Feinde allerorten
Im Zorn ist dieses Buch geschrieben: Richard Wagner kämpft mit seinem "Es reicht - Gegen den Ausverkauf unserer Werte" gegen die linksliberalen Intellektuellen dieser Welt. Die sind für ihn Weltumarmer, Diktatoren-Verharmloser, Gleichmacher - und er übzieht sie mit sengendem Spott.
Furor - lateinisch der Zorn, gern in Verbindung mit dem Adjektiv "heilig" gebraucht - Furor ergreift den Menschen angesichts der Weltlage beinahe täglich. Der Versuch, ihn zu konservieren, sorgt normalerweise für sein Verschwinden. So gesehen muss man es als ganz eigene Leistung werten, wenn ein Autor über mehrere Schreibmonate hinweg zornig zu bleiben vermag.
"Bezeichnend ist, dass sowohl Links- als auch Rechtsradikale den Hauptfeind in den Vereinigten Staaten sehen. Sie zeigen auf den Kapitalismus, meinen aber den Liberalismus und einige sogar das Judentum. Die Extremisten von links und rechts pflegen den gleichen Zorn, sie führen die gleichen Argumente an und sprechen auch immer wieder die gleiche Sprache. Wem die Kritik an den Vereinigten Staaten wichtiger ist als die Bekämpfung des islamischen Fundamentalismus, der ist entweder kein Demokrat, oder er ist schlicht ein Idiot."
Hoch erhobenen Kopfes, beinahe lutherisch ("Hier stehe ich und kann nicht anders") kämpft Richard Wagner gegen eine stabile linksliberale Großwetterlage. Komfortabel ist seine Lage nicht, und so mag der Furor auch der Selbstmotivation dienen, denn die anderen sind eindeutig in der Mehrheit. Sie bestimmen seit Jahr und Tag den öffentlichen Diskurs. David gegen Goliath, Richard gegen den Rest der Welt:
"Die kulturelle Charta der heutigen europäischen Gesellschaft ist durch drei Faktoren gefährdet: die achtundsechziger Ideologie, die die Europäer in die Selbstbezichtigung getrieben hat, so dass sie nicht mehr bereit sind, das Eigene zu verteidigen, die Erlebnisgesellschaft, die alles, auch die größten Gefahren, als Spiel erscheinen lässt, und die islamische Einwanderung, die an den Grundlagen der Aufklärung und des Fortschritts rüttelt."
"Wiedergutmacher" nennt Richard Wagner all diejenigen Europäer, die entgegen historischer Fakten immer noch glauben, Appeasement sei das richtige Mittel gegen Aggressoren. Und der schlimmste Weltunruhestifter ist zweifelsohne derzeit der politische Islam. Müsste man sich gegen seine freiheits- und menschenverachtende Ideologie nicht mindestens so vehement zur Wehr setzen wie seinerzeit gegen die faschistischen Bewegungen?
Der gesunde Menschenverstand sagt Ja; der Blick auf die gesellschaftliche Realität ernüchtert gleich wieder. Denn statt sich ihrer abendländischen Stärken zu besinnen, scheint die intellektuell tonangebende Schicht Europas stolz darauf zu sein, jegliche Verbindung zu den kraftspendenden Wurzeln gekappt zu haben.
"Europa ist das einzige Gemeinwesen, das die Vorstellung hegt, ohne Religion auszukommen, zumindest ohne die eigene",
notiert Wagner mit grimmigem Humor, und von derartig galligen Diagnosen hat er etliche auf Lager:
"Der Mensch steht im Mittelpunkt jeder Diktatur. Wen sollte man sonst foltern?"
Gefoltert wird zunächst in Guantánamo, würden die von Wagner befehdeten europäischen Intellektuellen einwerfen, außerdem kenne man die unverminderten Machtgelüste der USA. Schließlich: Wer weiß schon, ob der 11.9. nicht doch auf die CIA zurückgeht, und die wahren Opfer im arabischen Raum zu finden sind?
