnerisch überaus unwahrscheinlich. Hinzu kommt: Die Skepsis gegenüber der Linkspartei ist immer noch zu groß bei den Grünen und der SPD. Parteien, in denen sich viele Mitglieder der Bürgerbewegung der ehemaligen DDR engagieren.
Sachsen vor der Wahl: Es ist ein Bundesland, dem es an akuter Wechselstimmung fehlt. Auch wenn der Unmut – wie bei der Schulpolitik – durchaus groß ist.
Demonstrantin: "Ich bin so wütend, ich habe sogar ein Schild dabei.“
Das Pappschild hält sie fest in der Hand, der Gesichtsausdruck ist entschlossen: Offensichtlich reicht es dieser Mutter, die im Juli zum sachsenweiten Aktionstag nach Leipzig gekommen ist. Gemeinsam mit mehr als 300 Eltern, Schülern und Kindern protestiert sie hier vor der Bildungsagentur gegen die ihrer Ansicht nach verfehlte Schulpolitik.
Umfrage unter Eltern: "Mein Sohn hat sich bei vier Gymnasien beworben, in keinem von denen hat er einen Platz bekommen. Jetzt ist er in einer Schule, die es bisher noch nicht gab, in einem anderen Stadtteil."
"Da sind 140 Schüler dieses Jahr zwangszugewiesen worden, an Gymnasien in anderen Stadtteilen. Daraus ergeben sich sehr lange Schulwege."
Die aufgebrachte Mutter kann nicht verstehen, warum Kindern so etwas zugemutet wird. Die Liste der Klagen, die die Demonstranten mitgebracht haben ist lang: die Klassen werden bis an die rechtliche Obergrenze vollgestopft. Die Gymnasien, gerade in den Großstädten müssen viele Schüler abweisen.
Der 13-jährige Moritz, Gymnasiast aus Leipzig, ist mit seinen Freunden hergekommen, um gegen den ständigen Unterrichtsausfall zu demonstrieren:
"Meine Klasse ist wirklich voll, für die Lehrer ist es schwer, da für Ruhe sorgen. Weil eigentlich einer immer quatscht."
Kurz vor der Landtagswahl herrscht Aufruhr unter Eltern und Schülern. Grit Köhler vom Landeselternrat fasst die Kritik zusammen, auch sie ist zur Demo nach Leipzig gekommen.
"Da gibt es ne ganz große Unsicherheit, viel Verbitterung und Unsicherheit, wir haben keine Freiheit mehr für die Schulwahl. Geschweige denn eine wohnortnahe Schule zu wählen."
Großes Thema: Lehrermangel in Sachsen
Diese Töne mögen im Pisa-Musterland verwundern, war doch Sachsen bislang vor allem mit guten Platzierungen im bundesweiten Bildungsvergleich aufgefallen. Das Land hat derzeit damit zu kämpfen, dass in Zukunft überproportional viele Lehrer in Rente gehen werden: Bis zum Jahr 2030 verabschieden sich zwei Drittel der rund 30.000 Beschäftigen an allgemeinbildenden Schulen in den Ruhestand.
Hinzu kommt eigentlich eine erfreuliche Entwicklung, die die Situation aber noch verschärft: Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Kinder wieder an. Allein im nächsten Schuljahr kommen 4000 neue Schüler hinzu:
Die sächsische Sparsamkeit in Sachen Neueinstellung von Lehrern erfährt Axel Stumpf schon jetzt jeden Tag in eigener Anschauung. Er ist Lehrer für Deutsch und Englisch an einem Gymnasium in Brand-Erbisdorf, das zwischen Chemnitz und Dresden liegt. 800 Schüler sind hier, 70 Lehrer.
"Ansonsten ist das Gros des Kollegiums Ü-50. Die jüngste Kollegin ist gerade 40 geworden. Die andere wird es im Dezember. Ich kann nicht dauernd als Lehrer 110 Prozent Arbeitsleistung erbringen. Langzeiterkrankung, Burn-Out ist durchaus indiziert."
Auch bei den Hochschulen gibt es Ärger. Sie ächzen unter den strikten Sparvorgaben. Ganze Institute der Universität Leipzig stehen vor der Schließung.
Der Grund für die Sparsamkeit liegt in der Zukunft. Dabei spielt das Datum 2019 eine ganz entscheidende Rolle, erklärt Ministerpräsident Stanislaw Tillich:
"Übermorgen, weiß ich, haben wir eine Situation, dass wir im Jahre 2019 insgesamt im Vergleich zu heute drei Milliarden Euro an Einnahmen weniger haben werden aus Solidarpaktmitteln und aus EU-Fördergeldern. Wir können heute nicht so tun, als ob das nicht stattfindet."
Schulkritik eint Opposition
Nach und nach hat die Landesregierung aber den Unmut erkannt und gerade noch rechtzeitig vor der Wahl die Reißleine gezogen.
