Fern vom Einfluss Moskaus
Eine weltweit einmalige Kunstsammlung in Usbekistan besteht ausschließlich aus Werken von Künstlern, die von Stalin verschmäht und verfolgt wurden. Das Museum in der Stadt Nukus verdankt seine Existenz der mutigen Sammelleidenschaft seines Gründers Igor Savitzky.
Auf den ersten Blick könnte man das Bild für eine einfach nur hübsche Winterszene halten. Leute stehen zusammen und ein Mann zieht einen Schlitten mit darauf sitzenden Kindern. Doch die Personen auf der Zeichnung sind zu leicht gekleidet. Rückt man näher an die Bleistiftzeichnung heran, erschrecken die Gesichter der Personen. Von winterlichem Spaziergangsvergnügen kann keine Rede sein. Die 1997 verstorbene Malerin Nadezhda Boroyava zeichnete Gulaginsassen. Häftlinge in Stalins Arbeits- und Todeslagern.
Bei ihrer, erklärt Marinika Babanazarova, sogenannten "Freizeit", bei der Arbeit und auch beim Sterben:
"Es wird so oft von Künstlern gesprochen, die in Stalins Gulags gefangen waren oder starben, aber es gibt so gut wie keine Kunst, die dieses Leiden darstellt. Hier bei uns finden sich viele Darstellungen mit diesem tragischen Sujet."
Bei ihrer, erklärt Marinika Babanazarova, sogenannten "Freizeit", bei der Arbeit und auch beim Sterben:
"Es wird so oft von Künstlern gesprochen, die in Stalins Gulags gefangen waren oder starben, aber es gibt so gut wie keine Kunst, die dieses Leiden darstellt. Hier bei uns finden sich viele Darstellungen mit diesem tragischen Sujet."
Mitten in der Steppe
Die Kunsthistorikerin ist Direktorin eines erstaunlichen Museums in der Kleinstadt Nukus im Osten Usbekistans. Ein staubiger und wie von Gott verlassener Ort mitten in der zentralasiatischen Steppe. Aber mit einem Museum, in dem über 90.000 Gemälde und Zeichnungen aufbewahrt werden, darunter auch die entsetzlichen Gulagbilder von Nadezhda Boroyava - und in dem, wie jetzt, immer wieder auch Wechselausstellungen zu sehen sind. Bis Ende Januar werden kubistische Zirkusdarstellungen gezeigt.
Besichtigt werden können Kunstwerke, die man sonst auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion nicht zu sehen bekommt. Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde, die, als in den 60er- und 70er-Jahren Moskauer Sowjetkommissare in Nukus vorstellig wurden, um zu sehen, was denn da für ein Museum entstanden war, als Szenen aus Nazi-KZs ausgegeben wurden. Die Kommissare fielen immer wieder auf diese Lüge herein – und ließen Igor Savitzky machen.
Savitzky war 1950 als Maler und Ingenieur in die einsame und von Moskau weit entfernte usbekische Wüste gekommen, zunächst als Expeditionszeichner für archäologische Grabungen. Während dieser Zeit fand er eine Zeitschrift mit Fotos, die Gemälde des usbekischen Malers Alexander Volkov zeigten, einem Avantgardekünstler, der kurz nach der russischen Revolution als einer der bekannten Abstrakten seines Landes galt. Volkovs Sohn Valery:
"Er sah diese Fotos und fragte sich, wieso er in Moskau nie etwas von diesem Maler gehört hatte. Er forschte nach und entdeckte, dass eine ganze Generation von Künstlern, die vor Stalins Machtübernahme die russische Avantgarde ausmachten, wie vom Erdboden verschwunden waren. Volkov war prominent aber nur einer von vielen."
Besichtigt werden können Kunstwerke, die man sonst auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion nicht zu sehen bekommt. Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde, die, als in den 60er- und 70er-Jahren Moskauer Sowjetkommissare in Nukus vorstellig wurden, um zu sehen, was denn da für ein Museum entstanden war, als Szenen aus Nazi-KZs ausgegeben wurden. Die Kommissare fielen immer wieder auf diese Lüge herein – und ließen Igor Savitzky machen.
