Denis Trubetskoy ist freier Journalist für deutschsprachige Medien in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw. Der gebürtige Sewastopoler studierte Journalistik an der Lomonossowuniversität Moskau und widmet sich seitdem verschiedenen Themen rund um die Ukraine, Russland, Belarus und den gesamten postsowjetischen Raum. Er schreibt unter anderem für den Blog Ukraine verstehen.
TV-Programm in der Ukraine
Berichten in Zeiten des Krieges: Ein Vertreter der Presse mit blauer Schutzweste spricht mit einem Uniformierten. © picture alliance / abaca / Yaghobzadeh Alfred/ABACA
Berichte über das Unaussprechliche
15:25 Minuten
Die schrecklichen Bilder aus Butscha haben auch die Wahrnehmung der Menschen in der Ukraine verändert, sagt Journalist Denis Trubetskoy. Das wirke sich auch auf das Fernsehprogramm aus. Es bemühe sich jedoch nach wie vor um Hintergründe und Berichte.
Seit den ersten Tagen des Krieges haben sich die wichtigsten ukrainischen Sender zusammengetan. Das sei zunächst eine Entscheidung der Sender gewesen, erzählt der Journalist Denis Trubetskoy.
Ein Dekret der ukrainischen Regierung, das im März die Zusammenlegung anordnete, hätte konkrete Gründe gehabt: Man habe befürchtetet, dass oppositionelle Sender die eigene Agenda pushen könnten, sagt Trubetskoy.
Aufschlussreiche Berichte über die Lage vor Ort
Die
Tragödie von Butscha
verändere die Lage noch einmal. Viele Menschen hätten geahnt, dass es so aussehen könnte, es aber nicht glauben wollen, sagt Trubetskoy. Man wolle sich gar nicht vorstellen, wie die Bilder aus der derzeit noch eingeschlossenen Stadt Mariupol aussehen könnten.
Auch das Fernsehprogramm habe sich verändert. Es spreche in einer Sprache, die es vorher nicht gegeben habe. Wenn man es kritisch betrachte, sei das durchaus Propaganda. Aber unter diesen Umständen sollte die Ukraine ein Recht auf Kriegspropaganda haben, findet Trubetskoy.
Das Produkt sei aus journalistischer Sicht "ziemlich interessant". Nicht so sehr, was vermeintliche Heldengeschichten angehe. Aber lokale Entscheidungsträger berichteten durchaus aufschlussreich über die Situation vor Ort. Man bekomme so gut die Stimmung der Menschen vermittelt.
Ohne schwarzen Humor wäre die Lage kaum zu ertragen
Die Mitarbeiter der Sender befänden sich an verschiedenen Orten, sie seien ziemlich stark aufgeteilt. Im Zuge des 24 Stunden langen Fernsehmarathons versuchten die Verantwortlichen durchaus, auch leichtere Themen einzubringen.
Vor einigen Wochen habe etwa ein Stand-up-Comedy-Konzert im Luftschutzkeller stattgefunden. Seines Wissens nach liefen auch Sport- und Kindersender weiter.
Mit Kolleginnen und Kollegen im Luftschutzkeller verbinde ihn oftmals schwarzer Humor, mit dem man sich gegenseitig beruhigen könne: "Der schwarze Humor ist ein wichtiger Bestandteil, um diese schreckliche Situation zu überleben. Sonst geht es nicht."
Auch auf lange Sicht werde der Krieg nachwirken: Er werde auf Jahre und Jahrzehnte ein großer Teil der ukrainischen Nationalfolklore sein.
(ros)