Fehlende Corona-Hilfen für freie Musiker

"Ein Grundeinkommen wäre die einfachste Lösung"

08:32 Minuten
Der Sänger und Gitarrist Sebastian Dega zusammen mit Moritz Baumgärtner am Schlagzeug bei einem Konzert im Berliner Club Lido.
Versteht nicht, warum die Politik sich so schwertut, Entscheidungen zu treffen: Moritz Baumgärtner am Schlagzeug bei einem Konzert im Berliner Club Lido. © imago images / POP-EYE
Moritz Baumgärtner im Gespräch mit Eckhard Roelcke |
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Auch nach vielen Monaten Pandemie fehlen noch immer Konzepte, um selbständige Künstler finanziell abzusichern. Der Jazz-Schlagzeuger Moritz Baumgärtner macht der Politik deswegen schwere Vorwürfe.
Der Berliner Jazz-Schlagzeuger Moritz Baumgärtner wirft der Politik fehlende Wertschätzung von Kunst und Kultur vor. Die Unterstützung aus der Politik reiche für soloselbständige Musiker auch nach vielen Monaten Pandemie immer noch nicht aus, kritisiert er - obwohl Verbände wie die Jazz-Union und die IG Jazz schon sehr früh auf die Situation von Musikern aufmerksam gemacht hätten.

Das Ersparte wird verbraucht

Auch er komme, trotz eines Arbeitsstipendiums, nur durch Erspartes über die Runden, sagt Baumgärtner: "Es gibt wirklich viel Solidarität von der Familie, von Freunden innerhalb der Szene, auch von Veranstaltern, die vielleicht Spenden gesammelt haben. Das ist zum Teil berührend und schön und auch ermutigend. Aber es geht an die Substanz." Kein Musiker aus seinem Umfeld könne mit den Überbrückungshilfen die eigene Existenz sichern, keinem werde wirklich geholfen.
Die Expertise der Musikerverbände für den Bedarf der Musiker werde von der Politik nicht gehört, moniert der auch international bekannte Schlagzeuger. Hier müsse der Austausch verbessert werden: "Mir scheint das schon fehlende Wertschätzung zu sein - vielleicht sogar ein fehlendes Interesse der Politik, da richtig hinzuhören."
Dass die Politik die Lage der Musiker noch immer nicht begriffen habe, sehe man auch daran, dass so oft nachjustiert werde. Die Bedingungen, für wen Unterstützung infrage komme, änderten sich ständig. "Es ist einfach nicht ganz klar, wer da reinpasst. Das schreckt viele ab - auch mich - weil ich Angst davor habe, dass ich dann das Geld eventuell zurückzahlen muss."
Viele Künstler, die einen Großteil ihrer Einnahmen durch internationale Auftritte erzielten, fielen durch das Raster. Verkannt werde auch, dass Musiker ein kleines Grundkapital bräuchten, um sich selbst zu promoten. "Wenn man ein neues Album aufnimmt, geht man in Vorkasse. Man bezahlt das Studio, die Tontechniker und Agenturen. Man braucht ein Budget, mit dem man arbeiten kann." Dieses Geld benötige man, um flexibel zu bleiben, und könne es darum nicht zum Leben verwenden.

Hartz IV ist keine Lösung

Es sei auch ein sehr großer Schritt für viele, Hartz IV in Anspruch zu nehmen, wenn man eigentlich gar nicht arbeitslos sei. Eine gute Lösung könne eine Art Grundeinkommen vom Staat sein. "Meiner Meinung nach wäre das für viele Leute, die nicht einbezogen sind, genau das Richtige. Es wäre auch viel leichter zu prüfen. Und ich verstehe nicht, warum sich die Politik da so schwertut, eine Entscheidung zu treffen."
Nachdem Corona jetzt schon über zehn Monate das Leben bestimmt, erwartet Baumgärtner insgesamt mehr Stringenz: "Von der Politik und von allen Mitmenschen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen." Es sei klar, dass in der Pandemie Kontakte eingeschränkt werden müssten. Für Musiker komme das aber einem Berufsverbot gleich. "Ich sehe ein, dass es keine Alternative dazu gibt. Dennoch fühlt sich das nach einem Verbot an - und es fühlt sich nicht gut an."
(mle)
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