Fehlende Nachrichtenkompetenz

Welche Rolle spielt der Journalismus?

12:28 Minuten
Ein Mann steht vor einer Zeitung in einem Schaukasten
Journalistinnen und Journalisten machen es ihrem Publikum nicht immer leicht, Nachrichten richtig einordnen zu können. © imago images / Future Image / C. Hardt
Anna-Katharina Meßmer im Gespräch mit Katja Bigalke und Martin Böttcher |
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Desinformation, Information, Werbung, Meinung: Diese zu unterscheiden, fällt laut einer Studie vielen Menschen schwer. Sind auch Journalistinnen und Journalisten schuld an den Defiziten bei der Nachrichtenkompetenz?
Die Unterschiede zwischen Desinformation, Information, Werbung und Meinung werden zum Teil nur schwer erkannt, das ist ein Ergebnis der Studie "Quelle Internet". Die mangelnde Nachrichtenkompetenz wurde sowohl im Umgang der Menschen mit sozialen Medien als auch mit dem "klassischen" Journalismus untersucht.
"Einerseits hat sich gezeigt, dass den Befragten zum Teil wirklich Grundlagenwissen über journalistisches Arbeiten fehlt", sagt die Soziologin Anna-Katharina Meßmer, eine Mitverfasserin der Studie. "Andererseits haben wir auch gesehen, dass journalistische Angebote es den Befragten nicht immer ganz leicht machen, sich gut informiert zum Beispiel auf Nachrichtenseiten zurechtzufinden."

"Advertorials" schwer zu erkennen

Eine redaktionell aufgemachte Werbeanzeige, ein sogenanntes Advertorial, sei nur von 23 Prozent der Befragten bemerkt worden, obwohl sie als solche gekennzeichnet war. "Das macht deutlich, dass diese Kennzeichnungen vielleicht entweder nicht richtig erkannt werden oder vielleicht doch einfach nicht verstanden werden", erklärt sie.
Aber auch bei klassischen Textgattungen habe es zum Teil Probleme gegeben. Dass Menschen nicht in der Lage sind, zwischen Kommentar und Information oder tatsachen- und meinungsorientierten Beiträgen zu unterscheiden, könne dazu führen, dass sie den Medien gegenüber misstrauischer werden, sagt die Soziologin.

Verkürzung, Emotionalisierung, Clickbaiting

Spielen Veränderungen im Journalismus selbst eine Rolle bei diesen Defiziten? Es werde zunehmend mit verkürzten Statements gearbeitet, zum Beispiel mit Sharepics auf Social Media, sagt Anna-Katharina Meßmer. "Da geht dann auch die Einordnung eines Zitates oder einer kurzen Information erst einmal komplett verloren", erklärt sie. Nutzerinnen und Nutzer müssten sich durch weitere Klicks Informationen eigentlich erst dazuholen.
Clickbaiting, Emotionalisierung und die zunehmende Fokussierung auf Beratungsthemen wie Beziehung und Gesundheit führe zu einer Art "Boulevardisierung" auch in seriösen journalistischen Medien, sagt die Soziologin. Zuletzt habe man vor der Wahl in Sachsen-Anhalt zudem wieder einen "Horse race"-Journalismus erleben können, bei dem immer über die neuesten Umfragewerte spekuliert wird. "Natürlich auch eine sehr verkürzte und oberflächliche Art, sich mit politischen Themen auseinanderzusetzen", kritisiert sie.

Klarheit und Kennzeichnung helfen

Meßmer plädiert dafür, sehr viel klarer in den einzelnen Texten zu verdeutlichen, um welche Textgattung es sich handelt. "Was da die richtige Lösung ist, ob es immer sinnvoll ist, 'Das ist meine Meinung' davor zu schreiben, bin ich mir nicht so sicher. Aber wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass eben auch Satire zum Teil zu Desinformationen führen kann, dass Ironie in den sozialen Netzwerken nicht von allen gleich nachvollzogen werden kann", gibt sie zu bedenken.
Bei den Advertorials sieht die Soziologin allerdings ein grundsätzliches Dilemma. "Das ist von mir aus auch gar keine reine Kritik am Journalismus. Mir ist vollkommen klar, dass wir gerade auch einfach in einer Krise der Finanzierung von gutem Journalismus stecken."
Im Medienstaatsvertrag stehe, dass Werbung klar erkennbar gekennzeichnet werden muss. "Aber es ist eben nicht festgelegt, mit welchen Worten." Sie stimme immer ungern für mehr Regulierung, aber gleichzeitig sei klar, "dass wir mit Selbstverpflichtungen allein einfach nicht weiterkommen".

Politische Inhalte verständlich formulieren

Kurz vor der Bundestagswahl wünscht sie sich von den Medien keine unreflektierte Fixierung auf Umfragewerte und weniger "pseudo-polarisierende Kulturkampf- und Lebenslaufdebatten". "Was sinnvoll und wichtig ist, sind wirklich gut recherchierte inhaltliche Auseinandersetzungen mit Parteizielen, mit Parteiprogrammen, mit Parteiinhalten", sagt Meßmer. "Die vor allem auch so aufbereitet sind, dass sie für alle Menschen verständlich sind."
(hum)
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