Feng-Shui und so weiter

Von Erik von Grawert-May |
Die Europäer fürchten und bewundern zugleich Japaner, Chinesen, und Inder. Und das nicht nur wegen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, auch asiatische Heilpraktiken und Religionen stehen hoch im Kurs - während unsere eigenen Traditionen oft belächelt werden. Wieso eigentlich?
So mancher wird in seinem Bekanntenkreis jemanden haben, der, sagen wir, in seinen Wohnräumen die Prinzipien des Feng-Shui anwendet oder der dem Buddhismus nahesteht und den Dalai Lama verehrt oder der sonst etwas tut, was ihn mit asiatischen Sitten und Gebräuchen verbindet.

Sollte man sich nicht darüber freuen, sogar ganz vorbehaltlos, da es doch eine wunderbare Sache ist, wenn sich Menschen, gleich welcher Couleur, fremden Kulturen nicht nur öffnen, sondern sie auch in ihr Leben integrieren?

Die Frage dürfte eigentlich nur bejaht werden. Ist nicht in asiatischen Ländern ein ähnliches Phänomen zu erkennen? Die Japaner zum Beispiel: Sie haben keine Schwierigkeiten, gleichzeitig Buddhisten und Christen zu sein - und Shintoisten noch dazu. Mal, bei der Hochzeit, folgen sie dem einen Ritual, mal, beim Sterben, dem anderen und so fort. Ohne die geringsten Probleme. Nur sind sie alles nicht gleich intensiv, aber wer will da den Maßstab anlegen.

Es gibt jedoch einen feinen Unterschied zu unseren, zu den westlichen Formen der Aneignung fremder Gebräuche. Um bei den Japanern zu bleiben: Sie geben, wenn sie christliche Feste feiern, anders als wir, ihre eigenen nicht auf.

Man könnte gegen diesen Vergleich einwenden, die Japaner seien ein spezielles Völkchen. Sie halten sich, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand, für einzigartig. Der geringe Prozentsatz an Ausländern spricht eine deutliche Sprache. Es könne also mit der Integration fremder Kulturen nicht so weit her sein.

Aber Vorsicht! Keiner ist geschickter in der Aneignung des Fremden. Japaner sind wahre Imitationskünstler. Im Grunde besteht die ganze japanische Kultur aus der Übernahme von Fremdem, das dann auf raffinierte Weise verfeinert worden ist.

Mag diese Kunst auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gelitten haben und mögen auch bestimmte Traditionen des Landes inzwischen verblasst sein, so dürfte doch wahr bleiben, dass in Nippon ein nachahmenswertes Modell der Integrationsfähigkeit studiert werden kann. Und vielleicht ist ein Grund für die fehlende Bereitschaft, größere Kontingente von Ausländern aufzunehmen, der, dass sich Japaner diese Fähigkeit um jeden Preis erhalten wollen.

Wie dem auch sei, Tatsache ist, um vom fernöstlichen Inselreich in unsere westlichen Gefilde zurückzukommen, dass sich diejenigen, die Feng-Shui und buddhistische Riten praktizieren, gern von ihren eigenen Traditionen verabschieden. Sie können es tun, weil die Anziehungskraft des Christentums, jedenfalls des in den Kirchen gepredigten, so nachgelassen hat, dass eine psychische Leere entstanden ist, eine Lücke, in die nun asiatische Gebräuche einsickern.

Philosophisch ausgedrückt wäre es die transzendentale Obdachlosigkeit, die wie jede fehlende Geborgenheit schwer zu ertragen ist und durch leichter zugängliche Angebote auf dem Markt der Religionen ersetzt wird. Die Suche nach esoterischen Erbauungen würde in die gleiche Richtung weisen. Leichter zugänglich sind solche Angebote deshalb, weil die verbreitete Freudlosigkeit der christlichen Kirchen den Obdachlosen die Suche schwermacht. Außerdem sind die Gotteshäuser meistens geschlossen.

Jetzt, da Weihnachten wieder vor der Tür steht, werden die Kirchen wie an jedem Jahresende gefüllt sein. Zumeist jedoch von Atheisten. Die Christmette gefällt allen unterschiedslos. Vielleicht sollten wir von den Amerikanern lernen und den Glanz des Konsums mit dem Glanz des Christfestes verbinden. Markt und Kirche vertragen sich gut. Deshalb sind sie von alters her architektonisch benachbart.

Unsere Konsumkritik hat das in Vergessenheit geraten lassen. Die Institution der Messe erinnert uns wieder daran. Erst wenn Kirchenveranstaltungen erneut so attraktiv wie Messen sind, werden sie wieder eine Geborgenheit bieten, nach der jeder sich sehnt.


Erik von Grawert-May, aus der Lausitz gebürtiger Unternehmensethiker, lebt in Berlin. Letzte Veröffentlichung "Die Hi-Society" (2010)

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