Feminismus im deutschen Pop

Das F-Wort unbedingt vermeiden

Sind genervt, dass sie immer über Feminismus sprechen müssen, nur weil sie Frauen sind: Schnipo Schranke.
Sind genervt, dass sie immer über Feminismus sprechen müssen, nur weil sie Frauen sind: Schnipo Schranke. © Promo / Jenny Schaefer
Von Ina Plodroch |
Nach den Rrriot Girls in den 90er-Jahren sind es heute Superstars wie Beyoncé, die Feminismus zum Trend erklären und sich entsprechend vermarkten. Doch im deutschen Pop versuchen Musikerinnen, eher nicht mit Feminismus in Verbindung gebracht zu werden. Warum?
Sie nennt sich eine "feminist", schreibt Essays über das Thema, singt mit viel nackter Haut und Glitzer für die Rechte der Frau und lässt auf ihrer Welttournee nur Frauen die Bühne betreten. Beyoncé beherrscht die Vermarktung des Feminismus perfekt.
Sookee: "Die Entstaubung des F-Wortes ist ja im vollen Gange, und wenn Beyoncé sich das traut, dann trauen sich das auch andere."
Die feministische Sängerin Sookee steht am 01.09.2013 am Pariser Platz in Berlin mit einem Mikrofon in der Hand auf der Bühne.
Die feministische Rapperin Sookee© dpa picture alliance / Florian Schuh
Findet Rapperin Sookee, die sich als Feministin bezeichnet und seit zehn Jahren über die Gleichstellung von Mann und Frau rappt.
"Als ich angefangen habe gab es kaum feministische Rapperinnen, vielleicht so anderthalb oder so, und plötzlich ist da richtig viel los."
Die Band "Jennifer Rostock" folgte im letzten Jahr dem amerikanischen Vorbild: Feminismus mit viel nackter Haut und Klicks auf Facebook. Ziemlich ungewohnte Töne im deutschen Mainstream.
"Du fragst, was Sache ist? Reden wir Tacheles!
Ich glaube nicht daran, dass mein Geschlecht das schwache ist."

Feminismus als Marketing-Trick?

Feminismus scheint sich ziemlich gut vermarkten zu lassen. H&M verkauft T-Shirts mit dem Aufdruck "The Future is Female" und Frauenmagazine, die sich doch früher damit beschäftigten, wie die Frau dem Mann gefallen kann, schreiben zig Sonderseiten, warum Feminismus cool ist. Spricht also nichts dagegen, ein bisschen feministisch zu sein, oder?
"Schnipo Schranke" klingen nicht gerade nach zartem Pop. Daniela Reis und Fritzi Ernst singen so explizit über Penisse, Scheiden und Orgasmen, wie Margarete Stokowski es in ihrem Buch "Untenrum Frei" fordert und vormacht. Stokowski bezeichnet sich als Feministin und passt damit zum "The Future is Female"-Hype bei H&M.
Doch im Deutschen Pop scheint das F-Wort noch nicht entstaubt zu sein. Schnipo Schranke sagten der taz, dass sie nicht das Aushängeschild einer neuen feministischen Generation sein wollen. Es nerve, dass sie immer über Feminismus sprechen müssen, nur weil sie Frauen sind.
Die Sängerin Balbina im Foyer des Deutschlandfunks
Die Sängerin Balbina© Deutschlandradio / Ellen Wilke
Und Sängerin Balbina sagt:
"Ich würde mich noch nicht mal als Feministin bezeichnen. Ich möchte nicht betrachtet werden als Mann oder Frau, sondern als Künstlerin."
Und das sagt sie, obwohl sie wie Schnipo Schranke den Gestus der Feministin ganz gut drauf hat und gar nichts davon hält, dass Frauen in der Musik ja eigentlich oft nur eine Rolle haben:
"Sie sollte sexy Unterwäsche tragen Tag und Nacht
Und Lieder trällern über sexy love Uh uh ah!"
Balbina gibt sich anders als die Klischee-Sängerin, über die "Stereo Total" singen. Sie inszeniert sich, wie man es eher von internationalen Popstars kennt. Manchmal androgyn, die Kleider immer hochgeschlossen, die Augen blass geschminkt. Sie tut also alles, "um dem Klischee der blonden Sängerin mit dicken Busen entgegenzuwirken in ihren Kostümen, in ihrer Sprache."
Sagt Anne Haffmanns, die Managerin des Labels Domino. Doch gerade weil Balbina nicht wie die das Mädel von nebenan mit Pferdeschwanz aussieht, fragen die Leute unter ihren Videos, warum sie nicht wie eine Frau aussehe und ob sie überhaupt eine sei. Männer können viel mehr wagen, meint Haffmanns.
"Die dürfen Nabelschau betreiben, seltsam sein, politisch sein, jux machen. So pseudo-politisch wie Kraftklub oder so Jux machen wie Deichkind. Die dürfen das alle."

