Feministische Pornos

"Gute Pornos machen glücklich"

Paar unter der Dusche.
Bei Erika Lust soll der Pornodreh vor allem Spaß machen. © imago / westend61
Erika Lust im Gespräch mit Katja Bigalke |
"Ich möchte Leute sehen, die guten Sex zusammen haben", sagt die schwedische Filmemacherin Erika Lust über ihre Pornofilme. Als Vorreiterin des feministischen Pornos kritisiert sie, dass viele Sex-Filme "frauenverachtend" und "rassistisch" seien.
"Im Prinzip ist Porno ja schlicht ein Medium", sagt die Filmemacherin Erika Lust. "Ein Massenmedium allerdings, das einen Riesenanteil im Netz ausmacht." Daher seien die in Mainstream-Pornografie vermittelten Werte ein Problem. Denn das meiste sei fies und frauenverachtend. "Nicht sehr erotisch. Sogar oft das Gegenteil."
Deswegen hat sie sich entschieden, andere Pornos zu drehen – und ist damit mittlerweile sehr erfolgreich. Ihr geht es in ihren Filmen darum, Menschen zu zeigen, die miteinander Spaß und guten Sex haben. Daher sei es für sie das Wichtigste, dass die "Chemie" unter den Darstellern stimme. "Denn dann küssen und berühren sie sich automatisch mehr."
Und: Während die meisten Pornofilme von Männern gedreht werden, besteht die Film-Crew von Erika Lust vor allem aus Frauen. "Ich denke, wenn Frauen hinter der Kamera stehen, dann erzählen sie andere Geschichten. Geschichten, die sich aus ihren Erfahrungen als Frau speisen", sagt Lust. (lk)

Das ganze Interview im Wortlaut:

Katja Bigalke: Wie unterscheidet sich ein feministischer Erika-Lust-Film von den klassischen Mainstream-Pornos?
Erika Lust: Die weibliche Lust ist für mich essenziell. Auch der ethische Ansatz und wie man mit der Crew umgeht. Ich möchte Unterschiedlichkeit zeigen. Unterschiedliche Körper, unterschiedliche Altersgruppen und Ethnien. Und ich finde es wichtig, Frauen hinter der Kamera zu haben, die die Entscheidungen treffen.
Bigalke: Warum ist das so wichtig, eine weibliche Crew zu haben?

Lust: Weil die meisten Leute, die heute Pornos drehen, Männer sind. Und uns aus ihrer Perspektive zeigen, was sie sexy, spannend und erotisch finden. Ich denke, wenn Frauen hinter der Kamera stehen, dann erzählen sie andere Geschichten. Geschichten, die sich aus ihren Erfahrungen als Frau speisen. Auch ist der Umgang am Set ein anderer, wenn Frauen in der Crew sind. Und darüber sind auch die Darsteller glücklich.
Bigalke: Wie könnte eine typische Szene in einem ihrer Filme aussehen?
Lust: Ich behandele Frauen wie Menschen, nicht als schöne, sexy Objekte, die nur da sind, um den Mann zu befriedigen. Die haben ihre eigene Charaktere, ihre eigene Persönlichkeit, ihr eigenes erotisches Leben und sie wollen Spaß haben. Was man in meinem Filmen auch sieht: Männer und Frauen, die eine gute Zeit miteinander haben, geben und nehmen.
Für mich ist es wichtig, dass die Chemie zwischen Menschen stimmt, dass sie aufeinander stehen. Mich interessieren nicht die typischen Porno-Posen, Flüssigkeiten und diese akrobatischen Stellungen. Ich möchte Leute sehen, die wirklich guten, authentischen Sex zusammen haben. Ich möchte, dass sie sich berühren, ihre Reaktionen sehen. Im Mainstream Porno sieht man oft nur einzelne Körperteile. Brüste und Penisse. Ich will von einem Mann aber auch mal den Gesichtsausdruck sehen, die Haut, die Arme, den Bauch und den Rücken.
Bigalke: In ihren Filmen küssen sich die Darsteller auch auf eine Art und Weise, die man aus dem Mainstream-Porno nicht kennt. Das wirkt sehr intim. Manche Sex-Szenen sind auch komisch oder auch mal ungelenk und herantastend, so wie Sex im echten Leben eben auch ist. Trotzdem arbeiten Sie ja mit Profis aus der Branche. Müssen die erst einmal umdenken?

