FDP-Verteidigungspolitikerin befürwortet neue Afghanistan-Konferenz

Elke Hoff im Gespräch mit Nana Brink |
Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff, spricht sich dafür aus, dem Afghanistan-Einsatz eine neue Richtung zu geben. Hoff plädiert für eine politische Lösung und regt eine neue Afghanistan-Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in der Region an.
Nana Brink: Noch nie war der Einsatz der Bundeswehr so schlecht angesehen in der Bevölkerung am Hindukusch, und das hängt nicht nur mit den toten Soldaten zusammen, die Deutschland zu beklagen hatte in der letzten Zeit. Was wollen wir in Afghanistan, was ist das Ziel? Heute wird in Berlin das Friedensgutachten vorgestellt, das sich genau diesen Fragen widmet. Und bevor ich mit Elke Hoff, der SPD-Obfrau im Verteidigungsausschuss spreche, stellt Ihnen Ute Welty vor, worum es im Friedensgutachten geht.

Ute Welty: Die neue Afghanistan-Strategie der amerikanischen Regierung, der Umgang mit den Taliban, das Verhältnis von Kriegsgewalt und Drogenökonomie – im sogenannten Friedensgutachten ziehen fünf deutsche Forschungsinstitute Bilanz, und die fällt im neunten Jahr des Einsatzes durchaus kritisch aus. So wird der deutschen und der europäischen Politik bescheinigt, kaum Einfluss nehmen zu können auf die Afghanistan-Debatte in den USA. Der Strategiebegriff werde mit großer Willkür höchst unterschiedlich eingesetzt. So formuliert es Jochen Hippler vom Duisburger Institut für Entwicklung und Frieden. Zu den Herausgebern des Gutachtens zählen außerdem unter anderem die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung oder die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft. Friedensgutachten erscheinen seit 1987, und selten gab es so viel Diskussion unter den Wissenschaftlern wie in diesem Jahr. Deutlich wird, dass der Einsatz der Bundeswehr in einer tiefen Akzeptanzkrise steckt. Die Ablehnung in der Bevölkerung sei so breit wie nie zuvor. Die politische und militärische Führung verlöre bei den Soldaten erheblich an Vertrauen. Die ungeschönte Überprüfung des Einsatzes habe höchste Priorität.

Brink: Und genau darüber möchte ich jetzt sprechen mit Elke Hoff, sie sitzt für die FDP im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Einen schönen guten Morgen, Frau Hoff!

Elke Hoff: Schönen guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Was ist Ihre Bilanz?

Hoff: Meine Bilanz ist, dass es dringend notwendig ist, den Afghanistan-Einsatz in eine neue Richtung zu bringen. Es sind in der Vergangenheit eine Reihe von Fehlern gemacht worden, von der mangelnden Erklärung bis hin auch zu strategischen Fehlern, und ich glaube, dass es jetzt an der Zeit ist, wieder mehr zu versuchen, Afghanistan einer politischen Lösung zuzuführen.

Brink: Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages, dem Sie ja angehören, ermittelt zum Luftangriff in Kundus und über die Rolle des Verteidigungsministers, ein - wenn auch nicht unwesentliches - Detail. Wäre es nicht an der Zeit, eine Überprüfung des gesamten Einsatzes genau da vorzunehmen?

Hoff: Ich halte das für sinnvoll, aber nur dann, wenn es gemeinsam mit den anderen NATO-Partnern geschieht. Es wird häufig der Eindruck erweckt, dass Deutschland sozusagen im Alleingang die Probleme in Afghanistan lösen kann. Wir sind Teil einer internationalen Mission, und dort ist auch der richtige Ort, um eine umfassende und auch schonungslose Bilanz zu ziehen.

Brink: Gut, aber trotzdem haben Sie ja eine Position dazu. Sie haben eben gerade gesagt, es muss einen Richtungswechsel geben. Was ist denn genau Ihre Position, wohin muss der Wechsel gehen?

Hoff: Also es muss unbedingt gelingen, den Eindruck zu vermeiden, dass in Afghanistan alleine der militärische Einsatz eine Lösung herbeiführen kann. Es wird darum gehen, möglicherweise einen ähnlichen Prozess, wie wir es in Europa ja auch erfolgreich betrieben haben zur Stabilität, eine Art von KSZE-Prozess, Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in der Region mit allen Beteiligten auf den Weg zu bringen. Und es ist natürlich auch von großer Bedeutung, dass die Versöhnungsgespräche innerhalb des Landes selber mit den verschiedenen Gruppen mit Nachdruck und auch mit aller Gewalt oder mit aller Kraft dann auch nach vorne getrieben wird.

Brink: Wie definieren Sie denn dann Erfolg in Afghanistan, was wäre eine erfolgreiche Konferenz – reden mit den Taliban oder mit Teilen?