"Der böse Orient, eine Erfindung des Westens? Es gab genug Wiedergutmacher, die das gerne glaubten. Es gibt sie noch. Jene, die sich über die 40 Stockhiebe, die das Gerichtsurteil für eine vergewaltigte Frau in Saudi-Arabien im Jahr 2007 vorsieht, nicht weiter aufregen und einem stattdessen mit großer Entrüstung versichern, dass der Weltfrieden durch die USA bedroht sei. Nun ist der Weltfrieden tatsächlich nicht durch die 40 Stockhiebe bedroht, diese machen bloß die Menschenwürde zunichte. Was aber soll uns der Weltfrieden ohne die Menschenwürde?"
Soviel zu der einen Front des bedrohten Westens. Doch auch an der zweiten, in Osteuropa, sieht Richard Wagner wenig Anlass zu Hoffnungen:
"Nicht nur Russland ist nicht demokratisierbar, auch die Ukraine ist es nicht."
Den Kotau westlicher Regierungen vor Putin findet der Autor schlichtweg widerlich, andererseits aber auch wenig verwunderlich, da die sich selbst als Gewohnheitsverbrecher bezichtigenden Europäer (Ex-Kolonialmächte, Kriegsanzettler, Manchesterkapitalismuserfinder) ja nicht mal wagen, Dritte-Welt-Diktatoren Einhalt zu gebieten. Im Gegenteil, seit Generationen füllen ihre Schuldgefühle die Kassen korrupter afrikanischer Eliten, wiewohl man längst weiß, dass derartige Entwicklungshilfe das Elend der Bevölkerung eher vergrößert.
Keine Frage: Für den linksliberalen Mainstream und seine Weltumarmungsstrategien hat Wagner nur Hohn übrig. Er ist gegen Feminismus wie gegen jede Form bürokratischer Gleichmacherei, gegen das Maulheldentum der 68er, gegen dümmliche Intellektuellenjargons, gegen die Verächtlichmachung von Autorität, die Dekadenz der Supermarktkultur, die alle Lebensbereiche durchzieht - hier schneiden die USA dann einmal nicht glänzend ab.
Im Umkehrschluss plädiert er für den Vorzug der Freiheit vor dem Dauertremolo der - nebenbei gesagt längst gelösten - sozialen Frage, und wie es sich für einen echten Konservativen geziemt, schreitet er furchtlos ins gegnerische Sperrfeuer hinein. Alle Welt schreit nach sozialer Gerechtigkeit, Mindestlohn, Nivellierung der Gehaltsunterschiede zwischen großen und kleinen Angestellten? Richard Wagner nicht.
"Worauf es ankommt, ist, das Arbeitsethos wirksam zu machen (...). Das erfordert die Überwindung der Anonymität, die die allseitige Verantwortungslosigkeit begünstigt. Diese Überwindung sollte durch die größere Gewinn- und Verlustbeteiligung der Angestellten gefördert werden. Also keine gewerkschaftlich abgesicherten Löhne, sondern ein Einkommen, das mit den Auftragsbüchern des Unternehmens wächst oder schrumpft. Für die Unbelehrbaren aber, die das Terrain der Ökonomie als Tummelplatz für Betrug, Bestechung und Hochstapelei betrachten, sollte der gute alte Pranger her. Warum nicht die Namen der Lebensmittelhersteller, die Gammelfleisch verarbeitet haben, publik machen?"
Das gibt wohl Prügel. Wenn der eine nach dem Pranger für den anderen ruft, wird der andere ihn an denselben stellen. Aber gerade darin zeigt sich Richard Wagners Pamphlet als mutiger Versuch, mit herrschenden Denkvorschriften und Tabus zu brechen. Wen das beunruhigt, der suche Trost in seinem Lateinwörterbuch. Furor, zu Deutsch Empörung, Kampfwut, blinde Leidenschaft, heißt nämlich auch Wahnsinn und Verblendung.