"Wir wissen, dass einen Alterswechsel geben wird. Darauf haben wir reagiert. Wir haben die Anzahl der Studenten erhöht. Wir haben die Zahl der Referendare erhöht."
Der Opposition reicht das noch nicht. Martin Dulig, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, pocht darauf, mehr Lehrer einzustellen:
"Wir wollen in unserem Bildungssystem kein Kind zurücklassen. Das heißt eben auch, dass wir eine bessere Schule haben. Wir müssen als erstes den Lehrermangel schließen. Wir brauchen mehr Lehrer, nicht nur die ersetzen, die aufgrund von Alter abgehen. Wir brauchen mehr Lehrer, um mehr pädagogische Innovation in die Schulen zu bekommen."
In der Kritik am Schulsystem ist sich die Opposition einig. Auch die Grünen-Spitzenkandidatin Antje Hermenau findet die Sparpolitik zu eindimensional:
"Die CDU hat über viele Jahre durchgehalten, egal ob mit der SPD oder der FPD, sich nicht auf dem Kapitalmarkt zu verschulden. Aber sie hat sich bei den Bürgern verschuldet. Zum Beispiel bei der Ausbildung der Lehrer. Das sehen wir daran, dass über viele Jahre verschleppt worden ist, neue Lehrer auszubilden.“
Die Schulpolitik wird eine der großen Herausforderungen für die kommende Legislaturperiode: Und so ist sie auch das Thema im sonst so themenarmen Landtagswahlkampf in Sachsen. Laut einer Umfrage der "Sächsischen Zeitung" finden mehr als zwei Drittel der Befragten, dass ihnen die Situation an den Schulen die meisten Sorgen bereitet. Kurz dahinter stehen die Kriminalität und die demografische Entwicklung.
Doch wie es in diesen Fragen nach der Wahl weitergeht, ist für einige Parteien noch vollkommen unklar. Gerade im konservativen Lager könnte es durch das Auftauchen der Alternative für Deutschland Verteilungskämpfe mit schmerzhaften Opfern geben. Schon jetzt hat die AfD die Parteienlandschaft gehörig durcheinandergewirbelt: Sowohl bei der Bundestags- wie auch bei der Europawahl hatte sie in Sachsen ihre Stimmenhochburg. Zehn Prozent waren es am 25. Mai. Für den 31. August werden ihr sechs bis sieben Prozent prognostiziert.
Dresden, das Restaurant im Landtag, die AfD stellt ihr Wahlprogramm vor. Spitzenkandidatin Frauke Petry, die zusammen mit Bernd Lucke zur Bundesspitze gehört, hat die Partei 2013 mitgegründet. Die vierfache Mutter mit dem Kurzhaarschnitt präsentiert sich gern zupackend. Eine, die sich den so oft zitierten "gesunden Menschenverstand“ in der Politik bewahren will. Dass sie erst kürzlich mit ihrer Chemie-Firma Pleite gegangen ist und im Juni Privatinsolvenz anmelden musste, lächelt sie gerne weg. Petry will nach vorne schauen und kümmert sich lieber um die Familienpolitik, ihr Lieblingsthema:
"Wir glauben, dass eine gute Familienpolitik – dazu gehört auch eine positive Bevölkerungspolitik, was in Deutschland ein sensibles Thema ist –, dass sie unabdingbar sind für eine gesunde Entwicklung unseres Landes.“
Bei einem Wahlkampftermin sprach sie sich kürzlich dafür aus, dass die Familienpolitik "bestandswahrend“ sein müsse. Um Familien das Leben zu erleichtern will die AfD in Sachsen ein Familienwahlrecht einführen. Eltern mit Kindern sollten mehr zu sagen haben, als Kinderlose. Im Wahlprogramm schreibt die Partei weiter, dass in den Schulen mehr "Disziplin“ herrschen solle.
Außerdem tritt die AfD mit der Forderung an, der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle mehr deutschsprachige und weniger englischsprachige Musik spielen. Besonders umstritten ist die Forderung, dass es vor dem Bau von Minaretten an Moscheen künftig Volksabstimmungen geben solle, wie im konkreten Fall in Leipzig
"Das mag sein, dass uns das als Islamkritik ausgelegt wird, tatsächlich wird die freie Religionsausübung dadurch aber nicht beeinträchtigt."
AfD gibt sich islamkritisch
Welche Strömung – die konservativ wirtschaftsfreundliche oder die islamkritische – sich schließlich durchsetzen wird, ist im Landesverband Sachsen noch nicht entschieden. Die Partei ist noch in der Findungsphase.
Die rechtsextreme NPD hingegen kämpft derzeit ums politische Überleben – das liegt auch an der Stärke der AfD, die durchaus ähnliche Wählerschichten anspricht.
