Feridun Zaimoglu: Die Geschichte der Frau
Roman
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019
396 Seiten, 24 Euro
Der Autor als Frauenversteher
05:52 Minuten
In zehn Monologen erzählt Feridun Zaimoglu die "Geschichte der Frau". Doch es ist nicht ihre Sprache, in der sie erzählen, sondern eine künstlich hochgeschraubte und muskelbepackte Imponierprosa.
Gustave Flaubert brachte es lediglich dazu, Madame Bovary zu sein. Feridun Zaimoglu aber ist gleich zehn Frauen, drunter macht er es nicht. In den zehn Kapiteln seiner "Geschichte der Frau" leiht er ihnen in chronologischer Folge seine Stimme, angefangen mit Zippora, der dunkelhäutigen Frau des Moses, über die in Wittenberg als Hexe verbrannte Prista Frühbottin, bis hin zu einer Kieler Trümmerfrau, einer Gastarbeiterin in West-Berlin und zu Valerie Solanas, die versuchte, Andy Warhol zu erschießen.
Zehn Frauen, zehn Monologe, zehn "Gesänge", die sich zum "feministischen Manifest" auswachsen, wie der Klappentext verspricht: Das ist aus der Feder eines modernen Mannes eine durchaus triumphale Geste. Der Autor als Frauenversteher lässt die Unterdrückten und von den hohnlachenden Männerhorden Ausgegrenzten zur Sprache kommen.
Doch es ist eben nicht ihre Sprache, sondern eine künstlich hochgeschraubte, muskelbepackte Imponierprosa, an der vor allem Zaimoglu selbst seine Freude haben mag. Was Rezensenten dann gerne "Sprachmächtigkeit" nennen, ist vielmehr gedankliche Unschärfe und inhaltsarmes Schwadronieren.
Doch es ist eben nicht ihre Sprache, sondern eine künstlich hochgeschraubte, muskelbepackte Imponierprosa, an der vor allem Zaimoglu selbst seine Freude haben mag. Was Rezensenten dann gerne "Sprachmächtigkeit" nennen, ist vielmehr gedankliche Unschärfe und inhaltsarmes Schwadronieren.
Lust am Stabreim und fortgesetzte Sprachbesoffenheit lassen Brunhild zum Beispiel Sätze sagen wie diesen: "Ich bin das hohe Weib, das sich mit Kinn und Kiefer der Krieger behängt." Klang geht stets vor Bedeutung. Auf die Hitze der Haut folgen Hunnen, Hass und Haupt.
Jeder Monolog ist eine Demonstration
Und Zaimoglus Manie, Sätze von ihrem Ende her aufzuzäumen, um so Bedeutung in sie hineinzupumpen, lassen die arme Antigone deklamieren: "Nicht weinen werde ich vor dem Seher um meine Verluste. Nicht vergessen werde ich die Würde meines Standes. Jäh schüttelt er sich, als wittere er den Hinterhalt des Weibes."
Dann doch lieber Sophokles, Hölderlin, Anouilh oder Brecht, denn es stimmt ja nicht, dass Antigone in der Literaturgeschichte nicht ausgiebig zu Wort gekommen wäre.
Alle zehn Einzelkapitel – in der Summe eher Erzählungen als Roman – klingen erstaunlich ähnlich. Sie sind alle in Ich-Form und im Präsens gehalten. Das erlaubt dem Autor die Verengung aufs jeweilige Bewusstsein und den Augenblick und enthebt ihn der Mühe, Distanz und Überblick zu bewahren.
Alle zehn Einzelkapitel – in der Summe eher Erzählungen als Roman – klingen erstaunlich ähnlich. Sie sind alle in Ich-Form und im Präsens gehalten. Das erlaubt dem Autor die Verengung aufs jeweilige Bewusstsein und den Augenblick und enthebt ihn der Mühe, Distanz und Überblick zu bewahren.
Es birgt zudem die Gefahr, in atemloses Stammeln zu verfallen, denn wer gerade als Hexe auf dem Scheiterhaufen brennt oder die Pistole auf Warhol richtet, kann nicht auch noch gut erzählen.
Machtausübung mit den Mitteln der Sprache
Zaimoglu setzt sich über derlei Skrupel hinweg. Er ist seinen Frauen ganz nah, er ergreift sie von innen. Er übt Macht aus mit den Mitteln der Sprache und erobert sich, was er zu befreien vorgibt. Was ein Countertenor in der Musik, versucht Zaimoglu in der Literatur: Er besetzt die weiblichen Stimmen als Mann, weil Männer Frauenrollen immer noch am besten singen.
Der andauernde sprachliche und syntaktische Hochdruck erzeugt jedoch weder Spannung noch Dynamik noch Erkenntnis, sondern quälende Langeweile. Alles ist schon festgelegt, nichts entwickelt sich, jeder Monolog ist eine Demonstration.
"Mit den Mitteln der Literatur ist es möglich, mit seinem Geschlecht auf dem Papier zu brechen", sagte Zaimoglu in einem Interview. Das kann schon sein, auch wenn seine Prosa sehr männlich wirkt, ist aber im Zeitalter der Gender-Variabilität nicht mutig, sondern bloß modisch.
"Mit den Mitteln der Literatur ist es möglich, mit seinem Geschlecht auf dem Papier zu brechen", sagte Zaimoglu in einem Interview. Das kann schon sein, auch wenn seine Prosa sehr männlich wirkt, ist aber im Zeitalter der Gender-Variabilität nicht mutig, sondern bloß modisch.
Die Frage ist, wie weit die Einfühlung reicht und wo die Anmaßung beginnt. Die beginnt im Falle dieses nur schwer lesbaren Buches schon im Titel. Zehn Geschichten von Frauen machen noch lange nicht "die" Geschichte "der" Frau, auch wenn sie von einem zur Feministin mutierten Mann stammen.