"Es reicht!" ruft Richard Wagner seinen wohlmeinenden Lesern zu und erntet von dieser Seite Applaus. Die andere schmettert den Buchtitel als Bumerang zurück, jetzt selbst von wildem Furor beseelt. Etwas Besseres lässt sich über einen politischen Essay kaum sagen: Er erregt.
Richard Wagner: Es reicht - Gegen den Ausverkauf unserer Werte
Aufbau Verlag, Berlin 2008
"Bezeichnend ist, dass sowohl Links- als auch Rechtsradikale den Hauptfeind in den Vereinigten Staaten sehen. Sie zeigen auf den Kapitalismus, meinen aber den Liberalismus und einige sogar das Judentum. Die Extremisten von links und rechts pflegen den gleichen Zorn, sie führen die gleichen Argumente an und sprechen auch immer wieder die gleiche Sprache. Wem die Kritik an den Vereinigten Staaten wichtiger ist als die Bekämpfung des islamischen Fundamentalismus, der ist entweder kein Demokrat, oder er ist schlicht ein Idiot."
Hoch erhobenen Kopfes, beinahe lutherisch ("Hier stehe ich und kann nicht anders") kämpft Richard Wagner gegen eine stabile linksliberale Großwetterlage. Komfortabel ist seine Lage nicht, und so mag der Furor auch der Selbstmotivation dienen, denn die anderen sind eindeutig in der Mehrheit. Sie bestimmen seit Jahr und Tag den öffentlichen Diskurs. David gegen Goliath, Richard gegen den Rest der Welt:
"Die kulturelle Charta der heutigen europäischen Gesellschaft ist durch drei Faktoren gefährdet: die achtundsechziger Ideologie, die die Europäer in die Selbstbezichtigung getrieben hat, so dass sie nicht mehr bereit sind, das Eigene zu verteidigen, die Erlebnisgesellschaft, die alles, auch die größten Gefahren, als Spiel erscheinen lässt, und die islamische Einwanderung, die an den Grundlagen der Aufklärung und des Fortschritts rüttelt."
"Wiedergutmacher" nennt Richard Wagner all diejenigen Europäer, die entgegen historischer Fakten immer noch glauben, Appeasement sei das richtige Mittel gegen Aggressoren. Und der schlimmste Weltunruhestifter ist zweifelsohne derzeit der politische Islam. Müsste man sich gegen seine freiheits- und menschenverachtende Ideologie nicht mindestens so vehement zur Wehr setzen wie seinerzeit gegen die faschistischen Bewegungen?
Der gesunde Menschenverstand sagt Ja; der Blick auf die gesellschaftliche Realität ernüchtert gleich wieder. Denn statt sich ihrer abendländischen Stärken zu besinnen, scheint die intellektuell tonangebende Schicht Europas stolz darauf zu sein, jegliche Verbindung zu den kraftspendenden Wurzeln gekappt zu haben.
"Europa ist das einzige Gemeinwesen, das die Vorstellung hegt, ohne Religion auszukommen, zumindest ohne die eigene",
notiert Wagner mit grimmigem Humor, und von derartig galligen Diagnosen hat er etliche auf Lager:
"Der Mensch steht im Mittelpunkt jeder Diktatur. Wen sollte man sonst foltern?"
Gefoltert wird zunächst in Guantánamo, würden die von Wagner befehdeten europäischen Intellektuellen einwerfen, außerdem kenne man die unverminderten Machtgelüste der USA. Schließlich: Wer weiß schon, ob der 11.9. nicht doch auf die CIA zurückgeht, und die wahren Opfer im arabischen Raum zu finden sind?
"Der böse Orient, eine Erfindung des Westens? Es gab genug Wiedergutmacher, die das gerne glaubten. Es gibt sie noch. Jene, die sich über die 40 Stockhiebe, die das Gerichtsurteil für eine vergewaltigte Frau in Saudi-Arabien im Jahr 2007 vorsieht, nicht weiter aufregen und einem stattdessen mit großer Entrüstung versichern, dass der Weltfrieden durch die USA bedroht sei. Nun ist der Weltfrieden tatsächlich nicht durch die 40 Stockhiebe bedroht, diese machen bloß die Menschenwürde zunichte. Was aber soll uns der Weltfrieden ohne die Menschenwürde?"