Seit zehn Jahren, seit der Landtagswahl 2004 sitzt die NPD im sächsischen Parlament. Maximal drei Prozent erreicht sie bislang in den Umfragen. Ein Scheitern an der Fünfprozenthürde könnte auch für die Bundespartei schwerwiegende Folgen haben, erklärt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen. Er berät Kommunen und Organisationen im Umgang mit Rechtsextremismus und beobachtet die Szene seit Jahren:
"Die Wahl in Sachsen hat eine grundlegende Bedeutung. Die Mitarbeiter, die da im Landtag mitarbeiten, sind Spitzen der JN bundesweit. Der Chef der JN Andy Knape arbeitet im Landtag als Mitarbeiter, sein Stellvertreter arbeitet im Landtag …“
Konsequent wurde Sachsen seit den späten Neunziger Jahren zu einem Dreh- und Angelpunkt auch für die Bundes-NPD ausgebaut, unter anderem mit dem Sitz des Verlags- und Versandhauses "Deutsche Stimme“ in Riesa.
"Die NPD kann Leute in Lohn und Brot bringen, die sich praktisch von früh bis spät mit Neonazi-Themen beschäftigen.“
Das Parlament als Geldquelle und als Bühne für politische Provokationen – für die Abgeordneten der demokratischen Parteien ist das bis heute eine Herausforderung, erklärt Katja Ciesluk, stellvertretende Pressesprecherin des Landtags:
"Bei den Ordnungsrufen gibt es dann schon Auffälligkeiten, dort sieht man dann schon, dass die NPD das Plenum dann auch gerne nutzt, um zu provozieren, um so möglicherweise auch mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Wir hatten 76 Ordnungsrufe in der 5. Wahlperiode, und 90 bis 95 Prozent beziehen sich dabei auf Abgeordnete der NPD-Fraktion.“
Auf der Kippe steht durch das Auftauchen der AfD aber auch das das Schicksal der FDP. 2009 konnte sie noch mit satten 10 Prozent in die schwarz-gelbe Koalition einziehen. Nun, nach fünf Jahren an der Macht, muss sie gar um den Wiedereinzug in den Landtag bangen – eine besondere Bewährungsprobe für den Landeschef und Spitzenkandidaten Holger Zastrow. Auf dem Bundesparteitag der FDP vor ein paar Wochen in Dresden konnte jeder seinen eigenen Eindruck vom besonderen Humor des Vorsitzenden gewinnen:
"Ansonsten geht es uns eigentlich ganz gut, wenn nicht ausgerechnet dummerweise in diesem Jahr gewählt werden müsste.“
Da blieb einigen Delegierten vermutlich das Lachen im Halse stecken.
Das Schicksal der sächsischen FDP ist schließlich auch bundespolitisch von Bedeutung – regiert doch an der Elbe die letzte schwarz-gelbe Koalition Deutschlandlands. Was bei Antritt noch selbstverständlich war, ist längst zum Sonderfall geworden.
Die FDP ist deshalb auf Kampfmodus umgestiegen und tut alles, um nicht in den Sog des schlechten Auftretens im Bund zu gelangen. Sie wirbt mit Plakaten auf denen steht: "Sachsen ist nicht Berlin“. Will sagen – im Freistaat könne man die FDP ruhig noch wählen.
FDP-Chef bleibt betont cool
Holger Zastrow gibt sich derweilen betont cool, zum Beispiel bei der Frage, wie er denn im Wahlkampf mit der AfD umzugehen gedenkt
"Gar nicht! Warum soll ich mit der AfD umgehen. Die gibt’s, die sind da. Die bestehen aus Protestlern und Gescheiterten. Das ist eine ganz bunte Truppe.“
Als rechte Trümmertruppe bezeichnet Zastrow die AfD auch gerne. Kurz: Er hält die Eurokritiker für einen unsortierten Haufen, der seiner Partei mit einem ausgeprägten landespolitischen Profil nicht gefährlich werden kann.
Wer also wird nun Sachsen regieren nach dem 31. August? Ein Linksbündnis ist mehr als unwahrscheinlich, die CDU sitzt fest im Sattel. Aller Voraussicht nach kann sich die Union ihren Koalitionspartner aussuchen. Falls die FDP den Wiedereinzug schafft, und es fürs Regieren reicht, ist das die naheliegendste und auch von der CDU favorisierte Variante. Aber auch die SPD macht keinen Hehl daraus, dass sie sich eine schwarz-rote Koalition gut vorstellen kann. Laut nachgedacht wird ebenfalls über ein schwarz-grünes Regierungsbündnis.
NPD, AfD, FDP – rein oder raus. Es bleibt spannend, ob Sachsen nach dem 31. August ein Vier- oder ein Siebenparteienparlament bekommt.