"Die Schauspieler haben wirklich Spaß!"

Lust: Die professionellen Schauspieler, die müssen Sex tatsächlich neu denken, weil sie es so gewöhnt sind, das zu tun, was die Pornoindustrie von ihnen will. Ich sage denen immer, dass sie einfach Sex haben sollen wie im echten Leben. Bei den Castings ist es immer gut, die Leute zu fragen, mit wem sie arbeiten wollen. Denn wenn die Chemie zwischen denen stimmt, dann küssen und berühren sie sich automatisch mehr.
Bigalke: Und die haben echt Fun…
Lust: Die haben wirklich Spaß! Darum geht es ja auch letztendlich. So viele Leute möchten Sexfilme sehen, aber finden nichts, was sie mögen. Sie mögen vielleicht die Bilder, aber die Werte dahinter nicht. Leute wollen erotisches Storytelling und unterschiedliche Sex-Fantasien sehen.
Ich habe ja vor vier Jahren das Projekt X Confessions gegründet. Eine Website, über die Leute ihre Fantasien an mich schicken. Und jeden Monat wähle ich zwei Geschichten aus und mache erotische Kurzfilme daraus. Und diese Geschichten sind wirklich anders als das, was man normalerweise im Porno sieht. Leute haben wilde Fantasien, tolle und schöne Fantasien, und die sind überhaupt nicht stereotypisch.
Bigalke: Haben Sie da ein paar Beispiele?
Lust: Das sind mittlerweile so viele. Wir haben über 100 Confessions auf der Seite. Als ich anfing, da schrieb mir eine Frau, die hatte so eine Ikea-Fantasie. Die stand total darauf, wenn ihr Freund Möbel von Ikea zusammenbaute. Daraus ist ein Film geworden: "I fucking love Ikea". Dann sind da eine Menge Confessiones mit einem Fetisch – Füße oder Gastrofilme, die mit Essen zu tun haben. Die Bandbreite ist ziemlich groß.

Bigalke: Ist es Ihnen eigentlich ein Anliegen, den Blick auf Pornos zu entspannen? Viele empfinden Sexfilme ja immer noch als ziemlich eklig?
Lust: Im Prinzip ist Porno ja schlicht ein Medium. Ein Massenmedium allerdings, das einen Riesenanteil im Netz ausmacht. Das ist keine Nische für ein paar wenige Männer, sondern es hat einen großen Einfluss auf die Art und Weise, wie wir Sex wahrnehmen. Das Problem ist, dass das meiste, was im Netz zu finden ist, fies ist, frauenverachtend. Es wird auch immer nur Penetration gezeigt, oft sehr hart. Nicht sehr erotisch. Sogar oft das Gegenteil. Chauvinistisch, oft rassistisch und im heterosexuellen Pornosegment oft homophob.

"Wir müssen nicht das Pornofilmangebot akzeptieren"

Pornografie ist ja an sich kein Problem. Auch nicht, dass es explizit ist. Problematisch sind aber die Werte, die da vermittelt werden. Es bringt aber nichts, deshalb so zu tun, als gäbe es kein Porno. Ich finde es wichtig, dass man darüber spricht, welchen Einfluss Pornos auf eine Gesellschaft haben. Wir müssen kritisieren und auch formulieren, was wir wollen, was wir an Pornos mögen.
Warum? Weil wir sexuelle Wesen sind. Wir sind nur da, weil zwei Leute mal Sex hatten. Das ist unsere Realität. Deswegen ist es nur natürlich, dass wir uns gerne Sex anschauen. Wir müssen deshalb aber nicht das Pornofilmangebot akzeptieren, das es gibt. Wenn wir essen gehen, wollen wir ja auch wählen: zwischen Gourmetrestaurants, familiengeführte Restaurants und Fast Food. Das ist alles Essen.
Bigalke: Klingt überzeugend, aber wie klappt das denn zum Beispiel mit der Anerkennung bei Ihren Eltern? Sie kommen aus einer feministischen Familie. Ist Ihre Mutter stolz auf Ihre Arbeit?
Lust: Heute ist sie es. Aber als sie erfahren hat, dass ich diese Art Filme machen wollte, war sie schockiert. Sie hat nicht verstanden, wie Porno feministisch sein und gut für Frauen sein soll. Aber nach vielen Jahren und vielen Diskussionen über dieses Thema versteht sie das heute und ist stolz auf mich.
Bigalke: Und um auf die andere Generation zu sprechen zu kommen: Einige Experten warnen ja vor den Gefahren, dass Pornos die Sexualaufklärung von Teenagern übernehmen. Denken Sie, dass Teenager durch den Konsum von Mainstream-Pornos ein gestörtes Bild der Rolle der Frau in sexuellen Beziehungen haben? Und denken Sie, Ihre Filme könnten da Abhilfe leisten? Sie haben selbst zwei Töchter, würden Sie denen ihre Filme zeigen?