Soviel zu der einen Front des bedrohten Westens. Doch auch an der zweiten, in Osteuropa, sieht Richard Wagner wenig Anlass zu Hoffnungen:
"Nicht nur Russland ist nicht demokratisierbar, auch die Ukraine ist es nicht."
Den Kotau westlicher Regierungen vor Putin findet der Autor schlichtweg widerlich, andererseits aber auch wenig verwunderlich, da die sich selbst als Gewohnheitsverbrecher bezichtigenden Europäer (Ex-Kolonialmächte, Kriegsanzettler, Manchesterkapitalismuserfinder) ja nicht mal wagen, Dritte-Welt-Diktatoren Einhalt zu gebieten. Im Gegenteil, seit Generationen füllen ihre Schuldgefühle die Kassen korrupter afrikanischer Eliten, wiewohl man längst weiß, dass derartige Entwicklungshilfe das Elend der Bevölkerung eher vergrößert.
Keine Frage: Für den linksliberalen Mainstream und seine Weltumarmungsstrategien hat Wagner nur Hohn übrig. Er ist gegen Feminismus wie gegen jede Form bürokratischer Gleichmacherei, gegen das Maulheldentum der 68er, gegen dümmliche Intellektuellenjargons, gegen die Verächtlichmachung von Autorität, die Dekadenz der Supermarktkultur, die alle Lebensbereiche durchzieht - hier schneiden die USA dann einmal nicht glänzend ab.
Im Umkehrschluss plädiert er für den Vorzug der Freiheit vor dem Dauertremolo der - nebenbei gesagt längst gelösten - sozialen Frage, und wie es sich für einen echten Konservativen geziemt, schreitet er furchtlos ins gegnerische Sperrfeuer hinein. Alle Welt schreit nach sozialer Gerechtigkeit, Mindestlohn, Nivellierung der Gehaltsunterschiede zwischen großen und kleinen Angestellten? Richard Wagner nicht.
"Worauf es ankommt, ist, das Arbeitsethos wirksam zu machen (...). Das erfordert die Überwindung der Anonymität, die die allseitige Verantwortungslosigkeit begünstigt. Diese Überwindung sollte durch die größere Gewinn- und Verlustbeteiligung der Angestellten gefördert werden. Also keine gewerkschaftlich abgesicherten Löhne, sondern ein Einkommen, das mit den Auftragsbüchern des Unternehmens wächst oder schrumpft. Für die Unbelehrbaren aber, die das Terrain der Ökonomie als Tummelplatz für Betrug, Bestechung und Hochstapelei betrachten, sollte der gute alte Pranger her. Warum nicht die Namen der Lebensmittelhersteller, die Gammelfleisch verarbeitet haben, publik machen?"
Das gibt wohl Prügel. Wenn der eine nach dem Pranger für den anderen ruft, wird der andere ihn an denselben stellen. Aber gerade darin zeigt sich Richard Wagners Pamphlet als mutiger Versuch, mit herrschenden Denkvorschriften und Tabus zu brechen. Wen das beunruhigt, der suche Trost in seinem Lateinwörterbuch. Furor, zu Deutsch Empörung, Kampfwut, blinde Leidenschaft, heißt nämlich auch Wahnsinn und Verblendung.
"Es reicht!" ruft Richard Wagner seinen wohlmeinenden Lesern zu und erntet von dieser Seite Applaus. Die andere schmettert den Buchtitel als Bumerang zurück, jetzt selbst von wildem Furor beseelt. Etwas Besseres lässt sich über einen politischen Essay kaum sagen: Er erregt.
Richard Wagner: Es reicht - Gegen den Ausverkauf unserer Werte
Aufbau Verlag, Berlin 2008

Richard Wagner: Es reicht - Gegen den Ausverkauf unserer Werte© Aufbau Verlag