"Ich denke nicht den ganzen Tag über Frauenrechte nach"

Aber Frauen, die sich irgendwie anders äußern, vielleicht sogar feministisch: Nein, Danke. Das ärgert Balbina, und trotzdem sagt sie:
"Ich sitze nicht den ganzen Tag da – wie können wir die Frauenrechte voran bringen, sondern wie kann ich meine Kunst voran bringen? Und wie kann ich versuchen, ein größeres Publikum zu erreichen?"
Bernadette La Hengst
Bernadette La Hengst© Christiane Stephan
Ein Wunsch, den Bernadette LaHengst nachvollziehen kann. Sie hat in den 90er-Jahren, als sich in Amerika die Riot Girls mit Punk-Attitüde für Frauen in der Musik stark machten, in Hamburg mit ihrer Band "Die Braut haut ins Auge" Musik gemacht.
"Also es gibt die neue Generation wie 'Die Heiterkeit' oder 'Schnipo Schranke', also so die Hamburger Fraktion, die sagen, wir wollen ernst genommen werden und den ganzen Teil vom Kuchen, wir wollen nicht als die Frauen und die Feministinnen wahrgenommen werden. Das kann ich ganz gut verstehen, so ging es uns auch Anfang der 90er. In dem Moment, wo man sich als Feministin bezeichnet, besteht die Gefahr, dass man nur als Feministin wahrgenommen wird."
Und genau darauf hat auch Laura Lee vom Berliner Duo "Gurr" keine Lust mehr: Sich ständig dazu äußern zu müssen, wie es um die Frau im Pop steht, während die Männer über ihr neues Album sinnieren dürfen.
"Es ist so schwierig, weil natürlich sind wir Feministinnen, ich hoffe aber auch, dass Bands wie 'Die Nerven' Feministen sind. Also, man kann ja auch mal Bushido fragen. Vielleicht ist es auch einfach unsere Aufgabe, unserer Generation, immer wieder zu sagen, dass wir nicht darüber sprechen wollen. Anscheinend gibt’s ja Redebedarf."

Es gibt enorm viel Redebedarf

So lange der Chef eines deutschen Indielabels auf Interviewanfragen zu diesem Thema antwortet: "Das ist schlicht nicht mein Thema. Ich denk nicht mal drüber nach", und dann noch findet, feministische Positionen im deutschen Pop klängen nur verkrampft, gibt es enorm viel Redebedarf. Totschweigen hat dabei noch nie etwas verbessert.
Und so lange sich Popkünstlerinnen zwar feministisch geben, aber ohne das F-Wort für sich zu benutzen, wird sich Feminismus im deutschen Pop auch nicht so vermarkten lassen wie bei Beyoncé in den USA, meint auch Anne Haffmanns.
"Es ist einfach unmöglich, Feminismus und Charts unter einen Hut zu bringen. Die Charts bilden das kleinste gemeinsame Vielfache einer Menge an Hörer oder Käufer ab. Leute mögen keine Neuerungen, Leute mögen auch in der Popmusik keine Nachrichten, nicht nur, dass sie keinen Feminismus mögen, sie mögen keine politischen Botschaften."
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