Savitzky war 1950 als Maler und Ingenieur in die einsame und von Moskau weit entfernte usbekische Wüste gekommen, zunächst als Expeditionszeichner für archäologische Grabungen. Während dieser Zeit fand er eine Zeitschrift mit Fotos, die Gemälde des usbekischen Malers Alexander Volkov zeigten, einem Avantgardekünstler, der kurz nach der russischen Revolution als einer der bekannten Abstrakten seines Landes galt. Volkovs Sohn Valery:
"Er sah diese Fotos und fragte sich, wieso er in Moskau nie etwas von diesem Maler gehört hatte. Er forschte nach und entdeckte, dass eine ganze Generation von Künstlern, die vor Stalins Machtübernahme die russische Avantgarde ausmachten, wie vom Erdboden verschwunden waren. Volkov war prominent aber nur einer von vielen."
Wiederentdeckte Künstlergeneration
Bis 1984, bis zu seinem Tod, ging Igor Savitzky neben seiner Arbeit und dann als Rentner auf die Suche nach den Werken Volkovs und Hunderter anderer Künstler, die wegen ihrer Experimentierfreudigkeit, ihrer abstrakten und auch kritischen Darstellungen im Stalinismus zu Volksfeinden erklärt worden waren. Viele der Künstler konnte er nicht kontaktieren – sie waren entweder tot oder in Gulags gefangen gewesen – und ihre Werke waren zerstört oder versteckt worden.
Savitzky tat etwas Unerhörtes: Er suchte in der gesamten Sowjetunion nach Freunden und Verwandten der verschmähten Künstler. Er versuchte sie davon zu überzeugen, die bei ihnen aufbewahrten Kunstwerke ihm anzuvertrauen, in der Hoffnung, damit ein Museum zu füllen. Fast überall stieß er auf offene Ohren und bereitwillige Geber. Bei dieser Suche riskierte Igor Savitzky sein Leben. Von Stalin verachtete Kunst durfte man nicht sammeln.
1966 endlich konnte Savitzky sein Museum im usbekischen Nukus eröffnen. Offiziell, erklärt Direktorin Babanazarova, als Museum sowjetischer Kunst:
"Savitzky wurde schwer kritisiert für viele der Bilder, die er an die Wände des Museums hing. Werke von Künstlern wie Sergej Lupov, Vladimier Milashevsky, Alvina Shpade und vielen anderen, die sich an Vorbildern wie Van Gogh, Seurat, Cézanne orientierten. Immer wieder wurde er von Moskau aufgefordert, als antisowjetisch eingestufte Bilder abzuhängen."
Das tat er auch, hing sie aber im Abschluss an die Inspektionen aber wieder an die Wände.
Savitzky tat etwas Unerhörtes: Er suchte in der gesamten Sowjetunion nach Freunden und Verwandten der verschmähten Künstler. Er versuchte sie davon zu überzeugen, die bei ihnen aufbewahrten Kunstwerke ihm anzuvertrauen, in der Hoffnung, damit ein Museum zu füllen. Fast überall stieß er auf offene Ohren und bereitwillige Geber. Bei dieser Suche riskierte Igor Savitzky sein Leben. Von Stalin verachtete Kunst durfte man nicht sammeln.
1966 endlich konnte Savitzky sein Museum im usbekischen Nukus eröffnen. Offiziell, erklärt Direktorin Babanazarova, als Museum sowjetischer Kunst:
"Savitzky wurde schwer kritisiert für viele der Bilder, die er an die Wände des Museums hing. Werke von Künstlern wie Sergej Lupov, Vladimier Milashevsky, Alvina Shpade und vielen anderen, die sich an Vorbildern wie Van Gogh, Seurat, Cézanne orientierten. Immer wieder wurde er von Moskau aufgefordert, als antisowjetisch eingestufte Bilder abzuhängen."
Das tat er auch, hing sie aber im Abschluss an die Inspektionen aber wieder an die Wände.
Viele Werke unrestauriert
Viele der Gemälde warten in den Kellern des Museums darauf gereinigt und restauriert zu werden. Marinika Babanazarova verfügt aber nicht über genügend Finanzmittel dafür. Die könnte sie haben, erklärte sie beim Verlassen ihres "Wüsten-Louvre", wie sie das Museum nennt. Sie müsste nur dem Drängen von US-Sammlern nachgeben, die sie seit Jahren immer wieder auffordern, einige wichtige Gemälde, auch von Alexander Volkov, zu verkaufen. Doch das kann sie nicht tun, denn damit würde sie gegen Igor Savitzkys Testament verstoßen – und das sieht vor, dass diese weltweit wichtigste Sammlung kommunistischer Avantgardekunst komplett bleibt, in Nukus, in der usbekischen Wüste.