Lust: Ich würde meinen Töchtern die Filme jetzt nicht zeigen. Die sind sechs und neun. Das ist noch viel zu früh. Aber wir müssen die Realität anerkennen, dass Teenager heute Zugang zu Computern, IPads, Smartphones und damit auch zu pornografischen Inhalten haben. Als Mutter denke ich, dass es sehr wichtig ist, mit Jugendlichen darüber zu sprechen. Damit sie verstehen, was das ist und dass es nicht für sie gemeint ist. Pornofilme sind für Erwachsene. Sexuelle Aufklärung und Erziehung ist nur leider nicht so verbreitet, wie sie es sein sollte.
Es gibt Länder, in denen das natürlich besser läuft als in anderen. Nur da, wo Erwachsene nicht mit Kindern über Sexualität sprechen, ist es umso normaler, dass sie online nach Pornos suchen. Das Problem ist tatsächlich, dass das meiste, was sie da finden werden, vermittelt, dass es die grundsätzliche Rolle des Mannes ist, etwas mit Frauen zu machen, während Frauen etwas für Männer zu machen haben.
Die Rolle der Frau ist es, den Mann zu befriedigen. Wenige dieser Filme sind auf die Lust der Frau konzentriert oder auf sexuelle Techniken. Die meisten Filme zeigen, dass Frauen durch Penetration zum Orgasmus kommen, obwohl die meisten Frauen wissen, dass sie sich selbst stimulieren müssen, um einen Orgasmus zu haben. Ich hoffe natürlich, dass meine Filme da eine Alternative bieten.

"Guter Porno gibt dir ein gutes Gefühl"

Bigalke: Was sind das für Zuschauer, die sie mit Ihrer Arbeit erreichen?

Lust: Ich erreiche ein sehr breites Publikum. Laut Statistik 60 Prozent Männer und 40 Prozent Frauen. Die Hauptaltersgruppe ist 25 bis 45. Auf meiner Seite XConfessions erreichen mich aber Schreiben aus der ganzen Welt und aus allen Altersgruppen. Ich habe auch schon mal ein Schreiben von einer 90-Jährigen bekommen. Und auch von jüngeren Leuten.
Letztens habe ich zum Beispiel einen Film gedreht "Coming of age". Der basiert auf der Beschwerde einer 16-Jährigen, die es schrecklich findet, wie ihre Altersgruppe im Mainstream Porno fetischisiert wird. Und die mal einen Film sehen wollte, in dem eine junge Frau eine ehrliche und natürliche Beziehung hat mit einem Mann ihres Alters.
Bigalke: Und, letzte Frage: Was macht denn nun einen guten Porno aus?

Lust: Guter Porno gibt dir ein gutes Gefühl und respektiert die Darsteller. Die sollen glücklich aussehen und Spaß haben. Ein Tipp, online gute Pornofilme zu finden: Suchen Sie nach "ethical porn", "feminist Porn" oder oder "Indie Adult Cinema". Da finden Sie wahrscheinlich sehr andere Filme, mit einem sehr anderen Look, die man genießen kann.
Bigalke: Sagt Erika Lust, eine Frau die Pornofilme dreht, die auch Frauen gefallen, eine Pionierin in ihrem Fach. Neuerdings gibt es übrigens auch auf Youporn den Female Directors Cut, und das ist laut Youporn ziemlich gut angekommen.
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