Bei ihr habe sich ein Gemeinschaftsgefühl eher nicht eingestellt, sagt Musikredakteurin Juliane Reil über die Performance "Multitudes" von Leslie Feist am Mittwochabend auf Kampnagel. Der Titel ziele für sie auf eine gemeinschaftliche Rückeroberung der Bühne [AUDIOLINK]. Rückeroberung, ja: Das Publikum saß dort auf Sitzwürfeln. Aber gemeinschaftlich sei es eher nicht gewesen. "Feist hat eine klassische Soloshow abgeliefert, das Publikum war der Empfänger." Interaktion habe sie nicht bemerkt, so Reil. Aber: "Es ist natürlich auch verdammt schwer, ein Gemeinschaftsgefühl im Konzert unter Pandemiebedingugnen herzustellen."
Ein Konzert wie ein Lagerfeuerabend
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Die kanadische Sängerin Leslie Feist zelebriert beim Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg die Wiederbegegnung mit dem Publikum: In einer intimen Performance gibt sie ihre Folksongs erstmals nach langer Zeit wieder indoor zu Gehör.
Die zurückliegenden anderthalb Pandemie-Jahre waren hart für Künstlerinnen wie Leslie Feist. Die kanadische Sängerin begeistert seit Langem auch das deutsche Publikum bei zahlreichen Konzerten mit ihren folkigen Popsongs.
Dieser Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme mit den Fans beraubt zu sein, war für Feist ein herber Verlust. Das wurde jetzt beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg deutlich: Nach langer Zeit konnte die Sängerin und Gitarristin ihre Musik wieder direkt und indoor mit einem kleinen Publikum teilen und präsentierte zur Eröffnung des Festivals am 4. August neue Songs.
Bewusste Nähe herstellen
Die Performance "Multitudes" war bewusst als intime Veranstaltung mit nur wenigen Zuschauerinnen und Zuschauern angelegt. Die Journalistin Charlotte Oelschlegel war dabei und zeigt sich sehr angetan – sowohl von den neuen Kompositionen als auch von der Art der Darbietung: Schon der Umstand, dass während der Performance der Saal nicht abgedunkelt wurde, habe eine große Nähe zwischen Feist und dem Publikum geschaffen.
"Das war wie ein großes Indoor-Lagerfeuer." Und obwohl Feist gesungen habe "'Everybody is on their own' – 'Jeder ist alleine' –, hat man doch gespürt, dass es endlich wieder ein gemeinschaftliche Erleben von Musik ist", sagt Oelschlegel.
Die Veranstaltung habe das Publikum mit vielen schönen Details begeistert: So seien Teile der Performance live mitgefilmt und auf die Wände der Halle projiziert worden. "Kleine Details konnte man so stark vergrößert sehen: Kleine Dinge, die zwischen dem Publikum auf dem Boden herumlagen und die mit Feists Biografie zusammenhängen."
Überraschung zum Finale
Die große Überraschung, so Oelschlegel, habe es zum Finale gegeben: Die Sängerin habe an dicken Seilen gezogen und so plötzlich einen Blick in den Zuschauerraum ermöglicht – dem Publikum sei so deutlich geworden, dass es gemeinsam mit Feist auf der Bühne war.
"Und damit war dann auch klar, wie das gemeint war: die Bühne gemeinschaftlich zurückzuerobern." Feist habe sich dann den leeren Rängen zugewendet und gesungen. "Das hat nochmal verdeutlicht, wie schlimm das für die Künstler:innen war, während der Pandemie auf das Publikum zu verzichten."
(mkn)