Hoff: Sie müssen selbstverständlich die Konfliktpartner, alle die, die an dem Konflikt beteiligt sind, an den Tisch bekommen. Und für mich wäre ein riesiger Erfolg, wenn es gelingen könnte, zumindest einen Waffenstillstand herbeizuführen, dass die Parteien, die dort involviert sind, auch an den Tisch kommen, um Gespräche zu führen, wie es mit der Zukunft des eigenen Landes weitergehen kann. Wir können als Europäer oder auch als US-Amerikaner den Afghanen nicht vorschreiben, wie sie ihr eigenes Land zu gestalten haben, aber wir können helfen, dass ein solcher Dialogprozess in Gang kommt.

Brink: Warum sagt das zum Beispiel der deutsche Außenminister dann nicht so klar, der Ihrer Partei angehört?

Hoff: Der deutsche Außenminister vertritt zurzeit natürlich die gemeinsame Position der Verbündeten. Man hat sich auf der London-Konferenz darauf geeinigt, eine neue strategische Ausrichtung des Einsatzes auf den Weg zu bringen mit einem wesentlich intensiveren zivilen Gesicht. Es gibt inzwischen auch im ISAF-Bereich auf der gleichen Ebene wie General McChrystal einen zivilen Beauftragten, Mark Sedwill, der also versuchen wird, die zivilen Anstrengungen zwischen den jeweiligen Partnern zu bündeln, zu konzentrieren und damit auch effektiver zu machen.

Brink: Dann verstehe ich trotzdem nicht, warum sich die Diskussion in Deutschland, auch die politische, hauptsächlich immer mit der Frage nach dem Abzug beschäftigt.

Hoff: Gut, der Wunsch ist natürlich da nach neun Jahren Einsatz, und diese Diskussion haben wir ja nicht alleine nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Partnerländern, dass man ein Ende auch des militärischen Einsatzes herbeisehnt, was übrigens natürlich auch die Afghanen tun. Aber es ist bisher leider noch nicht gelungen, eine Situation herbeizuführen, wo tatsächlich auch Versöhnungsgespräche, Friedensgespräche oder Gespräche über einen Waffenstillstand möglich sind. Und ich bin der Meinung, und dafür werde ich mich auch weiter einsetzen, dass wir hier unbedingt eine Initiative starten müssen, um in diese Richtung zu kommen.

Brink: Wie soll die konkret aussehen?

Hoff: Ja, beispielsweise dass man anregt, eine Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in der Region durchzuführen, natürlich unter Beteiligung der Nachbarländer wie Pakistan, wie Indien, wie Iran, Russland und die zentralasiatischen Staaten und eben gleichzeitig auch den Präsidenten dabei unterstützt, die innerstaatlichen Versöhnungsgespräche tatsächlich so führen zu können, wie es die afghanische Regierung auch für richtig hält. Ich bin ...

Brink: Also so was Ähnliches wie Petersberg, was ja schon mal stattgefunden hat, 2001, auch unter deutscher Vermittlung ja?

Hoff: Ja, das Problem bei Petersberg war, dass eben nicht alle Beteiligten am Tisch gesessen haben. Das hat sich im Nachhinein als riesiges Manko herausgestellt. Es wird insbesondere darum gehen, eine Möglichkeit zu finden der paschtunischen Bevölkerung in Afghanistan, den Zugang zu politischen Friedensgesprächen zu eröffnen, und man wird auch sich darauf verständigen müssen, wie man mit radikalen Kräften umgeht. Aber es wird meines Erachtens keine andere Lösung geben, weil das Land ist militärisch nicht zu befrieden, das hat die Vergangenheit gezeigt, das zeigt die Gegenwart. Und wir müssen einfach erkennen, dass es hier um einen politischen Prozess und nicht um einen militärischen geht.

Brink: Und warum ist dann der Afghanistan-Einsatz so schlecht angesehen? Ein Drittel der Deutschen lehnt ihn ab. Was machen Sie dann falsch in der Vermittlung Ihrer Ziele?

Hoff: Ja gut, das Problem in der Vergangenheit war, dass die früheren Bundesregierungen versucht haben, den Inhalt des Einsatzes und auch das, was vor Ort geschah, nicht klar und deutlich genug der Bevölkerung zu übermitteln.

Brink: Das hatte diese Regierung aber auch nicht gemacht.

Hoff: Doch, wir haben ... ja, nun, diese Regierung ist ein halbes Jahr im Amt, und wir haben unter maßgeblicher Beteiligung bei der London-Konferenz auf jeden Fall versucht, die Situation in eine andere Richtung zu bringen. Wir haben die Mittel für die zivilen Maßnahmen erheblich verdoppelt, wir werden unsere Anstrengungen weiterhin erhöhen, die afghanischen Sicherheitskräfte auszubilden, und das ist schon ein Wechsel auch innerhalb der Strategie. Aber auf der anderen Seite muss man natürlich auch ganz klar sagen, dass es innerhalb des Bündnisses eben auch eine andere Militärstrategie gibt, die darauf hinzielt, den Aufstand möglichst zu schwächen.

Brink: Elke Hoff, FDP-Obfrau im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Und wir sprachen über die Kritik des Friedensgutachtens an der Afghanistan-Politik. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Hoff!

Hoff: Ja, gerne!
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