Feedback-Runden

Der Kult der schönen Lügen

Illustration: multiethnische Hände halten Schilder hoch mit Icons, die Herzen, Daumen hoch oder runter zeigen.
Viele Unternehmen schwören auf "Feedbackkultur", aber die Reporterin Anne Backhaus hat den Eindruck: Es kommt oft nur lauwarmes Lob heraus. © Getty Images / iStockphoto / Sensvector
Ein Kommentar von Anne Backhaus |
Ob im Urlaub oder im Büro, ständig sollen wir Feedback geben. Viel zu oft bewirkt das jedoch überhaupt nichts, meint die Autorin Anne Backhaus. Stattdessen plädiert sie für eine Rückkehr zur fundierten Kritik.
Vor kurzem hat mich eine Kollegin kritisiert. Ihr ist etwas aufgefallen, das ich nicht gut gemacht habe. Leider hatte sie recht. Die Kritik, obwohl freundlich vorgetragen und kein Drama, war mir unangenehm. Etwas peinlich auch. Dieser blöde Fehler. Mist. Gleichzeitig fühlte es sich aber erstaunlich gut an, mit der Kollegin zu sprechen. Sie hat sich mit meiner Arbeit beschäftigt, war aufrichtig, sachlich fundiert und klug. Sie hat mir geholfen, sogar langfristig. Verblüffend ungewohnt war das.

Sinnvolle Kritik ist die Ausnahme

Selten gibt es sinnvolle Kritik. Dafür sind wir inzwischen viel zu sehr an ihre öde kleine Schwester, das Feedback gewöhnt. Feedback, das klingt als Wort schon netter, urban und federnd irgendwie. Und es soll tatsächlich viel netter sein, immer auch Positives hervorheben. Die Kritik wird hingegen mit Negativem assoziiert, schnell mit dem Adjektiv „scharf“ versehen – selbst, wenn jemand ruhig und aus gutem Grund auf einen Missstand hinweist. Das Feedback aber, es ist eher eine angenehme Rückmeldung, auf keinen Fall eine Beurteilung.
Unternehmen werben heute mit einer „tollen Feedback-Kultur“ um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn wow, da wo man selbst Feedback bekommt, da wird man ja wohl echt gesehen. Und wow, da wo man sogar der Chefin Feedback geben kann, da ist man ja wer und das Arbeitsklima modern. Das Feedback, das ist ganz wichtig, soll nämlich in beide Richtungen gehen. Es soll eine Kultur in Unternehmen fördern, die von wechselseitigem Vertrauen geprägt ist. Die alte Hierarchie auflösen, in der ein Chef schreit und die Arbeitenden nicken. Es soll so zu mehr Zufriedenheit führen.

Feedback ist oft Zeitverschwendung

Das ist natürlich toll. Das wünscht man ja jedem, Zufriedenheit im Job. Die Unternehmen wünschen sich das ebenfalls, denn mit zufriedenen Angestellten können sie, laut einiger Experten, eher ihren Gewinn steigern. Das Feedback baumelt als Wurst, wahlweise fette Möhre, vor der Nase der Leistungsgesellschaft.
In der Realität wabert es jedoch eher als Worthülse durch unsere Konferenzräume. Zur super offenen Rückmeldung angehalten, fällt den Anwesenden oft nur oberflächliches Lob ein. Oder sie bemängeln in ihrer Not irgendwas, das aber „nicht total schlimm“ und „eher so ein gefühltes Problem“ ist. Oft geht es um Gefühle, wenig um Fakten. Gefühlt reden auch immer die gleichen Wichtigtuer die gleiche warme Luft. Hauptsache man hat etwas gesagt.

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Das Feedback, es muss vor allem stattfinden. Eine einzige Zeitverschwendung. Wird dagegen berechtigt kritisiert, freuen sich die Chefin oder der Kollege gar nicht unbedingt, zu sehr sind sie an fades Feedback gewöhnt. Es nestelt sich aus den Büros bereits bis tief in unseren Alltag.

Feedback als Illusion von Wichtigkeit 

Bankkonto eröffnen, Hotelzimmer buchen, Blumentopf kaufen – man ahnt es – um Feedback wird gebeten. Gepaart mit dem Versprechen: Ihre Meinung ist uns wichtig und hilft, das Serviceerlebnis zu verbessern. Sie können einen Unterschied machen!
Ein paar Mal bin ich darauf hereingefallen, habe auf Smileys geklickt und Verbesserungsvorschläge formuliert. Das Feedback an die Lufthansa zum Beispiel, es muss aber verlorengegangen sein. Mein Serviceerlebnis kauert jedenfalls weiterhin am Boden. Feedback schenkt uns häufig lediglich die Illusion von Wichtigkeit.
Kluge und fundierte Kritik, wie die der Kollegin, schert sich nicht darum, ob ich mich wichtig oder besser fühle. Es geht um die Sache, und das kann einen irre guten Effekt haben: tatsächlich besser zu werden. Zufrieden macht das am Ende ebenfalls – und die Kollegin schätzt man umso mehr.

Anne Backhaus, geboren 1982, ist freie Autorin und Reporterin aus Hamburg. Ihr Schwerpunkt sind Reportagen und Interviews mit gesellschaftspolitischen und kulturellen Themen, die sie für Die Zeit, Süddeutsche Zeitung, Spiegel u.a. schreibt. Backhaus unterrichtet an Journalistenschulen sowie der Akademie für Publizistik. Sie wurde für diverse Medienpreise nominiert und von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für den besten Tageszeitungstext des Jahres 2017 ausgezeichnet, eine SZ-Reportage über ein Fußball-Diätprogramm für Männer.

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