Fennelly und Franklin: "Das Meer von Mississippi"

Die große Flut

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Zu sehen ist das Cover des Buches "Das Meer von Mississippi" von Beth Ann Fennelly und Tom Franklin.
Die beiden Prohibitionsagenten Ted Ingersoll und Ham Johnson sollen eigentlich Schwarzbrennernester ausheben, doch dann finden sie ein Baby. © Deutschlandradio / Heyne Verlag
Von Thomas Wörtche |
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In "Das Meer von Mississippi" erzählen Beth Ann Fennelly und Tom Franklin von einer der größten Naturkatastrophen in der Geschichte der USA. Den Stoff, den die apokalyptische Kulisse bietet, reizt das Duo geschickt aus.
Es ist ein epischer Stoff, den sich das Ehepaar Beth Ann Fennelly und Tom Franklin für ihren Roman "Das Meer von Mississippi" vorgenommen hat. Die "große Flut" von 1927 war vermutlich die größte Naturkatastrophe, die die USA zumindest bis dahin getroffen hatte.

Versagen der Behörden

Anhaltende Regenfälle führten zu Dammbrüchen entlang des mächtigen Mississippis, 70.000 Quadratkilometer Land wurden überschwemmt, Hunderttausende Menschen obdachlos, die genaue Anzahl von Toten ist nicht abzuschätzen. Staatliche Hilfsmaßnahmen waren ineffektiv, von Korruption und Partialinteressen sabotiert.
Der amtierende Präsident Calvin Coolidge legte eine bemerkenswerte Indolenz an den Tag, für seinen "Krisenmanager" Herbert Hoover war die Flut das Sprungbrett ins Weiße Haus. Ganz besonders hart traf das, was man heute Behördenversagen nennen würde, die in den Südstaaten marginalisierte schwarze Bevölkerung, die letztendlich zunehmend in den Norden abwandern musste.

Alles fließt ineinander

Um diese apokalyptische Situation erzählbar zu machen, ziehen Fennelly und Franklin einen oberflächlich kriminalliterarischen Plot ein: Die beiden Prohibitionsagenten Ted Ingersoll und Ham Johnson sollen eigentlich Schwarzbrennernester ausheben und nach mutmaßlich ermordeten Kollegen suchen. Als Ingersoll ein Baby findet, das ein Massaker an seinen Eltern überlebt hat, vertraut er es Dixie Clay an, die ihr eigenes Kind jüngst verloren hat.
Dixie Clay ist Schwarzbrennerin und zudem mit dem Gangster Jesse verheiratet, der im Auftrag von finanzkräftigen "Bankiers" aus New Orleans den Damm bei Hobnob, einer fiktionalen Kleinstadt, sprengen soll, um das Wasser von New Orleans wegzuleiten. Ingersoll und Clay verlieben sich, doch dann kommt die Flut.
Den Stoff, den die Kulisse bietet, reizt das Duo weidlich aus: Naturkatastrophe, Liebe, Gangster, Saboteure, Rassismus, politische Ranküne, Prohibition, Korruption, Action und Gewalt, Natur, Geburt und Tod, Loyalität und Verrat, bizarre Figuren und dazu ein süßes Baby. Alles ist da, alles fließt, um in der Metapher zu bleiben, ineinander.

Ein Ereignis verewigt im Blues

Und weil Ted Ingersoll, für einen Weißen dieser Zeit ungewöhnlich, ein großer Blues-Freak und -Musiker ist, steckt darin ein Verweis: "Die große Flut" von 1927 mag zwar, wie Fennelly und Franklin im Vorwort schreiben, "größtenteils in Vergessenheit geraten sein", aber im Blues der 1920er- und 1930er-Jahre hat sie eine dauerhafte künstlerische Verarbeitung erfahren – Bessie Smith, Memphis Minnie, Charlie Patton, der hier auch erwähnte Barbecue Bob, John Lee Hooker und ungezählte andere haben daraus eindrückliche Songs gemacht.

Beth Ann Fennelly und Tom Franklin: "Das Meer von Mississippi"
Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné
Heyne Verlag, München 2020
384 Seiten, 22 Euro

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